Splittet die Ehegatten!

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Die in Deutschland geläufigen Begriffe können manchmal so schön verwirrend sein, ja sogar das Gegenteil dessen bedeuten, was man auf den ersten Blick (Hör) annehmen könnte. Im Fall von „Ehegatten-Splitting“ liegt es vielleicht weniger an meinen Deutsch- (und Englisch-)Kenntnissen. Schon eher daran, dass diese Methode europaweit bis auf Luxemburg nur in Deutschland vorzufinden ist.

Bereits nach kurzer Zeit in diesem Land wurde mir klar, dass es sich dabei nicht um eine Prozedur der ehelichen Trennung oder Scheidung handelt. Doch es dauerte länger, bis ich kapierte, dass es sich bei diesem steuerlichen Verfahren keineswegs um ein „Ehegatten-Aufteilen“ handelt, sondern vielmehr um ein „Ehegatten-Merging“ (für Englischsprachige: „-Zusammenlegung“) der zu versteuernden Einkünfte geht. Ja, und danach wird diese Summe eben doch „gesplittet“, das schon.

Es ist natürlich nebensächlich, dass ich so lange im Bezug auf diesen Begriff in Verwirrung lebte, genauso wie man sagen könnte, dass es vernachlässigbar ist, dass diese „familienfreundliche“ Praxis den Staat jährlich über 20 Milliarden Euro kostet.

Beim einer näheren Betrachtung habe ich jedoch gerade mit dem Begriff „familienfreundlich“ meine Probleme, es herrscht in mir wieder Verwirrung bis Unbehagen.

Denn, erstens, dieses „Ehegatten-Splitting“, das sich auf den „Familienartikel“ 6 I des Grundgesetzes stützt, gilt interessanterweise nur für Verheiratete. Also, selbst wenn diese beide über 80 sind, und von Ihnen kaum noch Nachwuchs zu erwarten wäre, könnten sie ihr Einkommen splitten. Übrigens, wenn sie beide 25 sind, natürlich auch.

Wenn sie allerdings – zweiter Grund meiner Verwunderung – nicht nur jung genug für eine Familie sind, sondern auch welche durch die Geburt- oder Adoption der Kindern gegründet haben, ist ihnen das Ehegatten-Splitting verwehrt – sofern sie nicht amtlich geheiratet hatten.

So gesehen scheint das Ehegatten-Splitting eher eine Motivation zur Eheschließung zu sein (und eine gegen eine Scheidung), als für Nachwuchs und die Gründung einer Familie. Wobei ich diesbezüglich gleich anfügen möchte, dass ich es widerwärtig finde, nach „mehr Nachwuchs“ zu rufen, damit „es“ - zukunftsperspektivisch - für das Wirtschaftswachstum oder die Renten sorgt.

Gut, das Splitting hat lange Tradition, es wurde als Gesetz Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt - ist das ein plausibler Grund dafür, dieses Verfahren heute noch in dieser Form beizubehalten?

Will man vielleicht den „Arbeitsmarkt“ schonen? Denn gerade das Ehegatten-Splitting demotiviert den weniger Verdienenden (oder gar nicht beschäftigten) Ehepartner in Beibehaltung des Arbeitsverhältnisses oder in der Suche nach einem solchen.

Darüber hinaus, abgesehen von der Praxisfremde und der Nachteile dieses Gesetzes: Sollte es generell verfassungskonform sein, dass zwei Menschen weniger Steuer zahlen, nur weil sie sich vor einem Staatsbeamten das „Ja“-Wort sagten?

Und die 20 Milliarden? Statt dies nicht den „Familien“, sondern den Ehegatten zu schenken, könnte man mit dieser Summe tatsächlich einiges für die Kinder tun. Ob durch Bildungsinvestitionen, oder durch den Schuldenabbau. Am liebsten beides.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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