Ein neues Portal

DDR Presse Es ist schon geraume Zeit online - das Internet- Portal mit den Ausgaben von drei DDR-Zeitungen.

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Das "Neue Deutschland" (SED-Zentralorgan), die "Berliner Zeitung" (SED-Bezirksleitung)und die "Neue Zeit" (CDU-Ost) kann man ab 1945 bis zum Ende ihres Bestehens durchforsten.

Heute abend nun wurde das Portal, das von verschiedenen Forschungsinstitutionen gemeinsam mit der deutschen Staatsbibliothek gefördert und erarbeitet wurde, auch offiziell feierlich eröffnet.

http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/ddr-presse/

Mich freut das sehr, denn es ist - neben den Möglichkeiten zur Recherche - auch ein kritisch-interessanter Rückblick in die eigene Arbeit.

Ich habe fast 25 Jahre bei der "Neuen Zeit" gearbeitet und deshalb gab es ein spannendes schriftliches Wiedersehen - nicht nur mit den Beiträgen von Kollegen - sondern auch mit manch verschollenen eigenen Texten.

Ich sehe: Es gab gute, schlechte, angepasste und - im engen Rahmen - rebellische aber vor allem auch ziemlich dröge Sachen.

Ich war in der Außenpolitik zugange und da hatte ich die ungeliebte Aufgabe übernommen, Staatsbesuche per Leitartikel zu belobigen.
Guter Gott, man nahm sich halt das Kommunique vor und hangelte sich da verbal entlang mit dem Versuch, paar eigene Wendungen unterzubringen. Ich habe das auch deshalb gemacht, weil ich sowas in der kleinstmöglichen Zeiteinheit über die Bühne brachte. Wenns schon sein muss, dann bitte - zack den "Riemen auf die Orgel" - und fertig bis zum Kantinenfrühstück und nicht bis Mittag. Das sind Beiträge, über die ich jetzt eher lachen muss.

Dazwischen habe ich viele, interessante Interviews geführt. Mit Rafael Caldera, der 1980 Präsident der Interparlamentarischen Union war und in dieser Funktion auch in der DDR. Später war er Präsident Venezuelas.

Mit Mitgliedern des ANC, die hier zu einem Kongress waren, mit friedensbewegten Klerikern aus den Niederlanden und mit Gewerkschaftern aus Großbritannien. Das war sehr spannend.

Auch mit einem Dr. Schneidewind aus dem DDR-Gesundheitsministerium habe ich ein Interview gemacht über eine internationale Drogenkonferenz. Sein Name tauchte kürzlich mal im Zusammenhang mit den Medikamenten-Tests an DDR-Bürgern wieder auf.

Was ich damals sehr schätzte, war die Möglichkeit viele sonst nicht zugängliche Quellen zu lesen. Alle Mitarbeiter in der Redaktion lasen die "Die Welt", die "Süddeutsche" sowie die "Volkszeitung/ die tat", die später mit der DDR-Zeitung "Sonntag" zum "Freitag" verschmolz.

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Volkszeitung_(1953%E2%80%931989)

Der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst (ADN) gab Bulletins mit den Zeitungsartikeln aus verschiedenen westeuropäischen Ländern heraus, die man verwenden konnte.

Es gibt einige Kollegen, die ich sehr gern wiederlese - z. b. Helmut Ullrich, ein sehr kluger und gebildeter Mann, der die Feuilleton-Seiten mit Theater und Filmkritiken belieferte oder sein Leipziger Kollege Georg Antosch, der auch für die "Neue Zeit" schrieb. Überhaupt: Die Kollegen von der Kultur habe ich immer bewundert und hin und wieder auch mal für sie geschrieben.

Nach der Wende war plötzlich eine Zeit der unglaublichen Möglichkeiten, die aber bald wieder in die Anpassung zu neuen Realitäten mündete, als die "Neue Zeit" von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" übernommen wurde. Lange hielt man dieses kostenintensive Experiment nicht durch und die "Neue Zeit" wurde 1994 eingestellt. Ich war da schon anderswo, aber es tat mir trotzdem sehr Leid.

http://www.ndr.de/geschichte/grenzenlos/glossar/ddrpresse100.html

In den entsprechenden Meldungen zur Eröffnung wird natürlich noch einmal betont, dass es keine Meinungsvielfalt gab und wie sehr die Presse "gegängelt" wurde. Das ist richtig, aber es gab - jenseits der politisch-betonierten Frontseiten - immer auch Möglichkeiten, Altags- und Zeitprobleme zur Sprache zu bringen.

Aber, natürlich wusste auch ich, was "geht" und was "nicht geht". Einmal in der Woche bat das Außenministerium zu einer Unterweisung über die Lage in der Welt und auch in einzelnen Ländern und bei der Gelegenheit auch Ratschläge, welche Themen im Moment nicht unbedingt aufgegriffen werden sollten. Im Prinzip war es so, dass man das Außenministerium gar nicht erst fragte bei bestimmten Vorhaben. Die rieten immer zuerst, lieber gar nichts zu bringen.
Rückblicke sind immer beschönigend. Nee, das war keine "freie" Presse, aber so "geknechtet", wie es heute manchmal kolportiert wird, habe ich mich auch nicht gefühlt. Und über die Rolle der Massenmedien wird - gerade in der Gegenwart - auch jetzt wieder ziemlich heftig diskutiert. Was "geht" da immer und was "geht" da immer nicht? Meine Sicht hat sich auch da relativiert.

Übrigens: Viele Kolleginnen und Kollegen der "Neuen Zeit" treffen sich noch immer einmal im Jahr.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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