Wäre Merkel eine Politikerin, die zuweilen auch einmal über sich hinauswächst, würde sie verstehen: Partnerschaft mit Obama kann keine lineare Fortschreibung der Partnerschaft mit den USA sein. Deutschland tat gut daran, vor dem Irak-Krieg 2003 keiner „Koalition der Willigen“ beizutreten, sollte nun aber nicht zögern, eine „Koalition des Wandels“ einzugehen. Der amerikanische Präsident wird sie nicht ausrufen, aber brauchen. In seinem Interesse und zum Vorteil seiner Ziele. Obamas Vorsatz, erstarrte Verhältnisse in Bewegung zu bringen, tragen den Keim des Scheiterns in sich. Weltveränderer müssen damit rechnen, wenn sie tun, was sie sagen.
Ein US-Truppenabzug aus dem Irak kann zur Folge haben, dass das Land in Chaos und Bürgerkrieg versinkt. Der regionale Konflikt in Afghanistan und Pakistan ist nur lösbar, wenn es zu einer regionalen Befriedung kommt – nicht zu verwechseln mit Pazifizierung durch militärische Macht. Der Einbruch des Westens in diesen Raum hat Kräfte geweckt und radikalisiert, die nicht zu besiegen, sondern bestenfalls für eine mehr oder weniger friedliche Koexistenz zu gewinnen sind.
Gegenüber Israel ist Obama schnell an seine Grenzen gestoßen. Wie er die Netanjahu-Rede vom 14. Juni, deren Definition eines Palästinenser-Staates die perfekte Gebrauchsanleitung für dessen Verhinderung war, zum „Fortschritt“ verklärte, das hatte schon einen Hauch von tatsächlicher oder taktischer Resignation. In ersterem Falle bliebe Palästina wohl israelisches Protektorat. Rückschläge im Verhältnis zu Teheran gibt es ebenfalls. Nicht wegen des inneren Konflikts im Iran, sondern der Reaktion darauf. Der Rückschlag besteht in Obamas Verzicht auf Zurückhaltung und im Rückgriff auf ein Gut-Böse-Raster: Wir, im Namen der Zivilisation, gegen euch, die Vorbeter des Gottesstaates. Nur hat der Westen, haben besonders die USA, die sogenannten Werte, denen man sich verpflichtet fühlt, längst bei den totalitären Alliierten in Ägypten, Oman oder Saudi-Arabien hinterlegt. Sie müssten dort zunächst einmal ausgelöst werden, um damit bei den Mullahs hausieren zu gehen.
Angela Merkel kann den US-Präsidenten von all diesen Risiken nicht befreien. Aber sie könnte einen Teil davon mittragen. Ein guter Anfang wäre die Kritik an der dogmatischen Unbelehrbarkeit Netanjahus und seinem Beharren auf fortgesetztem Siedlungsbau. Das könnte der berühmte Sprung über den eigenen Schatten sein. Der ist oft kürzer, als man glaubt. Das alte Konzept des Interessenabgleichs, wie es Merkel bei ihrem Besuch im Weißen Haus wieder einmal bedient, hat seine Berechtigung – in Krisenzeiten allemal –, reicht aber nicht. Nötiger wäre ein Lasten-Ausgleich, der Deutschland zwingt, selbst über die Erneuerung seiner Nahost-, Iran- und Afghanistan-Politik – um nur ein paar Beispiele zu nennen – nachzudenken. Und das bald. Wenn Obama scheitert, werden die Uhren zurückgestellt. Das kann nicht zum Vorteil einer Welt sein, die als globale Schicksalgemeinschaft keine Zeit zu verlieren hat.
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