Griechenland und Europa für Anfänger

Tsipras=EU-Alptraum? Die Medien der "Geberländer" für "Finanzhilfen" überschlagen sich mit Verunglimpfung und Beschuldigungen. Brief an ein paar ahnungslose Freunde aus Asien:

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Heute mal ein paar Worte zur Verleumdung von Griechenland und seiner neuen Regierung. Zur Einführung in das Thema empfehle ich dieses Video anzuschauen, denn Frau Dr. Wagenknecht entblößt darin die Falschbehauptungen der deutschen Politik mit wenigen Sätzen. Alles was sie sagt sind Fakten, Wahrheit. Die bei uns in den Medien meist vollkommen verdreht dargestellt werden.

Vor wenigen Tagen hat die neue Partei Syriza erwartungsgemäß die Parlaments-Wahl gewonnen, und Griechenland hat als erstes Land Europas eine echt linke Regierung. Aber schon vor der Wahl ging in Deutschland die Medienkampagne gegen Griechenland los. Und so legt sie sich auch prompt am ersten Tag mit der EU-"Regierung", und auch den USA an, und erklärte, dass es nicht richtig wäre, dass Griechenland den Sanktionen gegen Russland zugestimmt hätte. Und schon vor der Wahl hatte Tsipras erklärt, dass er nicht gedenke, mit der Regierung in Kiew, die zum Teil aus NeoNazis besteht, zusammen zu arbeiten.

WARUM BRICHT DIE NEUE REGIERUNG GRIECHENLANDS AUS?

Wie kommt es, dass zum ersten Mal in der Geschichte der EU eine Partei, eine Regierung, es wagt, wirklich gegen Korruption, Ausbeutung durch das Bankensystem und gegen die Bevormundung durch die USA, aufzubegehren? Während Frau Merkel unterwürfiger agiert als selbst US-Bundesstaaten. Es noch nicht einmal wagt, die Folterdokumente in Washington anzufordern, es nicht wagt, gegen die NSA vorzugehen, oder die Drohnenmorde von deutschem Boden aus, und auch nicht wagt, die Atomwaffen der USA, die uns zur Zielscheibe macht, zum Teufel zu schicken, obwohl das sogar mal in Koalitionsverträgen mit der FDP stand?

Immer wenn man fragt, "warum nicht?", kommt der Hinweis, man könne das nicht wegen "Rücksichtnahme auf die USA". (In den USA erklärt man übrigens der Bevölkerung, die Kernwaffen wären auf Wunsch der Deutschen hier stationiert, die USA würde uns großzügig unter seinem Atomschutzschirm halten. Denn wenn US-Atomwaffen angegriffen würden, müsste die USA das als Angriff auf sie selbst werten.)

Warum ist das jetzt in Griechenland anders? Die Erklärung ist einfach. Niemand hatte die Syriza auf dem Schirm. Um Politiker zu "überzeugen", zu korrupmieren, oder notfalls zu erpressen, muss man sie kennen, sehr gut kennen. Deshalb gibt es teure Stipendien, deshalb gibt es Einladungen und Seminare für aussichtsreiche junge Politiker, durch die finanziell hervorragend ausgestatteten transatlantischen Interessenvertretungen. Deshalb gibt es Professuren und gut dotierte Positionen für ehemalige Spitzenpolitiker. Und natürlich wird die NSA auf sie angesetzt. Man will ja seine "Freunde" kennen.

Drei führende ehemalige Minister bzw. Staatssekretäre haben öffentlich, selbst im Öffentlich Rechtlichen Fernsehen, erklärt, dass die USA die deutsche Regierung mit Geheimdienstmaterial erpresst. Hört z.B. nur mal die ersten Sekunden von folgendem Video.

Oder hört Euch mal z.B. die Aussagen vom CDU-Politiker Willi Wimmer, oder dem CSU-Mann Jürgen Todenhöfer, oder dem ehemaligen Bundes-Minister Andreas von Bülow an. Googeln bildet ungemein.

