Facebook minus Eins

Facebook-Abmelden Facebook verfügt angeblich über 800 Millionen Mitglieder. Seit voriger Woche habe ich die Mitgliederzahl um Eins gesenkt hatte – ich habe mein Facebook-Konto abgemeldet.

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Das „soziale“ Netzwerk Facebook verfügt angeblich über ca. 800 Millionen Mitglieder, manche Schätzungen sprechen sogar vom Überschreiten der 1-Milliarde-Marke für August 2012.

Seit voriger Woche habe ich diesen Wert korrigiert, indem ich die Mitgliederzahl um Eins gesenkt hatte – ich habe mein Facebook-Konto abgemeldet. Nein, nicht „deaktiviert“, sondern vollkommen geschlossen. Ging zwar nicht so schnell & einfach wie das Anmelden im Januar dieses Jahres, und ich werde wohl nie wissen, welche alten Daten Facebook von mir behalten wird und was es damit tun wird – dennoch, ich bin nicht mehr dabei.

Die Gründe gab es zwei und diese waren recht einfach: Erstens wurde ich von der Tatsache irritiert, dass Facebook ab August die Funktion der „Chronik“ nicht mehr als Option, sondern als Pflicht eingeführt hatte. Darauf hatte ich schlicht keine Lust, es erinnerte mich zu sehr an eine Geheimdienst-Akte, vor allem das Feature womit es auf der Weltkarte sichtbar war, wo und wann ich mich in letzer Zeit aufgehalten hatte (bzw.: an welchem Ort ich mich eingeloggt hatte). Die Chronik- und die Map-Funktion kannte ich zwar vorher von anderen Mitgliedern, und war oft erstaunt, daß Bekannte und Freunde, die noch vor weniger Jahren als „Datenschutverfechter“ galten und oft als Warner vor der „Datensammelwut der Internetkonzerne“ auftraten, nun kein Problem damit hatten, daß jeder einsehen konnte, wo und wann sie waren und was sie taten. Doch dass die Sammlung und Darstellung dieser Informationen ein Muß geworden ist – war mir zu viel. Als ich mich bei Facebook angemeldet hatte, war mir sehr gut bewußt, in welches „Netz“ ich mich da einfangen lasse, und daß jede Information (Fotos, Links, Kommentare, Chats) die ich eingebe, ohne meiner expliziten Erlaubnis (auch gegen mich) verwendet werden kann. Ich muss zugeben, auch deshalb verwendete ich dieses Portal eher sparsam und selten: nur ein Profil-Foto, keine Angaben zur Person bis auf den Geburtstag und Wohnort, und ich nutzte es vor allem eher um die Inhalte anderer Mitglieder zu lesen, als mein eigenes Konto mit Inhalten zu füllen. Die Ausnahme waren gelegentliche Links auf meine „freitag“-Blogs. Doch all diese Aktivitäten bei Facebook, ob „lesend“ oder „schreiben“, waren meine Entscheidungen, es war mir bewußt, daß ich damit eine „digitale Spur“ hinterlasse – ebenso, wenn ich sonstwo „im Internet bin“. Meine Einstellung war und ist: Wenn ich Inhalte ins Netz lege – seien es Blogs, Fotos, Einkäufe, Website-Besuche – stehe ich dazu was ich da bewußt und absichtlich tue. Daher bin und war ich in Internet-Foren immer mit vollem Namen angemeldet – ebenso wie ich bei „offline“ Gesprächen oder Diskussionen es angebracht finde, bei einer Frage oder einer Meinung meinen Namen zu erwähnen. Ebenso war ich immer gegen die Forderung eines „digitalen Radiergummis“ - denn jeder soll dazu stehen, was er/sie – freiwillig – in eine Öffentlichkeit gestellt/gesagt hatte. Wenn ich bei einer Diskussion vor 10 Jahren was idiotisches gesagte hatte – so konnte ich weder vom Veranstalter, noch von Teilnehmern erwarten, die Erinnerung an mein Statement zu vergessen. Ich könnte bestenfalls (und sollte) durch neue, aktuelle Wortmeldungen die alten Erinnerungen überlagern. Klar, Facebook hat die „Chronik“-Funktion nicht hinter meinem Rücken eingeführt – doch der Automatismus der Funktion entsprach nicht mehr meinen Wünschen, also kündigte ich. Das Gefühl des Unwohls in Verbindung mit dieser Funktion überwog dem Gefühl Nutzen aus Facebook zu ziehen.

