Ackermann und andere Vorbilder

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Seit heute, den ersten Juni 2012, ist Deutschland Josef Ackermann los, der seinen Posten des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank geräumt hat und ab heute wieder in Zürich tätig sein wird. Freude? Jubel? Euphorie? Schließlich war kaum ein Wirtschaftsmanager so mächtig, so egozentrisch, so gewinnorientiert („25% Rendite“) und – ungeliebt wie er. Oder doch Trauer, Enttäuschung und Katerstimmung – da einem doch einer der liebsten und geeignetsten Feindbilder abhanden gekommen ist? Und weil man vielleicht vor seinen Nachfolgern Jain und Fitschen noch mehr fürchten muß?

Ich mochte Ackermann sehr. Nein, nicht persönlich, sondern weil er als Thema und Projektionsfläche ein interessantes Beispiel für die Realitätsschiefe vieler Deutschen und der Öffentlichkeit herhalten konnte.

Zum Beispiel diese „böse“ 25-Prozent-Rendite als Ziel. Ach wie gierig, wie unverantwortlich! Dabei ist es – im Unterschied zu einem „Realunternehmen“ - gar nicht so viel: Es ist nämlich die Rendite auf das Eigenkapital (nicht die Bilanzsumme!) - und davon haben Banken herzlich wenig. Das war und ist das eigentliche Problem – daß Banken mit wenig eigenem Geld so große Umsätze erzielen. Wobei – wie man später seit 2008 sah – sind die daraus resultierenden Gewinne für die Volkswirtschaften weit weniger problematisch als Verluste!

Oder das mit dem „Victory“-Zeichen. Gut, als Pole könnte ich erzürnt sein, daß hier ein Banker eines der wichtigsten „Solidarnosc“-Gesten missbraucht. Was mich aber richtig erzürnte war damals nicht die Geste, sondern daß man Ackermann diese Geste so übel nahm. Ich dachte: Moment, der Prozess hat doch gar nicht erst begonnen, und da darf wohl ein Angeklagter seine Zuversicht und Unschuld bekunden! (Auch wenn ich an seine Unschuld nicht glaubte)

Am meisten verwundert im Falle Ackermann war ich jedoch immer dann, wenn die deutsche Öffentlichkeit (Medien, Politiker, Menschen) eine Erwartungshaltung zeigte, die mehr oder weniger lautete:

„Ein Manager eines Großkonzerns müsse doch ein moralisches Beispiel sein, eine Autorität, er hat eine Vorbildfunktion, und sollte in seinem betriebswirtschaftlichen Tun auch gegenüber dem Staat und der Gesellschaft sozial und verantwortlich handeln.“

So ein Quatsch! Woher diese Naivität?

Ein Vorstandsvorsitzender eines Großkonzerns oder ein Chef eines Kleinunternehmens ist bestenfalls den Eigentümern etwas verpflichtet – ansonsten wird er gefeuert. So lauten die Verträge.

Es ist schrecklich naiv seitens der Gesellschaft zu glauben, nur weil diese Menschen ein Unternehmen befehligen, welches in seinem Ausmaß und Macht die einiger Staaten übertrifft – daß diese Menschen dann verantwortlicher gegenüber Dritten als Führer kleiner Unternehmen oder gar Einzelpersonen handeln würden – und sollen.

Von Moral und Ethik zu schweigen. Fast schon lächerlich schienen mir vor einigen Jahren die Reaktionen im Fall Zumwinkel, der wie jeder ehrbare Deutsche Steuern hinterzogen hat – warum hat man von diesem Menschen mehr Moral als z.B. von mir erwartet?

Vorstände, Manager, Politiker und andere „Größen“ sollte man in denselben Topf werfen wie jeden anderen Bürger. Das bedeutet, einerseits – keine aufgrund der Macht, Rolle oder Funktion erhöhten Erwartungen. Wenn man möchte, daß diese Menschen dem Gemeinwohl wenn nicht dienen, so zumindest nicht schaden, d.h. „verantwortungsvoll“ agieren – dann soll man es nicht bei seichten „Wünschen und Erwartungen“ belassen – sondern es mithilfe von Gesetzen durchsetzen.

Andererseits bedeutet eine solche „Herabstufung der Manager als Vorbildfunktionen“, daß wir alle Vorbilder sein sollen und können – oder eben nicht.

Ich käme nie auf die Idee z.B. meinen Kindern zu erklären, daß ein Herr Ackermann doch ein Vorbild sei – „...weil er so ein großer Manager ist“. Und die Bäckerin, die ab 5 Uhr früh bereits ihren Laden aufmacht – sich nicht oder weniger zum Vorbild eignet. (Wobei ich zugeben muss, die Bäckerin kaum zu kennen, und sie somit auch nicht höher als Herrn Ackermann schätze).

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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