Also in Griechenland hatten die transatlantischen Lobbyverbände das Gefühl, mit den etablierten Politikern alles im Griff zu haben. Und der Aufstieg der Syriza war so
schnell, dass sie a) keine jungen Politiker korrumpieren konnten und b) kein Erpressungsmaterial hatten sammeln können. Und was das Wichtigste ist: Diese Politiker sind transparent und kontrollieren sich gegenseitig. Es sind einfach zu viele Idealisten, die korrupte Karrieristen verjagen, während es vorher anders herum war. Damals waren es korrumpierte Karrieristen und die bissen die wenigen Idealisten weg, machten sie lächerlich oder verleumdeten sie.

GRIECHENLAND IST DIE HOFFNUNG FÜR EUROPA

Griechenland könnte der Anfang von einer Wiederbelegung der Idee der Demokratie sein. Das erste was die neue Regierung machte, war die Absperrungen vor dem Parlament zu beseitigen. Die neue Regierung meint, wenn ein Parlament Angst vor seiner Bevölkerung haben muss, ist sie nicht Wert, die Regierung zu sein. Und Griechenland hat ein Tabu gebrochen. Eine linke Partei hat eine Regierung mit einer rechtspopulistischen Partei gebildet. Und sofort schrien alle, auch einige in der deutschen Linkspartei: QUERFRONT! Aber dieser Mut war längst überfällig. Denn nicht Rechtspopulisten, so lange sie die Spielregeln der Demokratie einhalten, sondern ganz andere, sind die wirklichen Gegner.

SPANIEN IST ALS NÄCHSTES DRAN

Und genau diese Philosophie kommt in wenigen Wochen in Spanien mit der Podemos an die Macht. Dann wird das zweite Land der EU die korrupten Banker und Lobbyisten zum Teufel jagen, und eine Politik für die Menschen machen, und nicht für Banken und ein bißchen für Konzerne.

In Spanien besteht jedoch die Gefahr, dass das Land zurück in den Faschismus fällt, unterstützt durch CIA und NATO. (Googelt mal nach GLADIO, Strategie der Spannung usw.) Schon jetzt werden drakonisch verschärfte Gesetze erlassen, um Demonstrationen zu verhindern. Denn in Spanien gehen Millionen auf die Straßen, was in Deutschland kaum berichtet wird.

DANN KOMMT ITALIEN

Wenn in Spanien auch eine linke Regierung herrscht, und die ersten harten Auseinandersetzungen zwischen Griechenland, Spanien und den Bankenvertretern aus Deutschland, Holland, Luxemburg usw. ausgefochten werden, wird es in Italien zu Massendemonstrationen kommen. Wie üblich in Italien, kann das zu einer Regierungskrise führen und Auflösung des Parlaments. Und die Neuwahlen werden durch die 5-Stelle-Bewegung gewinnen, und die dritte linke Regierung stellen.

Auch hier dürft ihr in den Medien nicht erwarten, dass man Euch die Wahrheit erzählt. Auch hier wird verleumdet, verdreht, verzerrt und einseitig berichtet. So hatte man zuerst z.B. versucht, Beppo Grillo, einen ehemaligen Kabarettisten und Blogger, als rechtspopulistischen Clown verächtlich abzutun. Dabei war er schon immer links. Und darüber, was populistisch ist, sollte man mal nachdenken. Warum wurde es zu einem Schimpfwort? Ich verstehe es als Auszeichnung für demokratisches Verhalten, wenn sich Politiker populistisch verhalten.

Der Duden (21. Auflage) erklärt den Begriff Populismus als opportunistische Politik, die "die Gunst der Massen zu gewinnen sucht". Warum ist es verwerflich, wenn Politiker versuchen, "die Gunst der Massen zu gewinnen"? Ist das nicht die Grundidee der Demokratie?

Immer mehr Menschen erkennen Populismus nicht mehr als Schimpfwort, sondern als wünschenwerten Ausdruck eines basisdemokratischen Verhaltens.

Und so werden in den Jahren 2015 und 2016 einige Dinge in der EU ins Wanken geraten.

2017 DANN FRANKREICH

In 2017 wird dann aller Voraussicht nach eine rechtspopulistische Regierung, die Front National in Frankreich, an die Macht kommen. Auch wenn es unlogisch erscheint, werden sich Griechenland, Spanien und Italien mit dieser Regierung arrangieren, um die Europapolitik zu verändern. Die Vorsitzende der Front National, Frau Le Pen, die gerne in Deutschland als Neo-Nazi betitelte wird, hatte vor ihrer politischen Karriere, als Rechtsanwältin, illegale Immigranten in Prozessen gg den französischen Staat vertreten. Sie erklärt, dass nicht die Einwanderer schuld daran sind, wenn sie Flüchtlinge werden, sondern die Politik der westlichen Staaten, die ihre Länder mit Krieg und Ausbeutung heimsuchen, und so zu den größten Flüchtlingsströmen in der Geschichte führen. Und hier treffen sich Linke und Rechte in Europa.

Sie werden gemeinsam gegen die aggressive Politik der NATO kämpfen, gegen die Ausgrenzung von Russland aus Europa. Aber natürlich wird es gravierende Unterschiede geben. Und die Frage wird sein, ob die Mächtigen von heute in der Lage sein werden, Linke und Rechte aufeinander zu hetzen.

So gibt es z.B. Unterschiede in der Fremdenpolitik. Während LePen die Grenzen weitgehend für Flüchtlinge dicht machen wird, und Ausländer viel schneller abschieben will, werden die links regierten Ländern eine offenere Politik betreiben.

Echte Linke sind internationalistisch, für sie ist ein Afrikaner genau so viel wert wie ein Europäer. Und es widerstrebt ihnen, für ein bisschen Wohlstand mehr, Menschen zurück in die Verzweiflung zu schicken.

Hoffen wir, dass die neuen Regierungen von Frankreich, Griechenland, Spanien und Italien nicht vergessen, wer der wichtigere Gegner ist. Der, der die Grundlagen der Demokratie in Gefahr gebracht hat.

Andere Länder werden folgen. Verfolgt mal z.B. die Entwicklungen in Ungarn. Auch die Verdrehungen vom Allerfeinsten in der Presse, sobald es um die "Einigkeit der EU" geht. Ungarn könnte durchaus auch ausscheren.

WAS IST MIT DEUTSCHLAND?

Hier haben die Menschen noch nicht begriffen, was diese ihre Bundesregierung verbrochen hat. Sie hat mit teilweise höchst korrupten Mitteln, auf Teufel komm raus exportiert. Obwohl sie wusste, dass die Länder das nicht bezahlen können. Und sie hat das Lohnniveau und die Inflation in Deutschland niedriger gehalten als in anderen EU-Ländern. Das war keineswegs positiv, wie den Menschen Deutschlands erklärt, sondern lag unterhalb des durch die römischen Verträge vereinbarten Rahmens! Es war die Erzeugung eines unfairen Vorteils für die Wirtschaft. Nur wenn alle Länder der EU gleiche Inflation und Lohnentwicklung haben, bleiben die Verhältnisse fair. Frankreich hatte sich exakt an die Vorgaben gehalten. Dadurch wurden aber die deutschen Produkte im Ausland billig und der Export auf Pump noch weiter angeheizt. (Googelt mal nach Erklärungen von Prof. Flassbeck zu dem Thema.)

Dann kam unweigerlich, wie von Flassbeck vorausgesagt, die große Krise, und die Banken, die Jahrzehnte reichlich durch Geldschöpfung bzw. an Krediten an Staaten und die Firmen in den Ländern des Südens verdient hatten, drohten Bankrott zu gehen. Da beschloss Deutschland und andere Länder, nicht die Einlagen der Menschen und die Hausbesitzer zu retten, sondern die Banken. Den Menschen in Deutschland wurde das als "Hilfspaket" oder "Schuldenschnitt" verkauft. Aber was steckte dahinter?

Die Länder, die ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten, die den größten Teil der Staatseinnahmen für Zinsen an Banken aufbringen mussten, wurden "unterstützt". Die Länder bekamen Geld, garantiert von Staaten wie Deutschland, das sie dann aber sofort an die Banken weiterleiten mussten. Auf diese Art und Weise, war aus den Bankenrisiken, Risiken des Staates geworden. Nur ein minimaler Betrag landete bei in Not geratenen Staaten selbst.

Es war immer klar, dass diese Staaten nicht in der Lage sein würden, die Schulden, die durch Zinsen immer höher wuchsen, zurück zu zahlen. Aber Deutschland wollte verhindern, dass die Menschen in Deutschland merken, was die deutsche Wirtschaftspolitik angerichtet hatte. Also presste sie die Länder mit allen Mitteln dazu, die Menschen, die am wenigsten zur Krise beigetragen hatten, bluten zu lassen. Massenentlassungen, Kürzungen der Renten und Gehälter, und natürlich "Reformen" wurden bis ins Detail vorgeschrieben. Mit Letzterem ist gemeint, dass Dinge, die der Allgemeinheit gehören, wie Wasserwerke, Straßen, Häfen, Universitäten, Gebäude usw., an Reiche verkauft werden. Damit ... der Staat seine Zinsen an sie zahlen kann.

Heute können in Griechenland Krebskranke nicht mehr ausreichend mit lebensrettenden Krebsarzneimitteln versorgt werden, Menschen verbrannten sich aus Verzweiflung, jedem war klar, dass das Land niemals aus der Misere heraus kommen konnte. Je mehr gespart wurde, desto schlechter ging es den Menschen, ohne dass sich die Schuld senkte, weil die Zinsen jede kleine Veränderung wieder zunichte machte. Während gleichzeitig die Reichen nach wie vor kaum Steuern zahlten, Korruption nach wie vor den Staat schädigte.

Jetzt kommt also die neue Regierung Griechenlands und sagt zu Frau Merkel und die anderen Vertreter der Austeritätspolitik, die man dem Land aufgezwungen hatte:

Ihr habt uns, gemeinsam mit unseren alten korrupten Politikern und Großunternehmern, in diese
Situation gebracht. Es war eine US-Bank, die die Bilanzen so frisierte, dass Griechenland in den Euro aufgenommen wurde, und die gleiche Bank wurde von der EU dann beauftragt, als die Krise kam, wieder als teure Berater, um die Krise zu bekämpfen. Und immer verdienten in erster Linie die Banken und einige reiche Großfamilien.

Der Fisch stinkt vom Kopf. Natürlich waren auch kleine Unternehmer oder Angestellte bemüht, weniger Steuern zu zahlen, oder Bestechungsgelder anzunehmen. Entscheidend aber ist die Vetternwirtschaft, und die Ausbeutung des Landes durch eine korrupte Elite, in Zusammenarbeit mit rücksichtlosen Bankern, Politikern und Unternehmern aus anderen Ländern.

Natürlich wird es zu einem Schuldenschnitt kommen. Es ist rein mathematisch gar nicht möglich, dass Griechenland seine Schulden zurück zahlen kann. Notfalls wird Griechenland eben den Bankrott erklären und aus der EU austreten. Der frühere Erzfeind Türkei und Russland haben ebenso wie andere BRICS-Staaten bereits zugesagt, Griechenland beizuspringen. Und natürlich auch den anderen Ländern, die sich aus dem EU-Diktat befreien wollen.

DIE ERKLÄRUNG DER DEUTSCHEN REGIERUNG

Deutsche Politiker und Medien wiederholen immer wieder, dass das griechische Volk selbst schuld wäre. Es hätte "über seine Verhältnisse" gelebt und müsse jetzt eben sparen, um dafür zu büßen. Und deutsche Wähler werden es vermutlich zu großen Teilen wieder glauben.

Aber Frau Merkel wird den Wählern erklären müssen, warum sie die Banken gerettet hat,obwohl absehbar war, dass dadurch die Schulden der Banken jetzt zu Schulden der Steuerzahler wurden.

Und diejenigen, die begreifen, was passiert ist, werden fragen, warum jetzt die Arbeitnehmer über ihre Steuerlast noch einmal bezahlen sollen. Schließlich hatten sie schon einmal eine große Last getragen, als sie viel geringeren Gehaltssteigerungen zustimmten als in anderen Ländern der EU, wodurch den Unternehmern Exportvorteile verschafft wurden, durch die sie heute statt Schulden freies Geldvermögen haben. Während der Staat immer mehr Schulden anhäuft.

So viel für heute zu Griechenland und der kommenden Krise in der EU, wohlgemerkt der EU, nicht Europa.

Europa könnte durch die Redmokratisierung aus der Krise sogar gestärkt hervorgehen, weil die Menschen begreifen, dass nicht das andere Land, sondern andere Mitspieler im System die Bösen sind.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

LinksPazi

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