Die Europäische Zentralbank (EZB) verschießt nicht ihr allerletztes Pulver, aber das Reservoir der Möglichkeiten ist augenscheinlich erschöpft. Der bisherige Leitzins war schon auf einem so niedrigen Niveau wie noch nie zu Lebzeiten der Währungsunion und hat trotzdem wenig bewirkt. Der Interbanken-Verkehr blieb rudimentär, die Kreditvergabe an die Realwirtschaft befand sich auf keinem Höhenflug, die prekäre Situation der Geldhäuser in Südeuropa wurde nicht besser – faule Kredit im Portfolio bleiben faule Kredite. Sie können nicht abgelöst werden, weil eine aufgeblähte Immobilienwirtschaft nun einmal über Nacht kein Wunder erlebt und auf eine jäh wieder zahlungsfähige Nachfrage stößt.
Wird sich das mit einem Leitzins von 0,75 Prozent ändern? Bestenfalls kann mit billigen Geld Zeit gekauft werden, damit sich marode Banken über Wasser halten, bis staatliche Rettungsakte greifen oder malade Kreditnehmer wieder zu Kräften kommen.
Üppiger Kreditschub
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie sehr Europa am Abgrund steht und die Angst vor einer Depression umgeht – nicht einer Rezession, der viele Staaten bereits ausgesetzt sind –, dann wurde er mit dem erneuten Zinsschnitt durch die EZB erbracht. Es zeugt von Verzweiflung, wenn die Leitbank ihr Geld noch einmal billiger macht, als ob sie das nicht schon ausgiebig getan hätte. Genau genommen erleben wir den dritten Akt eines gigantischen Bankenrettungsaktes. Die Phasen eins und zwei gab es Ende Dezember 2011 sowie Februar 2012 mit einem höchst üppigen Kreditschub von etwas über einer Billion Euro (zunächst 489 Milliarden, dann noch einmal 530 Milliarden), aus denen sich zu einer Verzinsung von einem Prozent (!) und einer Laufzeit von drei Jahren Banken verproviantieren konnten. Annähernd 800 europäische Institute griffen zu.
Wer so günstig an Geld kam, das wenig kostete, konnte dasselbe vergolden, indem es Euro-Staaten angeboten wurde, die dringend Geld brauchten, weil sie neue Schuldentitel auflegen mussten, um alte refinanzieren zu können. Wie teuer das war, ist kein Geheimnis. Es reicht, sich einen Überblick zu verschaffen, welchen Zinssatz der spanische und italienische Staat in den vergangenen Monaten hinnehmen mussten, wenn Staatspapiere bei privaten Investoren – und das sind vorzugsweise Banken – unterzubringen waren. Wer die Differenz zwischen dem Kreditzins der EZB und den gegenüber den Schuldenstaaten erhobenen Zinsen errechnet, weiß um den Gewinn der Banken.
Mit anderen Worten, aus dem billigen Geldern der EZB wurden teure Anlagen verschuldeter Staaten, denen nichts weiter übrig blieb, als sich noch höher zu verschulden. Dieser Teufelskreis lässt sich seit mehr als zwei Jahren nicht durchbrechen – stattdessen werden seit mehr als zwei Jahren immer mehr Staaten und Gesellschaften in ihn hineingezogen. Denn die Anti-Krisen-Strategie einer europäischen Institution wie der EZB trifft auf Finanzmarktlogik und wird von den beabsichtigten Effekten her in ihr Gegenteil verkehrt.
Auffallend kümmerlich
Um dieses System vollständig darzustellen, sei ergänzt, dass bei der Liquiditätsschwemme vom Dezember bzw. Februar beispielsweise eine spanische Bank für den mit einem Prozent verzinsten EZB-Kredit spanische Staatsanleihen als Sicherheit hinterlegen konnte, die mit sechs oder sieben Prozent verzinst waren – das heißt, fünf oder sechs Prozent blieben in der Kasse dieser Bank, die damit rechnen kann, dass für diese Schuldverschreibung Zinsen und Tilgung fließen. Notfalls mit Finanzhilfen aus dem bisherigen EU-Krisenfonds EFSF oder künftig dem ESM.
Man halte sich vor Augen, wie kümmerlich gemessen am Kapitaleinsatz und der Zinspolitik der EZB das vor einer Woche beschlossene europäische Wachstumspaket mit seinen 120 Milliarden Euro daher kommt.
Kommentare 8
Das wird noch spannender, wenn der Interbankenverkahr dann auch nicht funktioniert.
Die mühen sich heftigst ab das Vertrauen von Banken untereinander wieder herzustellen: warum nur klappt das nicht?
Warum nur?
naja
nun denn... der autor scheint ja aus dem was er so hier und da liest fast verstanden zu haben, wie der hase läuft...
wieso aber zieht er nicht die richtigen schlüsse daraus und nennt das kind beim namen, dass dieses system ABSURD ist?
wieso stellt er nicht die relevante frage: weshalb die staaten das leistungsversprechen SCHULD (nichts weiter ist geld) nicht direkt gegenüber der notenbank eingehen können?
wieso drucken die staaten nicht über ihre gemeinsame notenbank ihr eigens geld? bzw. weshlab kauft nicht die notenbank grundsätzlich anleihen auf? weil die PR-MASCHINISTEN und SPIN-DOKTOREN der bankenlobby sagen, das würde den euro schwächen? wer sagt, dass das stimmt?
weshlab geben die notenbanken geldkonzenrtat aus, das dann zudem im interbankenhandel auf basis der manipulierten LIBOR (siehe BARCLAYS skandal) und EURIBOR leitzinssätze zuätzlich um den faktor 50 (im falle des europäischen geldsystems, in den USA ist es nur der faktor 10) gestreckt verliehen werden kann um damit NOCH MEHR anleihen zu finanzieren?
wieso sieht der autor nicht, dass ES MEHR ALS GENUG geld gibt???
vor LEHMAN lag der durchschnittliche INTERBANKEN zinssatz LIBOR für 12monatige kredite bei 3%... kurz nach LEHMAN bei fast 5%... um seitdem auf aktuell lächerliche 1,1% zu fallen?
http://www.guardian.co.uk/news/datablog/interactive/2012/jul/03/libor-rate-fixing-bank-submissions?fb=native
sieht so eine geldknappheit aus?
das geld hat denselben ursprung. die druckerpresse der notenbank...
WIESO ALSO DIESER UMWEG, der nicht mehr funktioniert?
WIESO DER UMWEG über banken anstatt die staaten direkt zu finanzieren?
WIESO STELLT NIEMAND DIESE FRAGEN?
nehmen wir nur mal europa: von der notenbak bekommen banken das geldkonzentrat für 0,75%. gegenseitig leihen sie es sich dann, nachdem es virtuell multiplizeirt wurde, aktuell bei 12monatiger laufzeit für 1,2%.
ein schelm, wer denkt, dass vereinzelt angeschlagene staaten, die langsam am markt vor sich hin siechen ein lukrtaives geschäftsmodell darstellen...
ist das evtl. der grund der massiven front, die neoliberale kräfte gegen gesamtschuldnerische konzepte der EU auffahren?
in der wildnis funktioniert das auch so. da greifen die predatoren auch nur vereinzelte, aus der herde extrahierte beute an...
und hier mal eine liste der aktuellen anleihezinsen für 2jährige anleihen, stand heute 15.10 uhr... mit australischen, spanischen und italienischen anleihen lassensich auf basis des günstigen geldes gute deals machen...
und selbst wenn etwas verrutscht, und der wert der anleihen sinken sollte, dann sind ja immer noch EZB oder rettungsschimre da, die dann helfen können...
wie im casino, da gewinnt die bank auch immer.
DJ 2-Yr Benchmark Govt Yields - Germany vs Other Nations
Germany 0.006 %
Australia 2.519 %
Belgium 0.400 %
Canada 1.015 %
Denmark -0.204 % -
France 0.198 %
Italy 3.807 %
Japan 0.112 %
Netherlands 0.072 %
Spain 4.827 %
Sweden 0.753 %
U.K. 0.216 %
U.S. 0.294 %
Source: Tullett Prebon via Six Telekurs
(END) Dow Jones Newswires
July 06, 2012 09:10 ET (13:10 GMT)
desweitere schreibt der autor "Wer die Differenz zwischen dem Kreditzins der EZB und den gegenüber den Schuldenstaaten erhobenen Zinsen errechnet, weiß um den Gewinn der Banken."
wer zumindest das erkennt, sollte dann aber im selben atemzug fragen, wo diese gewinne bleiben? vor zwei wochen wurden global sämtliche, auch die grössten derivatezocker abgestuft. fast alle 40 panel-banken... auch die deutschee bank.
zwei der 5 grössten weltweit (JP MORGAN, GOLDMAN SACHS, HSBC; BANK OF AMERICA, CITIBANK) wurden gleich um zwei ganze stufen herabgestuft. fast auf ramschstatus.
bereitet sich die branche hier mit ihren PR-instrumenten S&P und MOODYs auf die nächste runde hand aufhalten vor, trotz der vom autor erwähnten gewinne?
WO GEHT DAS GANZE GELD HIN?
die staaten heben die hände. die banken, glaubt man den neuen ratings, kämpfen mit der pleite. aber es sind keine spielchips mehr auf dem tisch zu sehen...
immer wieder dasselbe. ach ja, kann das etwas damit zu tun haben, dass die vermögen der superreichen alleine in den letzten 3 jahren um 30% zugelegt haben? das ist aktuell der einzige geldberg, der kontinuierlich wächst, während alles andere in der versenkung verschwindet... okay, einen berg gibt es noch: den schuldenberg. der wächst auch extrem.
unser finanzsystem ist also doch nichts anderes als ein riesiger umverteilungsmechnismus?
ich fage ja nur, evtl. hat ja der autor eine antwort auf diese fragen, oder noch besser, evtl. möchte er diese fragen selbst hinaus in die welt tragen?
“Zum Extrem getriebener Dinge, verkehren in ihr Gegenteil. Sich in ihr Gegenteil wendend, ist die Harmonie, welche durch die Gegensätze schießt.“ - Zitat: Heraklit
…dass der Mensch niemals auswählt, was er nicht will hieße: sich selbst beim Namen nennen.
Lobbyistenhörigkeit und Lernresistenz der verantwortlichen Politiker in der EU, aber auch auf nationaler Ebene, haben die "Credit Default Swaps" längst zu einem Spekulationsobjekt verwandelt.
Die Entwicklung beim „Target 2“-System ist noch absurder: Die Verpflichtungen aller süd-europäischen Länder sind explodiert, während zugleich die Forderungen Deutschlands, Hollands, Finnlands und Luxemburgs in die Höhe geschossen sind. Deutsche Forderungen haben 530 Mrd. Euro erreicht. Zwar richtet sich diese Forderung nun zwar an die EZB, aber aus dem ESM Rettungsfond wurde bekanntlich ein Bankenhilfsfonds. Dies ist also nichts weiter als kollektive Haftung für die Schulden der Banken. Und deren Schulden belaufen sich lt. Sinn, Blankart u.a. (Handelsblatt) bei 9 Billionen Euro, - 3 mal mehr als die Staatsschulden. Ich denke es ist bereits zu spät. Schauen wir mal was nach der Sommerpause passiert.
Die Eurozone befindet sich eindeutig in der von Keynes beschriebenen "Liquiditätsfalle". Die Leitzinssenkung unterstützt diese noch. Die Geldordnung des Euros verbietet es der EZB Mittel anzuwenden, welche aus der Liquiditätsfalle herausführen. Dies bedeutet ökonomische Aktivität auf Sparflamme während vieler Jahre mit zunehmender Verarmung großer Teile der Bevölkerung.
Es wird richtigerweise von Liquidationsschwemme geschrieben. Denn das ist es: seit etwa 3 jahren wird Geld auf dem Markt geworfen wie noch nie. Aber wo landen diese Fantasilliarden? Werden damit Produktionsstätte errichtet, wird wenigstens etwas Innovatives entwickelt (ich meine wirkliche Produkte, nocht neue Finanzfantasieanlagen), wird mehr in die Bildung investiert oder wenigstens das Gesundheitswesen modernisiert? Hat der Konsument mehr Geld zur Verfügung? Nein! Nein! Nein!
Ich glaube, leider habe ich keinen Dr. Oekonomikus vorzuweisen, darum darf ich mit dem Wort "glauben" operieren; ich glaube, wenn man jedem EU - Bürger 1000€ schenken würde, das würde der Wirtschaft mehr nützen, selbst wenn alle dieses Geschenk einfach nur versaufen würden. Aber das Geld würde wenigstens in den realen Wirtschaftkreislauf gelangen.
>>...wenn man jedem EU - Bürger 1000€ schenken würde, das würde der Wirtschaft mehr nützen, selbst wenn alle dieses Geschenk einfach nur versaufen würden.<<Davon würde nur ein relativ kleiner Teil in die Reichtumsmehrung fliessen(als abgeschöpfter Mehrwert aus Produktionsprozessen) und ein grösserer Teil als Arbeitsentgelt in Brauereien und Destillen ausgezahlt. Das ist ja nicht das Ziel der Korruption.Mehrwertabschöpfung aus der Produktion genügt heutigen Ansprüchen der Privatreichtumsmehrer nicht mehr. Es wurden andere Mechanismen der Verteilung gefunden. Wie oben geschrieben: Die Bank gewinnt immer.>>Aber das Geld würde wenigstens in den realen Wirtschaftkreislauf gelangen.<<Eben. Und ein Kreislauf ist nicht erwünscht: Es soll aller Mehrwert von "unten" nach "oben" fliessen.
Und wenn alles "oben ist und "unten" und nichts mehr: In die Hände spucken, aufräumen und für Hungerlohn die Infrastuktur wieder neu aufbauen.
Dann das Ganze wieder von vorne.