Keine Wellness für die NPD?

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Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Hausverbot bzw. Ausladung des früheren NPD-Vorsitzenden Udo Voigt aus der Hotel- und Wellnessanlage „Esplanade Resort & Spa“ (Bad Saarow, Brandenburg) hat mich, ich muß es zugeben, zunächst verwirrt. Zu dem Fall, in dem der Hotelbetreiber Herrn Voigt den Aufenthalt in seiner Hotelanlage untersagte, als es ihm klar wurde, welchen Gast er da empfangen und bewirten würde, meldeten sich in mir mehrere Stimmen und bildeten sogleich eine innere Diskussion:

Stimme 1: „Recht hat er! Toll, der hat Courage – und das in einem brandenburgischen Provinzstädtchen! Das ist mal ein deutliches Zeichen, welches da gesetzt wurde!“

Stimme 2: „Ist es aber nicht eine Art Diskriminierung, einem Gast aufgrund dessen politischer Ansichten oder bisheriger Aktivitäten das Hausverbot auszusprechen, zumal es eindeutig ein privater, apolitischer Aufenthalt geworden wäre und der Gast/Kunde dem Hotelier bisher nicht negativ – als Gast - aufgefallen war?“

Stimme 3: „Trotzdem hat er das Recht dazu, einen Kunden abzulehnen. Nicht nur aus politischen Motiven. Dem Hotelier ging es schließlich auch im das Image der Firma und das Wohlbefindern anderer Gäste!... Es war also auch eine legale, legitime, betriebswirtschaftlich rationale Entscheidung, diesen Typen wieder wegzuschicken!“

Stimme 4: „Aber wo sind hier die Grenzen, wo die Kriterien? Dürfte er – auch aus „rationalen Motiven“ - einen unrasierten dunkeläutigen homosexuellen Israeli muslimischen Glaubens ebenso abservieren dürfen?... Darf ich auch jemanden nicht bedienen, wenn sie von der CDU, SPD, den Grünen stammt – nur weil mir ihre politischen Ansichten nicht gefallen? Oder gilt vielleicht der Grundsatz: Wer vom Verfassungsschutz beobachtet wird, wird nicht bedient?...“

Es wurde verwirrend, und gleichzeitig zunehmend theorietisch und extrem in dieser Runde meiner Stimmen. Also schickte ich sie meinerseits alle weg (auch wenn ich kein Hotelier bin), und stellte mir persönlich die Frage:

„Würdest du Udo Voigt zum Kunden haben wollen?“ - „Nein.“

Nach dieser klaren und klärenden Antwort fiel es mir einfacher, die Argumente wie Kriterien aufzustellen.

Ich dachte, jeder darf grundsätzlich, aus welchen Motiven auch immer, einem Gast, einem Kunden „Nein“ sagen. Auch ohne Angabe der Gründe. Und, ja, es ist dann eine Art „Diskriminierung“. Doch „Diskirminierung“ ist auch, wenn ich regelmäßig lieber vietnamesisch und nicht chinesische Essen gehe, oder wenn ich Person A seit Jahren liebe und Personen B-Z immer noch nicht nicht oder weniger. Jede Entscheidung ist eben eine Wahl und beinhaltet zwangsläufig einen Ausschluß, eine „Diskrimierung“: ob ich Bahn oder Auto fahre, wen ich wähle, ob ich den Müll sortiere oder nicht.

Klar, der „Geschädigte“ kann mich verklagen. Doch nicht aufgrund meiner Entscheidung, sondern höchstens, wenn ich ihn persönlich beleidige: Sei es nur – siehe Beispiele oben – mit dem Spruch „... weil du ein perverses Nazi-Schwein bist!!!“ oder „... weil ich hier keine schwarzen bärtigen Schwuchteln aus dem Orient sehen will!“

Daher sind andere politische Diskriminierungen durchaus auch OK – wie am Beispiel der linkextremistischen Partei MLPD, die lange das Problem hatte, dass keine Bank oder Sparkasse ihr ein Girokonto eröffnen wollte. Ist auch legitim: Warum soll ich jemanden zum Kunden haben wollen, der mich enteignen oder gar abschaffen will?

Diese Grundsätze müssten dann aber auch für ethnische, religiöse, geschlechtliche oder ästhetische „Diskrimierungen“ gelten. Denn warum sollte man nur aufgrund der politischen Ansichten jemanden ausschließen dürfen? Dann dürfte aber jeder Kneipenbesitzer über seinen Eingang ein Schild anbringen „Wir bedienen hier keine.... Bitte um Verständnis“. Hmmm.

Ich fürchte, es waren wieder die theoretisierenden, rechtstheoretischen Stimmen, die hier die Oberhand zu gewinnen schienen. Denn spätestens da meldete sich wieder die innere moralische Stimme: „Du wünschst dir doch keine solch diskriminierenden und menschenfeindlichen Schilder in deiner Umgebung!?“ und „Hast du nicht gerade vor zwei Wochen einen Blog gegen Schwabenfeindlichkeit geschrieben?...“ Vor meinen Augen schwebten bereits Bilder der Rassentrennung in den USA („Nigger sitzen im Bus hinten!“) oder aus Südafrika der Apartheid-Zeit.

Es gefiel mir nicht, doch das Problem blieb: Wen sollte man abweisen dürfen, und wen nicht? Was sind und wie klar sind die Kriterien? Darf ich Udo Voigt, aber nicht eine Familie mit drei (womöglich lauten) Kleinkindern aus meiner Wellness-Anlage verbannen? Oder muss ich etwa jeden aufnehmen – auch wenn ich ihn/sie nicht mag, und es darüberhinaus geschäftsschädigend empfinde?

Nun gut, ich habe schon erwähnt, ich besitze keine Hotelanlage. Ich bin mal Informatiker, mal Übersetzer, und auch da könnte es passieren, dass die NPD, MLPD, der Verfassungsschutz, oder ein rothaariger Nachbar, den ich nicht ausstehe, bei mir nach einer Dienstleistung anfragt. Was dann?...

Der BGH ist in seiner Begründung etwas zweitdeutig, wenn nicht schwammig. Denn die Entscheidung besagt mehr oder weniger, dass jemand durchaus jemanden anderen ablehnen darf – aber nicht aufgrund dessen politischer Ansichten oder sonstiger Gründe. Dieses „Jein“ des BGH würde mir also zu einer verlogenen und feigen Verhaltensweise raten: NPD oder die Kleinkinderfamilie abzulehnen, aber ohne den (politischen oder sonst einen „nicht wirtschaftlichen“) Grund dafür offen auszusprechen.

Daher mein Fazit: Grundsätzlich darf kein Gast, kein Kunde ausgeschlossen werden. Und wenn es ihm widerfährt – darf er damit vors Gericht. Hotelanlagen oder Informatiker sind zwar Privatfirmen, doch agieren sie in der Öffentlichkeit. Was anderes ist ein Privatverein oder mein Wohnzimmer.

Würde ich darausfolgend persönlich jeden als Kunden nehmen? Nein. Und ich lasse mich dann gerne wegen „Diskriminierung“ verklagen – denn es könnte durchaus passieren, dass ich einen Politiker, eine Partei, eine Familie oder einen Nachbar nicht nur ablehne, sondern es ihm/ihr/ihnen auch sage, warum.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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