Bourgeoisie 2.0

Globalisierung Wie viel haben wir uns nicht schon weiterentwickelt in den letzten knappen 200 Jahren seit der Industrialisierung?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Heutzutage kriechen in Deutschland keine Kinder mehr durch Bergwerksschächte oder nähen Kleider. Heutzutage ist fast keiner mehr den Dämpfen giftiger Chemikalien bei der Arbeit ausgesetzt, keine Städte gehen mehr in Abgaswolken unter. Heutzutage gibt es keine unterbezahlten 16 Stunden-Tage mehr und Kinderarbeit sowieso nicht. Kinder gehen heutzutage zur Schule oder spielen mit Freunden. Heutzutage gibt es keine Sklaven mehr, die gegen ihren Willen unbezahlt Arbeit verrichten. Heutzutage leben wir in einem gebändigten Kapitalismus, in einer sozialen Marktwirtschaft, in der jede und jeder mehr oder weniger vom Wohlstand des Landes profitiert und nicht nur die Bourgeoisie während der Rest der Bevölkerung am Hungertuch nagt.

Doch heutzutage kriechen immer noch Kinder durch Bergwerksschächte – in Afrika – um die Rohstoffe für die Geräte zu gewinnen, die Ausdruck unseres modernen Lebensstils sind, oder sie nähen die Kleidung – in Bangladesh – die wir tragen, die zuhauf unsere Kleiderschränke füllt und Ausdruck unseres Wohlstands ist. Heutzutage verbrennen Menschen – in Afrika – unseren Elektroschrott, der als Gebrauchtware deklariert seinen Weg auf den Schwarzen Kontinent findet, und atmen dabei schutzlos die giftigen Dämpfe des verbrennenden Kunststoffs ein, heutzutage versinken ganze Städte – in China – unter den Rauchwolken der Fabriken, Menschen trauen sich nur noch mit Mundschutz vor die Tür. Heutzutage werden Menschen – in China – weitab ihrer Familien in Firmenwohnheimen gehalten, wo sie mehr als 60 Stunden die Woche bei Dumpinglöhnen arbeiten, während sie unsere Elektrogeräte produzieren, die wir günstig im Elektronikmarkt kaufen. Heutzutage werden Kinder aus ihren Dörfern entführt – in Afrika – um unbezahlt auf Kakaoplantagen zu arbeiten, für unsere Schokolade. Heutzutage leben wir in einem globalisierten Kapitalismus. Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen wurden outgesourct, profitieren tun die westlichen Unternehmen und Gesellschaften. Nicht die Bourgeoisie hat aufgehört zu existieren, wir sind zur Bourgeoisie geworden, der Rest der Weltbevölkerung nagt am Hungertuch.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden