Hugo Chávez tat bei seinem Moskau-Besuch den Gastgebern Medwedjew und Putin einen Gefallen, den sie vermutlich nicht erzwungen haben, aber natürlich zu schätzen wissen. Er erkannte die beiden abtrünnigen georgischen Republiken Abchasien und Südossetien an. Ob dieser Entschluss der Lust zum Affront oder einem diplomatischen Geschäft geschuldet war, darüber darf gerätselt werden. Jedenfalls ist Venezuela nach Nicaragua der zweite Staat in Lateinamerika, der die Moskauer Auffassung teilt, dass kein Verstoß gegen das Völkerrecht sondern ein legitimer Akt der Selbstbestimmung ist, wenn man als Teilrepublik mit eigener ethnischer Substanz einen Staat verlässt. Genauso haben NATO und EU-Mehrheit argumentiert, als sie Serbien die Provinz Kosovo entzogen. Und Venezuelas Präsident wird wissen, dass sich Russland mit seinen Mündeln Abchasien und Südossetien auch dafür revanchiert. Ihm dürfte außerdem kaum entgangen sein, wie Regierungen in Moskau auf das Ausscheren eigener Kaukasus-Republiken – Tschetschenien etwa – zu reagieren pflegen.
Dass Hugo Chávez zu einem Rechtsverständnis neigt, das mit Normen und Werten lieber jongliert, anstatt sich daran zu halten, ist nicht ganz ungefährlich, wenn es um den Anspruch auf territoriale Unversehrtheit im Konflikt mit Kolumbien geht. Gegen die Prinzipien seiner Bolivarischen Revolution verstößt Chávez damit nicht unbedingt. Ihr zu dienen, kann auch bedeuten, Partner als Verbündete zu gewinnen.
Russland ist in dieser Hinsicht gewiss alles andere als zweite Wahl und dürfte mehr Einfluss in Lateinamerika zu schätzen wissen. Allein gegenüber den USA lässt sich das als Wettbewerbsvorteil auskosten. Venezuela wurden die in Moskau vereinbarten Waffenlieferungen (unter anderem 100 Panzer der Typen T-72 und T-90) denn auch teilweise kreditiert, was an alte Zeiten der sowjetischen Kuba-Hilfe erinnert. Damals bildeten Geostrategie und Internationalismus gleichfalls ein glückliches Paar – freilich auf Zeit, wie sich 1990 herausstellte.
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