Die Botschaft von Fernseherlebnissen

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Sozialisationen prägen – das ist bekannt. Die DDR-Sozialisation ohnehin.

Wir erleben das immer wieder. Manchmal auch vor dem heimischen Fernseher sogar oder gerade bei so harmlosen Sachen, wie Unterhaltungssendungen oder Fernsehfilmen, denen – neuerdings meist vor der Ausstrahlung schon – beabsichtigter Tiefgang zugeschrieben wird. Da haben wir als DDR-Bürger aus der Vergangenheit noch immer die Frage im Hinterkopf: Was wollten uns die „Genossen“ denn damit sagen? Ins historisch korrekt „Aufgearbeitete“ übersetzt: Was wollten uns die SED-Schergen damit gewaltsam und gesetzlos eintrichtern?

In die Gegenwart transponiert fragen wir darum verbogen von der Vergangenheit: Was ist die verdeckte Botschaft einer Fernsehfilmschöpfung.

Manchmal ist die Antwort ganz einfach: „Uns ist wurscht, was hier rauskommt. Guckt Euch die Werbung an“. Manchmal aber auch subtiler: Wenn Ihr nicht lernt, so zu leben wie die, dann werdet Ihr nie ordentliche Unterschichtler, dann bleibt Ihr auf der Stufe: Arme Schweine ohne trashige Identität stecken.

Das also zum Verständnis: Da wir uns am Freitag meist den Krimi auf dem zweiten Auge ansehen, wollte ich davon abweichend, etwas Abwechslung in unser televisionär ödes Leben tragen und schlug den Fernsehfilm im ersten vor. Dort wurde ein heiter-besinnliches Spiel, aber mit ernstem Hintergrund angeboten. „Woran dein Herz hängt“. Es ging um eine Messie-Frau, sehr niedlich, mit einem kleinen Jungen – noch niedlicher mit einer Mähne wie der junge Beethoven. Und die verliebt sich ausgerechnet in den ´höchst akkuraten auf sie angesetzten jungen Rechtsanwalt,der ihr den Auszug aus dem zur Luxussanierung vorgesehenen Haus, in dem sie lebt, schmackhaft machen soll. Und der verliebt sich natürlich auch in sie – und wie.

Na, da sind aber Konfliktknoten geschürzt – und so neu, lästerten wir. Schon nach den ersten Einstellungen wurde klar, was die Botschaft dieses Films war: Persönliche Probleme, wie zum Beispiel eine Sammelwut sind sehr sehr kleidsam. Beide Protagonisten sahen immer aus, wie aus dem Ei gepellt. Der kleine Sohn führte eine Sprache wie Metternich beim Wiener Kongress und hatte eine Mähne wie der junge Beethoven. Niedlich eben.

Die beiden unterhielten sich in einer Sprache, die offensichtlich heutzutage zwischen Erziehungsberechtigten und denen, die in ihre Verantwortung gegeben sind, gang und gäbe ist. Es wird viel ausgehandelt, es gibt andauernd Abmachungen. Das geht auch nur mit so einem Fernsehkind, das Vertragsverhandlungen kennt, scheint mir, das alles – manchmal widerwillig – versteht. Am Ende kommt der junge Anwalt hinter das Geheimnis der vermüllten Wohnung, versucht den Konflikt zu lösen mit Hilfe einer älteren Mitmieterin (Doris Kunstmann, die begnadete Stimme) und die beiden finden zusammen.

Was wollten uns die Fernsehmacher damit sagen:

1.Am Ende zieht man aus so einem Abbruchhaus eben doch aus, noch dazu wenn eine Abfindung und die Liebe winken. – Wer hat hier mitgeschrieben am Drehbuch: gentrifizierende Baulöwen oder die Anwaltskammer?

2.Persönliche psychische Probleme, wie das Messie-Syndrom sind sehr kleidsam, wenn es gelingt, die völlig vermüllte Wohnung ordentlich zu illuminieren. Das Leben ist eine Baustelle, sie muss aber ordentlich beleuchtet sein.

3.Kinder verstehen alles, man muss ihnen nur immer wieder was versprechen und das besiegeln mit der Formel „versprochen“.

4.Ansonsten sind Kinder heutzutage kleine Erwachsene mit einer unglaublichen Fähigkeit, sich an Regieanweisungen zu halten.

5. Ein Fernsehfilm, der ein ernsthaftes Problem auch ernsthaft behandeln will, läuft nicht zur Prime Time. Bildet Euch das bloß nicht ein. Schaltet um diese Zeit lieber gleich irgendwelchen Trash oder Krimis oder so ein. Die behaupten wenigstens keinen Anspruch auf gehobene Unterhaltung. Wenn Krimis Kunst machen wollen, dann ist es auch meist Schrott, merkt man aber gleich am Anfang (Auf die Beleuchtung achten).

6.Fernsehen ist nur dann erträglich, wenn man – wie früher in der DDR – dabei was anderes machen kann oder dumme Bemerkungen oder lästern oder feststellen, dass man veralbert wird.

So ist das. Der Spruch des abends kam gestern aber aus einer anderen Ecke. Aus einer Talksendung mit Barbara Schöneberger und noch so einem. Die hatten den Darsteller des „Kannibalen von Rothenburg“ beim Wickel. Und danach kam dieser herrliche schwarze Kölner Humorist Dave Davis, mit einem unglaublichen Gefühl für Sprachwitz: Und der kommentierte den Film, der nach langem Rechtsstreit endlich in die Kinos kommt, mit den Worten: „Ich esse meine Sippe nicht“.

Gerettet, sehr erheitert ins Bett gegangen. Botschaft: The world today is a mess. Messies haben meist ein Trauma und sie haben zum Ausgleich sich selbst erziehende Kinder. Schwarze haben einen schwarzen, aber sehr kleidsamen Humor.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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