Abstimmung über Tierrechte in Basel-Stadt

Tierrechte Der Kanton Basel-Stadt stimmt am Sonntag über eine Initiative ab, die Primaten das Recht auf Leben sowie auf körperliche und geistige Unversehrtheit zusprechen will. Die Gegenstimmen sind laut – aber kaum begründet.

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Dass die Initiative, die auf den Verein Sentience Politics zurückgeht, letztlich vor allem symbolischen Charakter hat – und darüber hinaus aus tierrechtlicher Perspektive deutlich zu eingeschränkt argumentiert – ist hinreichend bekannt. Außer Frage steht jedoch, dass sie trotz der wohl geringen praktischen Wirkung und der kaum begründbaren Beschränkung auf Primaten einen wesentlichen ersten Schritt hin zu umfassenden Tierrechten darstellen würde. Das Projekt in Basel-Stadt kann daher als wegweisend verstanden werden.

Ebenso hinreichend bekannt ist die Kollision umfassender Tierrechte – die von Sentience Politics nur sehr beschränkt gefordert werden – mit den Interessen von Zoos und dem Selbstverständnis in gewissen politischen Kreisen, die den Menschen als Krone der Schöpfung und Herrscher der Welt verstehen. Im Rahmen der Lancierung der Initiative werden die Stimmen aus den genannten Kreisen in den letzten Tagen und Wochen lauter – und offenbaren dabei das Fehlen jeder argumentativen Grundlage.

Daniel Albietz, die Krone der Schöpfung?

Beispielhaft hierfür sind etwa die Positionen des Lokalpolitikers Daniel Albietz, der die Partei CVP/Die Mitte vertritt, des Basler Zookurators Adrian Baumeyer oder des Vereins wissenschaftlich geleiteter zoologischer Gärten der Schweiz. Albietz, bekennender Christ, sieht etwa eine „gefährliche Ideologie“ am Werke, die darauf ziele, „die Trennlinie zwischen Mensch und Tier“ aufzuheben. Sein Kernargument dagegen besteht darin, dass der Mensch für ihn die „Krone der Schöpfung“ darstelle: „Es gibt eine gewisse Hierarchie unter den Säugetieren, daran sollte man nicht rütteln“. Mit einer solchen theologisch-naturalistischen Argumentation bewegt Albietz sich einerseits selbst auf einem zutiefst ideologischen Boden und öffnet andererseits – zumal mit der Aussage, der Mensch sei vernunftbegabt und habe daher „die Autorität, Tiere zu halten“ – die Tür zu einem Sozialdarwinismus; wird das Argument der natürlichen Hierarchie ernst genommen, so lässt es sich ohne speziesistische Schlüsse schwerlich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen den Spezies und innerhalb aller nicht-menschlichen, nicht aber innerhalb der menschlichen Spezies anwenden. So ergibt sich ein klares Bild: Aufbauend auf dem naturalistischen Fehlschluss plädiert Albietz für eine auf gegebenen Fähigkeiten (und der Bibel) basierende Hierarchie. Stärke tritt hier an die Stelle der Moral.

Doch Albietz hat noch mehr zu bieten als das: Die Schlachtung einer trächtigen Kuh zu bestrafen, hält er für widersprüchlich, solange Abtreibungen „bis kurz vor der Geburt“ erlaubt seien. Dass hier ein wesentlicher struktureller Unterschied vorliegt, da im einen Falle eine über den Willen der betroffenen Kuh hinwegsehende Tötung durch eine Drittperson erfolgt, im anderen hingegen die willentliche, durch die Betroffene selbst initiierte Entfernung eines Zellhaufens aus dem Körper der Betroffenen, ist Albietz scheinbar unklar. Insgesamt sieht er einen perfiden Plan am Werke, der darauf ziele, „einen veganen Lebensstil“ zu etablieren – was im Kern zutrifft, sofern etwa die Etablierung der Menschenrechte einen ebenso perfiden Plan darstellte, dem Menschen einen nicht-kannibalistischen Lebensstil ohne die systematische Unterwerfung Schwächerer aufzuzwingen.

So erscheint es dann auch folgerichtig, dass es Albietz nach eigener Aussage überhaupt nicht bekümmert, dass die Affen, an denen er sich im Zoo ergötzt, in Käfigen gehalten werden: „Die Äffchen müssen sich nicht ums Essen kümmern, werden gepflegt. Was für ein schönes Leben!“ Ob er das wohl auch über Strafgefangene sagen würde?

