Live vs. on Tape

Konzert Hugh Laurie und die Copper Bottom Band boten eine fantastische Show. Wäre da dieses Publikum nicht gewesen. Ein streng subjektiver Bericht

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Vorbemerkung: Ich war länger nicht mehr auf einem Konzert. Zuletzt habe ich wohl Coldplay gesehen, und das ist schon so lange her, dass damals niemand auf die Idee gekommen wäre mit der Handykamera maximalverpixelte Bilder zu schießen. Ich wäre da wohl auch nicht auf die Idee gekommen, ein Konzert zu besuchen, wo es nur Sitzplätze gibt. Von Kabarett-Veranstaltungen bin ich zwar gewohnt, den Altersdurchschnitt nach unten zu ziehen, bislang jedoch nicht von Konzerten (ok, David Bowie war da wohl eine Ausnahme, aber da war ich auch 15 oder so).

Bislang habe ich auch nicht gedacht, dass man sich über ein Mit-Publikum so ärgern kann. Und dann kam das Hugh-Laurie-Konzert im Berliner Tempodrom.

Einige Minuten vor Einlass stand ich vorm Tempodrom und begutachtete das bereits anwesende Mit-Publikum. Soweit, so unspektakulär. Ein bisschen wie bei Pispers oder auch Helge Schneider. Eine recht bunte Mischung. Und dann sah ich den ersten Herrn mit einem flammenbewehrten Krückstock. Den er ganz offenbar nicht brauchte. Mehrere Leute hatten T-Shirt an auf denen Dinge wie „It’s never Lupus“ standen. Ich befand mich offenbar in Gesellschaft einer größeren Menge Dr. House-Fans. Das war zwar zu erwarten gewesen, aber es überraschte mich dann doch.

Nicht dass ich die Serie nicht auch gerne schauen würde. Aber das hier war doch ein Konzert. Da ging es doch um Musik. Und nicht um Dr. House. Irgendwie fand ich das peinlich.

Nach dem Einlass saß ich dann in der Manege, mittig genug, nah genug an der Bühne für gute Sicht, weit genug weg für guten Sound, und war alles in allem sehr zufrieden. Amüsiert beobachtete ich, wie sich dutzende Leute vor der Bühne von ihren jeweiligen Begleitungen fotografieren ließen. Jede Stehlampe des zugegeben fantastischen Bühnenbildes wurde abgelichtet. Und hinter mir begannen zwei Frauen sich zu streiten, wer wohl zuerst ohnmächtig werden würde.

Ohnmächtig? Na holla. Groupies. Der Krückstock-Mann saß ein paar Plätze neben mir. Das Lupus-Shirt auf der anderen Seite. Dann ging das Licht aus, und man begann zu jubeln. Hugh Laurie kam auf die Bühne, und plötzlich war die Bühne vor lauter Smartphone-Displays kaum noch zu sehen. Es blitzte und flackerte um mich herum. Ich versuchte mich davon nicht irritieren zu lassen. Ich hoffte, dass da jetzt in den ersten paar Minuten halt ein paar Fotos gemacht würden. Doch von wegen. Das ganze Konzert durch wurde hemmungslos rumgeknipst. Der Blitz war so dermaßen nervig, die pausenlos vor einem aufflackernden Displays, die Leute, die sich nicht mal zu blöd waren sich gegenseitig zu fotografieren (und die Leute hinter sich mit ihrem Blitz total zu blenden).

Ich war ein bisschen fassungslos. Ist das jetzt normal? Gehen die Leute wirklich auf Konzerte, um pausenlos auf ihre jeweiligen Displays zu schauen? Um sich hinterher das Konzert anschauen zu können, das sie verpasst hatten, weil sie damit beschäftigt waren, die Fotos zu machen, auf denen sie sich hinterher das Konzert anschauen könnten? Wie furchtbar! Man muss doch bei so einer Gelegenheit jede Sekunde genießen! Aber wahrscheinlich speist sich meine Einstellung dazu aus der gleichen Quelle, wie der Foto-Wahn des Mit-Publikums: Ich will nichts verpassen, den größtmöglichen Spaß aus der Sache rausholen. Nur genieße ich lieber die zwei Stunden Live-Erlebnis, als die Möglichkeit, sich das ganze hinterher noch mal auf verwackelten, unterbelichteten, verpixelten Fotos anzuschauen.

Es wäre mir ja vollständig egal, was die Leute um mich rum so machen, wenn es nicht beim Konzert eben so wahnsinnig stören würde. Selbst bei der einen oder anderen Freitags-Salon-Veranstaltung habe ich schon neben Leuten gesessen, die sich den halben Speicher ihres Handy vollknipsen zu wollen schienen.

Mich erinnert das an etwas, was Harald Schmidt mal gesagt hat. Er sagte, er überprüfe quasi alles was geschieht auf dessen Verwertbarkeit für seine Show. Diese Foto-Junkies schienen mir ähnlich motiviert zu sein. Statt die Gegenwart zu genießen, versuchten sie alles in Hinblick auf spätere Präsentation rausholen zu wollen.

Gegen Ende der Show strömten tatsächlich auch noch viele nach vorne, um noch mal ein Foto aus der Nähe machen zu können.

Ich habe mich noch nie so über ein Publikum geärgert. Ich frage mich nun, ob das mittlerweile normal ist, bei solchen Veranstaltungen ständig Handy-Displays im Sichtfeld zu haben. Und hoffe, ein paar Erfahrungsberichte Eurerseits können ein bisschen Aufklärung leisten.

Das Konzert an sich war übrigens fantastisch. Hugh Laurie ist ein wirklich guter Entertainer, die Copper Bottom Band bot ein gigantisches, musikalisches Erlebnis, und wurde von Laurie ganz wunderbar in den Vordergrund geholt. Insgesamt war Laurie für einen derartig bekannten TV-Superstar auf angenehme Art bescheiden. Man merkte allen Beteiligten auf der Bühne an, was für einen grandiosen Spaß sie hatten. Laurie selber wirkte stellenweise regelrecht berauscht, und machte aus seiner Dankbarkeit für die Gelegenheit, die Musik, die er liebt, spielen zu können, keinen Hehl. Insgesamt eine grandiose Show. Wäre da eben nicht das Publikum gewesen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maengelwesen

Anika Mangelmann / @Fumuckel

Maengelwesen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden