Humanfaschismus

Philosophie Der Homo Sapiens ist der größte Faschist überhaupt - selbst wenn er den Wal oder den Borkenkäfer retten will, denkt er nur an das Überleben der eigenen (stolzen) Rasse.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Erika Steinbach meinte mal, „Man müsse kein Wal sein, um sich für Wale einzusetzen.“ Viele, darunter ich, haben sich damals darüber lustig gemacht oder den Kopf geschüttelt. Inzwischen möchte ich mein Urteil revidieren, und Frau Steinbach mehr als zustimmen: Es ist mehr als ehrenvoll, sich als Nicht-Wal für Wale einzusetzen. Wenn man es ehrlich meint.

Mein Gedanke dahinter: Es ist gut und etwas besonderes, sich für etwas/jemanden einzusetzen, ohne dabei das Eigeninteresse im Fokus (oder als Nebeneffekt) zu haben. Seien es Wale, Borkenkäfer, oder der Planet Erde. Wobei ich gerade hier bei den meisten Umwelt-, Natur- und Erdschützern etwas anderes vermute. Ich hege sogar den Verdacht, daß die meisten dieser Aktivisten in Wirklichkeit sich gar nicht (nur) um den Wal, den Käfer oder einen Himmelskörper Sorgen machen, und diese daher schützen möchten – in Wirklichkeit wollen sie sich selbst, beziehungsweise ihre eigene Spezies, den Homo Sapiens, schützen. In Wirklichkeit wären ihnen die meisten Lebewesen in ihrer Artenvielfalt, das Klima und die Qualität des Wassers ziemlich egal – wenn deren Gefährdung keine negativen Folgen für die eigene Menschenrasse hätte. Jedes Mal, wenn sie „Rettet den Wal(d)“ rufen – meinen sie den Menschen.

Vielleicht ist diese Sichtweise und dieses Verhalten sehr verständlich – es ist der Selbsterhaltungstrieb. Diese ist jedem Lebewesen eigen – ob Borkenkäfer, Mensch, oder Walfisch.

Beim Menschen kommt jedoch noch etwas dazu – die Selbsterkenntnis. Diese führt sogar so weit, dass der Mensch über seine eigene Spezies behauptet, sie sei die einzige, die diese Fähigkeit besitzt – und somit sei der Mensch ein ganz besonderes Lebewesen, einzigartig, über allen anderen stehend, unerreicht.

Ich weiß nicht, ob nur der Homo Sapiens zur Selbsterkenntnis fähig ist. Ich betrachte jedoch gerade die obige Meinung, daß aus diesem Grund der Mensch über allen anderen Lebewesen stehe, als Beleg dafür, daß mit dieser „Selbsterkenntnis“ wohl etwas nicht stimmt. Denn eine solche Selbsterkenntnis klingt für mich sehr nach einem Faschismus. Es ist ein Humanfaschismus. Der (Über)Mensch: über allen Tieren, Pflanzen, und Pilzen – die ja eine eigenes Reich bilden.

Vielleicht ist es nicht immer wirklich eine Selbsterkenntnis (und erst recht keine Selbstreflexion), daß viele Menschen so denken – sondern wie in vielen Fällen eine Folge der (menschlichen) Umwelt, der Gesellschaftspropaganda. Wir hören von links und rechts, daß wir etwas Besonderes sind – und glauben es einfach. Wir hör(t)en es von Kommunisten ("Mensch, wie stolz das klingt!", Maxim Gorki) wie von den Propheten des Alten Testaments („Macht euch die Erde untertan!“, Genesis 1,28), von den Nazis („Der neue Mensch“ - „Flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl“) wie von Predigern des Humanismus.

Dabei reicht ein flüchtiger, oberflächlicher Blick auf die ach-so-stolze Geschichte des Homo Sapiens, sagen wir, die letzten 100 Jahre. Umweltverschmutzung, Massenkriege, Atombomben, Gefängnisse, Hungernöte. Oder auch ein weniger schrecklicher, dafür humorvoller Blick: iPads, Viagra, Bausparverträge, Krawatten, Hornbach-Werbung, „Gala“. Wie würde die Erde, der Wal, der Borkenkäfer, Gott oder ein Außerirdischer diese Errungenschaften des stolzen Homo Sapiens werten? Wenn das eindeutige Urteil schon nicht „Raus hier, aber sofort!!!“ heißen müsste, so wäre darin bestimmt ein Ratschlag zu mehr Realismus vorhanden – und Demut.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden