Übers Glutbett laufen

Mohammed-Karikatur Die Verleihung des Potsdamer Medienpreises an den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard kurz vor dem 11. September offenbart einen Verlust an politischem Gespür

Würde Angela Merkel der Pressefreiheit auch dann ihr Hosianna singen, wäre mit Symbole der christlichen Religion so verfahren worden, wie es der Däne Westergaard mit seinen Mohammed-Karikaturen getan hat? Etwa auf Päderasten an kirchlichen Bildungseinrichtungen bezogen. Oder auf den derzeitigen Papst mit seinem vorsintflutlichen Verständnis von Empfängnisverhütung. Was geschähe, wäre ihm in hiesigen Blätter von Karikaturisten statt der Mitra einen Totenkopf aufgesetzt?

Aus Respekt vor der Institution Kirche, aus Achtung vor dem christlichen Glauben, aus Rücksicht auf die konfessionelle Grundierung eines Teils der deutschen Gesellschaft würde das unterbleiben. Warum also muss ausgerechnet das Exempel "karikierter Mohammed" zum Präzedenzfall westlicher Pressefreiheit hochgeredet werden. Und wenn man sich das schon nicht verkneifen kann und den inzwischen offenbar unvermeidlichen Joachim Gauck zum Laudator bestellt, muss dann die Kanzlerin durch Präsenz und Rede ihren Segen geben und das Ganze mit den Weihen eines halboffiziellen Staatsaktes versehen?

Ein deutscher Bildungsbürger sollte wissen, es gibt im Islam das grundsätzliche Verbot, Gott und den Propheten abzubilden. Woran man sich freilich nicht halten muss in anderen Kulturkreisen. Es jedoch demonstrativ zu prämieren, wenn dieses Axiom demonstrativ gebrochen wird, wirkt provokativ. Mohammed, der Warlord, Bomben werfend und skrupellos. Wann hat sich das Christentum je mit aller Konsequenz an die Friedensbotschaft Jesu gehalten. Den Messias zu karikieren, dem Sohn Gottes die Dornenkrone zu nehmen und durch eine Bombe zu ersetzen, als George Bush nach 9/11 zum Kreuzzug gegen das Böse rief, welchen Medien-Preis hätte es dafür gegeben?

Die Bundeskanzlerin sollte wissen, was sie tut. Kurz vor dem 11. September die Pressefreiheit als Zivilisationsvorsprung des Abendlandes zu feiern, kann kein Angebot zur Verständigung sein. So feuert man Kulturkämpfe an. Die eruptiven, hasserfüllten und gewaltgeladenen Reaktionen auf die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in der Zeitung Jyllands-Posten im Herbst 2005 sind noch in Erinnerung.

Es sollte außer Zweifel sein, dass die Muslime dieser Welt mindestens ein moralisches Recht haben, über einen diffamierenden bildhaften Umgang mit ihrem Propheten beleidigt und empört zu sein. Das Lob für Kurt Westergaard und die Pressefreiheit, wie es Merkel und Gauck formuliert haben, wäre überzeugender ausgefallen, hätten beide im gleichen Atemzug ein Plädoyer für das Demonstrations- und Versammlungsrecht der Muslime gehalten. Nicht ins Ungefähre hinein formuliert, sondern auf diesen Anlass bezogen – den glossierenden, verletzenden Umgang mit der Religion der Anderen. Dies nicht zu tun, bezeugt eine unilaterale Weltsicht und kann nicht nur, sondern wird notgedrungen als Zivilisationschauvinismus gedeutet. Seht her, welche geistige Überlegenheit verkörpern wir doch, wenn es uns gelingt, die muslimische Straße herauszufordern und in ihren vorzivilisatorischen Gebaren vorzuführen. Ein äußerst gezielter und äußerst wirksamer Beitrag zum Kulturkampf. Der Vorgang bezeugt einen Anspruch auf kulturelle Hegemonie, die sich ihrer Barbaren versichert, um legitimiert zu sein. Dem Zentralrat der Muslime ist nur zuzustimmen, wenn sein Generalsekretär Aiman Mazyek erklärt, die Würdigung von des dänischen Karikaturisten sei in einer aufgeladenen und erhitzten Zeit hochproblematisch.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen.

Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zur Wochenzeitung Freitag. Dort arbeitete es von 1996-2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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