Die Zoos, der Paternalismus, der Speziesismus

Auch die Zoos der Schweiz haben eine klare Position. Adrian Baumeyer, der Kurator des Basler Zoos, fürchtet vor allem den Verlust des Rechts, eigenständig über die Tötung eines Tiers entscheiden zu dürfen und sieht sich in der Rolle des großen Erlösers: „In der Wildnis kommt es vor, dass ältere schwache Tiere aus der Gruppe gedrängt oder sogar getötet werden. Im Zoo können wir ihnen das ersparen“. Dass der Zoo dabei sogar so weit gehen könnte, das Ersparen nicht durch die Giftspritze, sondern auf anderem Wege zu erreichen, verschweigt Baumeyer dabei. In der Initiative sieht er vor allem den Versuch, die Tiere zum Leben zu verdammen: „Das können und wollen wir ihnen nicht antun“. Begründet liegt all das in einem paternalistischen Denken, das implizit immer noch vom Status als Krone der Schöpfung oder qua Stärke legitimiertem Herrscher auszugehen scheint: Woher nimmt der Mensch das Recht, überhaupt über andere Lebewesen zu entscheiden und sie als Objekte zu behandeln? Besonders interessant ist auch Baumeyers These, dass alles letztlich halb so schlimm sei, schließlich werde die Entscheidung für eine Tötung „nie leichtfertig und immer im Team gefällt“ – was sicher auch auf die Entscheidung, die Uigur*innen zu internieren, die Krim zu besetzen oder einen Blitzkrieg gegen Polen zu führen, zutrifft, ohne an ihrer Verwerflichkeit etwas zu ändern.

Ebenfalls paternalistisch argumentiert der Verein wissenschaftlich geleiteter zoologischer Gärten der Schweiz, der es als Aufgabe der Zoomitarbeitenden versteht, Tiere eigenmächtig zu „erlösen“ und vor Leid – was genau ist das, wann liegt es vor und wer entscheidet mit welcher faktischen Kompetenz darüber? – zu bewahren. Daneben steht auf der Aktionsseite des Vereins – neben der vom christlichen Fundamentalistischen Albietz bekannten Warnung vor dem Zwang zum Veganismus – ein Plädoyer für den Arterhaltungsauftrag, den die Zoos erfüllten. Woher genau dieser Auftrag kommt und mit welchem Recht der Mensch sich in diese Gottesrolle stellt, ist – Sie ahnen es – wieder einmal völlig unklar. Ferner klingt hier an, dass die Art in letzter Konsequenz immer als wichtiger zu gewichten sei denn das einzelne Tier. Das jedoch ist aus deontologischer Perspektive nicht haltbar, kann die Art als Abstraktum anders als das einzelne Tier als Konkretum doch niemals Trägerin moralischer Rechte sein.

Weit am Ende der Ausführungen zum „NEIN zur Initiative“ des Vereins finden sich zwei gewichtige Punkte. Zunächst beschweren die Schreibenden sich darüber, dass ein Affe mit den geforderten Rechten nichts anfangen könne: „Geben wir einem Affen Rechte, stülpen wir ihm ein menschliches Konzept über, das ihm nichts bringt. Ein Affe kann seine Rechte weder selbst ausüben noch durchsetzen. Er wird immer auf die Vertretung seiner Rechte durch einen Menschen angewiesen sein“. Das ist zwar korrekt, gilt genauso aber für Neugeborene, Demente oder Menschen mit anderen schweren Hirnschäden. Wird nicht zugleich gefordert, diesen ihre Menschenrechte abzuerkennen, sie in paternalistischem Gestus von unterstelltem Leid zu erlösen und ganz im Stile des Tierschutzgesetzes lediglich für die Futtergewinnung oder zu Forschungszwecken zu töten, so liegt hier Speziesismus vor.

Abschließend findet sich jedoch auch ein valider Punkt: „Es ist nicht einzusehen, wieso ein Affe Menschenrechte bekommen sollte, aber in letzter Konsequenz ein Hund oder eine Katze davon ausgeschlossen bleibt“. Was vermutlich als Echauffieren im Sinne von ‚Wie weit soll das eigentlich noch gehen?‘ gemeint war, verweist auf die eingangs genannte kaum begründbare Beschränkung der Initiative auf Primaten – wobei es gerade nicht darum geht, diesen gnädigerweise Menschenrechte zu schenken, sondern ihre genuinen Tierrechte anzuerkennen. So bleibt letztlich zu hoffen, dass die Initiative nicht nur angenommen wird, sondern ferner lediglich den Ausgangspunkt einer konsequenten, vom Standpunkt moralischer Rechte aus argumentierenden Etablierung juristischer Tierrechte bildet und Adrian Baumeyers Befürchtung, bald gar keine Affen mehr halten zu können, damit noch übertreffen wird – hin zur von allen Gegner*innen so sehr gefürchteten vollständig veganen Lebensweise.

Hinweis: Die Zitate stammen aus dem ZEIT-Artikel Tierschutz: Was ist gut für diese Affen? von Sarah Jäggi sowie aus einem Positionspapier des Vereins wissenschaftlich geleiteter zoologischer Gärten der Schweiz.

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