Der Wettlauf um das Wissen - private Anmerkungen zu einem Vortrag

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„Der Wettlauf um das Wissen – Universitätsentwicklung im internationalen Vergleich“.


Wenn deutsche Hochschulen bei einem internationalen Ranking nicht gut wegkommen, was momentan durchaus der Fall ist, dann gründen sie als erstes drei Institute, die nachweisen, dass die Methoden, mit denen das Ranking entstanden ist, nichts taugen. So ein höchst amüsantes Statement von Prof. Ekhard Salje, Cambridge, das gestern im Kinosaal der Humboldt-Uni zu hören war. Genauer auf einer Veranstaltung zum Thema: „Der Wettlauf um das Wissen – Universitätsentwicklung im internationalen Vergleich“, Eingeladen hatte das Hermann von Helmholtz Zentrum für Kulturtechniken gemeinsam mit der Humboldt-Universität.


Ich bin durch Zufall – eine Freundin hat mich mitgenommen - hineingeraten, aber ich fand es doch sehr interessant, in Zeiten, da alle über den Bologna-Prozess stöhnen, mal selbst zu hören, was ein kompetenter Mensch, der viele internationale Hochschulen und Forschungslandschaften kennt, zu dieser Entwicklung sagt. Er hält nichts vom Bachelor und Master-Wesen, aber das sagte er nicht, sondern er würdigte am Bologna-Prozess die Tatsache, dass eine schöne alte Universitätsstadt jetzt international bekannt ist.


Prof. Salje, der aus Hannover stammt, aber schon lange im Ausland arbeitet, rechnete ein bisschen mit dem Bild vom deutschen gelehrten Professor ab. Es würde schon noch bewundert, aber doch nicht mehr mit der Ehrfurcht, die offensichtlich früher bestimmend war. Überhaupt ist die deutsche Forschungslandschaft zu sehr geprägt von Status- und Strukturdenken, meinte er und ich dacht bei mir: Vom Beamtenstande eben. Und – im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern – ist ein deutscher Professor Bestandteil des Establishments, er hat eine gewisse Macht und die gibt niemand gern ab. Das konnte ich mir beim Zuhören richtig gut vorstellen. Wenn ich Professor Lenzen, Präsident der FU Berlin, sehe und seine Statements höre, dann leuchtet das sofort und auch ärgerlich ein.

Und ist nicht gerade die Freie Universität Exzellenz-Universität geworden? Ist das nun eine politische Entscheidung oder eine fachliche fragte ich mich. In Deutschland ist ja das ganze Ranking-Wesen nicht gerade beliebt, noch dazu, wenn, wie ein Zuhörer anmerkte, die im internationalen Vergleich halbwegs guten Unis und Hochschulen alle im süddeutschen Raum anzutreffen sind. Und eine davon ist gerade unter Beschuss geraten, weil die Forschungsergebnisse gar nicht so gut waren, wie angegeben. Naja, es ist eben Wettbewerb.


Welche Funktion hätten überhaupt Universitäten und Hochschulen, die nicht so gut wegkommen bei den Rankings?, fragte ich mich.

Prof. Salje meinte, es sei zum Beispiel in den USA wichtig, auch Unis zu haben, die in sozialen Brennpunkten einen Zugang für jene ermöglichten, die bildungsfernen Schichten angehören. Und von diesen Unis könnten Begabtere dann leicht auch weiter empfohlen werden zu besseren Unis. Es seien dann auch der Zugang zu Stipendien möglich. Da ist sicherlich was dran.


In Deutschland würde man nie so argumentieren, dachte ich mir.

Warum die osteuropäischen Länder deutsche Universitäten lieben, erklärte sich aus Saljes ironischer Sicht u. a. auch daher, dass es so viele – von Brüssel finanzierte – Kooperationsvereinbarungen gibt.

Mehr, als gut sind für die einzelnen Unis, wie er in Polen feststellen konnte.


Und die Deutschen selbst. Wohin zieht es den jungen deutschen Wissenschaftler?. Es tummeln sich momentan massenweise gute Wissenschaftsanwärter im Ausland und- meistens kommen sie nicht zurück.


Liegt es doch an den festgefügten Strukturen in Deutschland. Immerhin, wenn Prof. Salje Forschungseinrichtungen lobte, dann solche eher strukturärmeren wie die Max Planck Gesellschaft.

Wenn jemand sich außerhalb Deutschlands verändern wolle, dann sehe er weniger nach der Struktur oder dem Status, sondern nach den Personen, den Leuten, die im ähnlichen Bereich forschen und nach deren Qualität und dann wende man sich eben ganz pragmatisch dorthin.


Die deutsche Lehre und Forschungslandschaft liege so fest, weil sie vom Staat weitgehend finanziert sei, meinte meine Begleiterin, die mich zu diesem Vortrag mitgenommen hatte. Das war einmal gedacht, um Unabhängigkeit zu gewährleisten und hat sicherlich auch historische Gründe. Von Cambridge her, wo Prof. Salje schon lange forscht und lehrt, liest man das eher als Abhängigkeit. Impulse für Forschung und Entwicklung kämen immer aus der Industrie und Wirtschaft, der Gesellschaft, nicht von den Universitäten selbst, meinte er. Aus seiner Sicht sind die angelsächsischen Wissenschaftsinstitutionen unabhängig. Ich glaube das nicht. Wenn man für die Wirtschaft forscht, ist man auch abhängig. Es ist eine merkwürdig verquer-pragmatische Sicht, die da zutage kommt. Es hängt von der eigenen Meinung und politischen Verortung ab, welche Finanzierung man für unabhängiger hält.

Aber irgendwie scheint die staatliche Finanzierung doch massenhaft loyale nette Staatsdiener zu gerieren, die immerzu an ihren Lehrstühlen hängen, die nie im Leben irgendwas freiwillig, aus Effizienzgründen hergeben würden. Wie denn auch... Es hängen Pensionen dran. Man wird dann auch nicht so locker wie anderswo zwischen Industrie und Wissenschaft hin und her hoppen können, wie es Salje in anderen Staaten als praktisch und effizient beschreibt.


Die internationale Entwicklung, die so globalisiert gar nicht ist, vor allem nicht, wenn man über leichten Datenaustausch und -transport hinausdenkt und auch die Qualität dieses Austauscheskritisch sieht, ist nicht so rasend weit gediehen.

Streckenweise hat sich die Forschung sogar re-nationalisiert. Ein nicht so gutes Zeichen, wenn man bedenkt, dass dies in den USA der Bush-Präsidentschaft eklatant der Fall war, aber auch in China.


Insgesamt aber ist ohnehin alles im Fluss. Niemand, auch das stellte Professor Salje gleich zu Beginn fest, kann Voraussagen treffen. Die Welt ist in einem so beispiellosen Umbruch, dass man vom Vergangenen nicht auf zukünftige Entwicklungen extrapolieren könne. Visionäre fehlen allerorten.

Und wenn man nicht weiß, wie lang es geht, dann gehört für die Bewältigung der Zukunft eine wichtige Komponente ganz unbedingt dazu: Einfach Glück, andere nennen es Fortune. Man kann sich bei der Wahl der Wege, die die Forschung in der Zukunft einschlagen will, auch vertun, es kann aber auch sein, dass sich das Risiko gelohnt hat. Es gibt kein Rezept dafür, auch hier keine sichere Bank. Na dann, viel Glück Forschungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland.



Das Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik (HZK) ist ein interdisziplinäres Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin. Es dient der systematischen Erforschung der Wechselwirkungen zwischen wissenschaftlichen oder kulturellen Umbrüchen und technischen Neuerungen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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