Waffenbrüder

DRÔLE DE GUERRE IM PROTEKTORAT Wie die UÇK vollendete Tatsachen vollendet

Will die NATO im Kosovo der Verantwortung, die sie stets beansprucht hat, nicht gewachsen sein? Oder kann sie es nicht? War sie nicht felsenfest davon überzeugt, dort eine »humanitäre Mission« erfüllen zu müssen? Endet die bis auf weiteres vor den Gewehrläufen der UÇK, die offenkundig dabei ist, vollendete Tatsachen noch einmal zu vollenden? Kokettiert wurde mit den nationalistischen Ambitionen der Fanatiker um Hashim Thaci wahrlich genug. Sie durften sich ermutigt fühlen, das Kosovo wie eine Kriegstrophäe zu behandeln und nicht im Traum daran denken zu müssen, einer multiethnischen Gesellschaft Platz zu schaffen.

Thaci avancierte vor aller Augen vom Schlips- zum Hoffnungsträger des Westens, geküßt von Madeleine Albright, hofiert von Gerhard Schröder - und von deutschen Journalisten bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit verständnisinnigen Fragen umsorgt. Auch war die NATO in den ersten Tagen ihrer Intervention um Gesten der Waffenbrüderschaft mit einer siegestrunkenen UÇK nicht verlegen - besonders deutsche Soldaten sorgten in Prizren für eindruckvolle Bilder. Da konnte es schon nicht mehr verwundern, als die vorgebliche Entwaffnung der Albaner zur Farce verkam und im entsprechenden Vertrag auf Wunsch der Amerikaner eine Passage implantiert wurde, die der Ex-Guerilla die Beförderung zu einer Art Nationalgarde in Aussicht stellt.

Nach einem Krieg wollen Sieger nun einmal Pfründe und Posten sehen. Um so komfortabler für sie, wenn sich dieser Vorsatz durch eine Schutzmacht gedeckt fühlen darf, die augenscheinlich nichts dagegen hat, von der UÇK zusätzlich als Schirmherr fortgesetzter ethnischer Säuberung betrachtet zu werden. Dieser fatale Eindruck verstärkt sich mit jedem Tag, da auf die Vollzähligkeit internationaler Polizeikräfte gewartet wird wie weiland im Herbst 1998 an gleicher Stelle auf die Vollzähligkeit der OSZE-Beobachter. Folglich vermochte sich bis auf weiteres der ethnische Krieg im Protektorat Kosovo so einzurichten, wie er es aus den Zeiten der Provinz Kosovo gewöhnt war. Nur mit dem Unterschied, daß die eine Seite dabei nicht länger satisfaktionsfähig ist.

Die Gründe für diese makabre Partie liegen auf der Hand: Die NATO hat im Kosovo Bodentruppen dislozieren können, ohne einen Bodenkrieg führen zu müssen. Aber der lauert noch immer an jener roten Linie, hinter der sich zwischenzeitlich nicht mehr die Armee Slobodan MilosŠevic´s, sondern die UÇK eingegraben hat. Wer diese Linie überschreitet, um Thacis Eroberer in die Schranken zu weisen, riskiert Opfer. Wer sie scheut, muß sich den Vorwurf gefallen lassen, daß die reklamierte humanitäre Mission nicht viel mehr ist als eine Attrappe, die einer skeptischen Öffentlichkeit im Westen moralisch die Leviten liest, wenn sie das elende Spiel lauthals durchschaut. Allerdings ließe sich für diesen »drôle de guerre« der NATO - für dieses Frieden schaffen, ohne Krieg führen zu wollen - auch eine andere Erklärung finden. Im Protektorat vollzieht sich derzeit eine Landnahme, die - durch die NATO-Luftangriffe ermöglicht - von der UÇK lediglich vollstreckt wird. Daß es dabei zuweilen etwas ruppig zugeht, sollte im sich alarmiert gebenden deutschen Feuilleton auf Nachsicht stoßen. Wann war es je anders im vergangenen Jahrzehnt, wenn auf dem Gebiet Ex-Jugoslawiens staats-territoriale Realitäten korrigiert wurden? Aber marschiert dabei die NATO wirklich in einem erkennbaren zivilisatorischen Abstand von der UÇK? Als der Bundeskanzler Ende Juli das Kosovo inspizierte, hielt er es nicht für angebracht, die Regierung in Belgrad, zu deren Staatsgebiet die Region nach wie vor gehört, davon zumindest in Kenntnis zu setzen, geschweige denn um Zustimmung zu bitten. Er hielt wohl für eindrucksvoll und weltmännisch, was als Verlotterung der Sitten noch vorsichtig beschrieben ist. Da gebärdete sich die selbstgefällige Arroganz der »conquista« - und warum eigentlich sollten sich Thaci und die UÇK davon nicht bestätigt sehen.

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