Medizin ist keine Ware

Gesetzliche Krankenkassen Gesundheitsminister Lauterbach plant Beitragserhöhungen und weitere Maßnahmen. Doch damit werden die grundlegenden Probleme bei der medizinischen Versorgung nicht gelöst. Es wird Zeit für ein insgesamt staatliches Gesundheitssystem.

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In einem Eckpunktepapier hat Gesundheitsminister Lauterbach finanzielle Vorschläge unterbreitet, um ein drohendes Milliarden-Defizit der gesetzlichen Krankenversicherungen zu verringern. So soll eine Erhöhung der Zusatzbeiträge um durchschnittlich 0,3 Prozentpunkte knapp 5 Mrd. Euro einbringen; staatliche Zuschüsse und Darlehen des Bundes könnten weitere Milliarden in die Kassen spülen. Außerdem soll die Pharmaindustrie einen Solidarbeitrag von etwa 1 Mrd. Euro leisten, weil deren Umsätze kräftig gestiegen sind.

Als Ursache des Defizits der Krankenkassen nennt Lauterbach teure Leistungsausweitungen, die sein Vorgänger Jens Spahn zu verantworten habe. Doch mit diesen „Leistungsausweitungen“ meint der jetzige Gesundheitsminister wahrscheinlich auch zusätzliche Kosten, die durch die Corona-Pandemie ausgelöst wurden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Großteil der Aufwendungen direkt vom Bund getragen wurden.

Doch unabhängig vom Kostenträger bleibt festzuhalten, dass neben der Pharmabranche viele im Gesundheitssektor Tätige finanziell von der Pandemie profitiert haben. Freilich ist der Einsatz und die Zusatzbelastung des medizinischen Personals in besonderem Maße zu würdigen. Auf der anderen Seite bedeutet die Pandemie für praktisch alle Menschen eine zum Teil erhebliche Belastung. Insofern sollte die Bekämpfung der Pandemie als ein Akt gesellschaftlicher Solidarität begriffen werden. Und hier zeigt sich pars pro toto, dass im Grunde alle medizinischen Leistungen eine staatliche Aufgabe darstellen, die der gewinnorientierten Privatwirtschaft und dem Marktmechanismus entzogen werden müssten.

Gesundheit stellt keine Ware dar, bei der man in Preis- und Kostenkategorien denken kann. Deshalb halte ich es aus ethischer Sicht für angebracht, alle medizinischen Institutionen in staatliche Hand zu überführen. Die Mitarbeiter würden demzufolge zu Angestellten im öffentlichen Dienst.

Als Vorbild könnte aus meiner Sicht der National Health Service (NHS) in Großbritannien dienen. Zwar wird der NHS immer wieder kritisiert, weil manche Patienten sehr lange auf spezielle Behandlungen warten müssen. Auch bei der Corona-Pandemie erwies sich der NHS als überfordert. Der Grund für diese Schwächen liegt jedoch nicht am System an sich, sondern an jahrelangen übermäßigen Einsparungen. Die Probleme sind durch eine chronische Unterfinanzierung des NHS entstanden und ließen sich leicht beseitigen.

In Deutschland würde es bei den aktuellen politischen Mehrheitsverhältnissen allerdings schwierig, ein staatlich organisiertes medizinisches System durchzusetzen. Vor allem die FDP würde sich querstellen. Als Kompromiss könnten SPD und Grüne den Liberalen anbieten, dass gewisse medizinische Zusatzleistungen weiterhin privat erbracht werden. Für spezielle Leistungen, die nicht unbedingt medizinisch erforderlich und eher kosmetischer Natur sind, könnten die Menschen private Zusatzversicherungen abschließen.

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