Man hätte der Regierung in Peking gewünscht, souveräner auf die Vergabe des Friedensnobelpreises 2010 zu reagieren. Was ist das für eine Welt-Macht, die sich aus einer gezielter Brüskierung und hochgemuter medialer Häme soviel macht? Das Komitee in Oslo hat im Vorjahr mit dem Preisträger Obama schon Unverständnis ausgelöst und nun mit dem Chinesen Liu Xiaobo vorgeführt, wie sehr politische Ambitionen dem Affront verhaftet sein können. Doch ist die Volksrepublik inzwischen viel zu sehr Subjekt des Weltgeschehens, als dass es aussichtsreich wäre, sie zum Objekt ideologisch gefärbter Erziehung degradieren zu wollen. Auch deshalb könnte Peking gelassen ignorieren, was nur provozieren soll.
Natürlich geriet der weltmächtige Aufstieg in nur drei Jahrzehnten viel zu phänomenal, als dass eine globale Wettbewerbsgesellschaft darüber in Entzücken verfallen müsste. Unter kommunistischer Führung wurde ein prosperierender Kapitalismus zustande gebracht, der bisher (noch) nicht an die Grenzen seiner Gesetze stößt, stattdessen funktioniert. Störungsärmer als in anderen Weltgegenden, wie gerade während der Weltwirtschaftskrise zu beobachten war. Offenkundig konkurrieren zwei Modelle innerhalb des einen Systems – dort im Fernen Osten die Verschwisterung von autoritärem Staat und liberaler Ökonomie, hier im Nahen Westen die Koexistenz von bürgerlicher Demokratie und gleichsam liberalisierter Wirtschaft. Wer dabei erfolgreicher ist oder besser gesagt: erfolgreicher ausbeutet – das zu entscheiden, mag eine Frage der Kriterien und der Zukunft sein. Sollten die Chinesen triumphieren – und es spricht manches dafür–, wäre das Wettbewerbsvorteilen geschuldet, die sich wie folgt beschreiben lassen: Chinas Führung kann und will nicht vergessen, dass ihr Land den Großen Sprung aus dem Mittelalter in die Neuzeit riskiert und dabei über das soziale Schicksal von mehr als einer Milliarde Menschen entschieden hat – sie betet deshalb den Götzen der inneren Stabilität eines zentralen Staates an – aus Tradition, aus Überzeugung, aus Pragmatismus, aus Gründen der sozialen Koexistenz. Dieses Verständnis von Wirtschaftspolitik ist weltweit willkommen, wenn es eine chinesische Regierung in die Lage versetzt (wie 2009 geschehen), unverzüglich Milliarden schwere Konjunkturprogramme aufzulegen, um einem einbrechenden Weltmarkt wenigstens den chinesischen (Welt-)Markt zu erhalten. Wovon auch die Ökonomie des Landes profitiert hat, dessen Medien sich über die Vergabe des Nobelpreises an Liu Xiaobo besonders laut freuen.
Wer freilich in Peking Respekt oder gar politische Rücksicht für bewiesenes weltökonomisches Krisenmanagement erwartet haben sollte, der übersieht, das derlei Tugenden unter miteinander rivalisierenden Kapitalismen nicht üblich sind. Wo ein Land wie China angreifbar ist, wird es angegriffen. Verzweifeln müssen die Chinesen darüber nicht. Sie wussten sich schließlich zu revanchieren, bevor Oslo gesprochen hat. Durch ihren preiswerten, billigen Renminbi zum Beispiel, der Chinas Rivalen und Gegner mehr kostet als der ganze Nobelpreis wert ist.
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