Und das war der zweite, ebenfalls einfacher Grund, mich von Facebook zu verabschieden: Ich sah generell kaum einen Nutzen darin. Vielleicht bin ich („digital“) zu alt und altbacken, vielleicht habe ich generell das „digitale Zeitalter“ verpasst und vielleicht bin ich dazu ein introvertierter, kommunikationsfeindlicher Eremit – kein Smartphone, Handy wird 2-3 Mal pro Tag genutzt, meist beruflich oder in „Notsituationen unterwegs“, kaum SMS, die Chronik meiner regelmäßigen wöchentlichen Webbesuche im Browser beschränkt sich in der Regel auf vier bis acht Webseiten. Und all das, obwohl ich seit Jahren beruflich in der IT-Brache tätig bin. Facebook wäre da wohl auch ohne der „Chronik“-Aktion rausgefallen, mit all meinen 170 „Freunden“. Das Lesen der Pinwände meiner „Freunde“ wurde sowohl zu langweilig wie zu zeitraubend, zu fast allen hatte ich ohnehin mindestens einen telefonischen oder email-Kontakt, und selbst hatte ich um ehrlich zu sein auch wenig Bedürfnis noch aus meiner Sicht wichtige Inhalte um diese „online“ zu posten. Kein einziges Mal habe ich den „Like“-Button benutzt – wobei das daran liegen mag, daß mich die Tatsache störte, nirgend einen „Dont like“ oder „I dont know...“-Button zu finden. Auch noch ein Grund zum „dabei sein“ ist weggefallen – die Suche nach Bekannten & Freunden, zu denen mir der Kontakt durch Jahre und Umzüge auf beiden Seiten entglitten ist. Denn bis auf wenige Ausnahmen habe ich es nicht geschafft, mithife von Facebook die paar „Verschwundenen“ zu orten und zu kontaktieren. Dafür musste ich mich etwas erwehren vor Menschen, die meinten, meine Freunde zu sein oder werden zu wollen, bei einigen „Bekannten“ (denn zum Glück gibt es inzwischen bei Facebook die Möglichkeit, „Freunde“ nach mehreren Stufen zu sortieren) wurde ich stutzig, daß diese fragten: „Nutzer X möchte deinen Geburtstag in seinen Kalender eintragen“. Tue es doch, warum muss ich es dir erlauben? Nervig waren auch Einladungen zu Veranstaltungen, die sagen wir in wenigen Tagen wenn nicht Stunden stattfinden sollten – und zwar in Städten, die hunterte wenn nicht tausende Kilometer von meinem Wohnort entfernt lagen. Kam mir wie eine Verarschung vor. Nicht minder irritierend fand ich die Tatsache, daß mir an meinem Geburtstag – per Facebook – plötzlich einige Menschen gratulierten, die mir seit Jahren keine Email schickten oder nicht mal anriefen.

Nun also keine „Einladungen“, keine „Geburtstage ins Kalender“, keiner „markiert“ mich auf einem Party-Foto vor 10 Jahren, keiner „liked“ meine Blogs. Und während Facebook einen Nutzer weniger hat – verlor ich meine 170 „Freunde“.

Was bleibt, sind vielleicht nicht 170, sondern 17 Freunde, von denen einige sich tatsächlich aus Eigenmotivation und ohne Facebook-Erinneung an meinem Geburtstag meldeten, und viel seltenere, aber echte und realistische Einladungen zu hoffentlich echten Parties. Und wer wissen will, wann und wo und warum ich war – der muß leider ohne „Facebook-Chronik“ auskommen. Was mir bleibt ist auch weiterhin das Leben, das ich keineswegs als langweilig oder unglücklich empfinde. Ich mag es.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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