Das Rätsel des zweiten Dates

Kolumne Unsere Autorin findet, dass das zweite Date viel wichtiger ist als das erste Date. Aber wie kriegt frau das richtig hin?
Ausgabe 07/2023
Unter Wolke Sieben
Unter Wolke Sieben

Foto: Imago / TT

Als Allererstes gebe ich mir selbst die Schuld – ein alter Reflex, den ich als weiblich sozialisierte Person habe. Später, als ich mich entscheide, kein Drama daraus zu machen, google ich: „Zweite Dates, die nie zum dritten führen“. Ich bin überrascht: 350 Millionen Ergebnisse in weniger als einer Sekunde! Ich wusste nicht, dass das „Scheitern“ beim zweiten Date ein weitverbreitetes Phänomen ist. Im Internet geht es viel darum, ob man sich beim zweiten Date küssen soll oder wie lange man zwischen dem ersten und dem zweiten Date wartet. Cosmopolitan, Brigitte, Bravo haben etliche Tipps für solche Fälle. Aber nicht nur: Dating-Apps und Online-Partnervermittlungen bieten in ihren Blogs ebenso Material dazu an. Laut diesen Ratgebern wäre zum Beispiel ein Museumsbesuch ein No-Go.

All diese Webseiten sprechen ein überwiegend heteronormatives Publikum (und dabei vor allem Frauen) an, obwohl das Thema Menschen aller Gender und sexuellen Orientierungen zu einen scheint. Ist der Ort, an dem man sich trifft, das Entscheidende? Sind die Erwartungen zu hoch? Ist die Sehnsucht nach Nähe zu sehr sichtbar? Das Phänomen bleibt mir insgesamt ein Rätsel, ich kann nur über meine eigenen Erfahrungen berichten, als ich ein zweites Date hatte. Ich warte aufgeregt an einem kalten Abend vor einem Späti. M. holt mich mit Kuscheldecke und Wärmflasche ab. Nicht schlecht. Auch ich finde es aufregend, mit Wärmflasche und einer Decke in der Dunkelheit zu sitzen.

Wir küssen uns, und es fühlt sich an, als würden wir etwas Verbotenes tun. „Es war romantisch“, schreibe ich hinterher über Whatapp und bekomme vier Tage später eine Antwort. M. entschuldigt sich für den Fall, dass mich die verspätete Rückmeldung verunsichert. „Mir wäre es lieber, über Erwartungen zu reden, bevor wir eventuell wieder ein Date haben. Wollen wir einen Videocall machen, um darüber zu diskutieren?“ Auch wenn ich den Vorschlag komisch finde, gehe ich darauf ein. Doch von M. werde ich nie wieder etwas hören.

Mit J. ist es von Anfang an gleich mehr als nur rumknutschen. „Willst du mit mir rummachen?“, fragt J. Unser erstes Date wird hot. Doch wir trinken zu viel und entscheiden am Ende, jede zu sich nach Hause zu gehen. Wir verabreden uns für später. Ich schlage vor, dass wir bei mir um die Ecke mit veganen Tapas starten könnten. J. ist begeistert. Während des Essens gucken wir uns in die Augen und streicheln uns. „Danke, es ist schön, mit dir rumzumachen, aber mein Körper fühlt das nicht mehr.“ Dann steht J. auf und geht.

Der Kellner umarmt mich, als ich ihm davon erzähle, und die Kellnerin gibt mir Schnaps aus. Dank ihnen gehe ich nicht weinend nach Hause, sondern gut gelaunt zu einer Freundin, um Schokoladenkuchen um Mitternacht zu essen.

Und dann noch das: A. will keinen Schnaps und auch keinen Alkohol trinken. Sie zeigt mir Schwarz-Weiß-Fotos von sich als 15-Jähriger. Auf einem Bild trägt sie Flügel, steht auf einem Felsen und sieht so aus, als würde sie gleich runterspringen.

20 Jahre später ist sie enttäuscht, dass ich den Plan, bei mir zu kochen, gegen Drinks in einer Kneipe getauscht habe. Es ist ein Flinta*-Flirting-Abend und die Teilnehmer*innen können sich Nachrichten von Tisch zu Tisch schicken – auf Papier. Ich finde das lustig, merke aber, dass A.s Stimmung jederzeit zu kippen droht. „Kann ich bei dir bleiben?“, fragt A., als wir gehen. Beim Frühstück starrt sie mich mit Augen voller Tränen an. Ob etwas los sei, möchte ich wissen. „Ich weiß es nicht“, sagt sie. Und ich frage mich, ob die Barriere des zweiten Dates überhaupt überwunden werden kann.

Luciana Ferrando schreibt als freie Autorin am liebsten über feministische Themen sowie das Stadtleben in Berlin

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