Das bessere Leben

Geburtstag Uschi Obermaier, das berühmteste „Groupie“ der Kommune I, hat ihre Männer nicht erst im Alter intellektuell überholt. Dieser Tage wird sie 65

In mancher Hinsicht ging es bei den Achtundsechzigern kaum anders zu als in der bürgerlichen Gesellschaft. Gerade die Beziehungen der Geschlechter geben hierfür ein Beispiel ab. Mag sich gesellschaftlich damals auch eine nie gekannte Liberalisierung vollzogen haben – in den antiautoritären Wohnküchen der sexuellen Befreiung hörten sich nach wie vor langbärtige Männer beim Labern zu, während die Frauen ergriffen nickten oder niedlich kicherten. Als Prototyp des Paschas jener Jahre dürften jedenfalls nicht Axel Springer oder Franz-Josef Strauß, sondern Rainer Langhans oder Dieter Kunzelmann gelten, die ihre „Kommunen-Idee“ als straff organisiertes Konkubinat lebten, in dem die Frauen zwischen den Zimmern der Männer zirkulierten. Um die nicht nur sexuelle Erbärmlichkeit dieser Existenz zu erahnen, genügt es, einer Zeitzeugin zuzuhören, die am 24. September 65 Jahre alt wird und zu Unrecht als „Groupie“ der Achtundsechziger gilt, weil man die Offenheit ihrer Selbstauskünfte als Naivität missdeutet: Uschi Obermaier.

Mit unverhohlener Häme wurde das „Boxenluder der Revolution“ (Spiegel) von der Boulevardpresse als Beispiel dafür vorgeführt, dass auch die Männer der antiautoritären Bewegung im Grunde Quick- und Neue Revue-Leser seien. Dabei war Uschi Obermaier keineswegs irgendein Model, sie arbeitete mit Helmut Newton und Richard Avedon zusammen und war mit Ende Zwanzig bereits in den Metropolen der westlichen Welt zu Hause. Für die Tochter eines einfachen Münchener Dekorateurs mit abgebrochener Ausbildung als Fotoretuscherin war das damals eine ungewöhnliche Karriere. Obschon sie als bekanntestes weibliches Mitglied der Kommune I mit ihrem Lebensgefährten Langhans dem Massenpublikum Auskünfte über Marihuana und Promiskuität erteilte, kannte sie doch zugleich eine Welt, die wohl oberflächlich, aber weitläufiger war, als es das karge Leben im Namen von Kollektivität und freier Liebe in Deutschland je sein konnte. Was auch immer dran sein mag an den Kolportagen, die sie in ihren Autobiografien „Das wilde Leben“ und „High Times“ über Affären mit Mick Jagger, Jimi Hendrix und anderen erzählt, durch beide Bücher zieht sich immerhin die Gewissheit, dass es ein besseres Leben geben muss als die Existenz im deutschen Alternativbiotop.

Uschi Obermaier hat aus dieser Erkenntnis ihre Konsequenz gezogen und lebt, statt sich in irgendwelchen Dschungelcamps ins Nirvana zu fasten, heute als amerikanische Staatsbürgerin in der Nähe von Los Angeles, wo sie als Schmuckdesignerin arbeitet. Das klingt auch nicht nach dem großen Los, ermöglicht ihr aber Einsichten wie jene, die sie jüngst in der Abendzeitung über Langhans kundtat: „Er ist peinlich, besitzt überhaupt keine Emotionen und ist der humorloseste Mensch, den ich kenne. Dieser Pseudo-Harem in München mit diesen vier Frauen ist auch nur grauenhaft. Die machen da seit Jahrzehnten auf superspirituell, die totale Bewusstseinserweiterung, blabla, trinken Tee und essen Tofu. Da läuft es mir echt den Rücken runter. Denn in Wahrheit kloppen die sich nur, sind eifersüchtig und neidisch aufeinander. Eigentlich schade.“ Prägnanter lässt sich nicht zusammenfassen, was aus den Hoffnungen jener Jahre geworden ist.

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