Wir sind die fünf Prozent!

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Gestern Abend stolperte ich auf Twitter über ein Antwortschreiben, das die Publikation Deutsche Sprachwelt offenbar von der Firma Schlecker erhalten hat. Die Zeitschrift hatte wohl mit einer Unterschriftenaktion den relativ neuen Slogan der Drogeriekette "For You. Vor Ort." kritisiert. Wenngleich ich die Kritik für berechtigt halte, soll es hier jedoch nun nicht um die Arbeit der Deutschen Sprachwelt gehen, denn blickt man nur einmal auf die Liste derer, die von der Redaktion bereits zum - Achtung! - Sprachwahrer des Jahres ernannt wurden, will man schnell und aus Trotz irgendeinen bösen Anglizismus in die Welt hinausbrüllen.

Ich nehme an, dass das Antwortschrieben echt ist, denn die Deutsche Sprachwelt hat es auch auf Facebook veröffentlicht, was dort wiederum mit dem Schlecker-Account kommentiert wurde.

Florian Baum, Leiter der Unternehmenskommunikation der Firma Schlecker, gibt in dem Schreiben zu, dass er die Kritik nachvollziehen kann, "denn als Geisteswissenschaftler fühle auch ich mich im privaten Sprachgebrauch der Stiltugend der Latinitas verpflichtet" lädt jedoch dazu ein, die "Perspektive zu wechseln und die Sache aus unternehmerischem Blickwinkel zu betrachten".

Ich kaufe schon sehr lange nur noch bei Schlecker ein, wenn ich dringend etwas benötige und zufällig nur eine dieser Drogerien in der Nähe ist. Daran wird sich nach den erhellenden Worten von Florian Baum auch erst recht nichts mehr ändern, denn der Brief geht weiter wie folgt:

"Dieses Motto sollte die durchschnittlichen Schlecker-Kunden, die niederen und mittleren Bildungsniveaus zuzuordnen sind, ansprechen. (...) Der so zustande gekommene Vorschlag "FOR YOU. VOR ORT." machte am Ende vor allem deshalb das Rennen, weil er beim für unsere Haupt-Zielgruppen repräsentativen Testpublikum am besten abschnitt. (...) Wir geben Ihnen daher zweierlei zu bedenken: Zweck eines Werbespruchs ist nicht, einen Beitrag zur Bereicherung oder Reinhaltung der deutschen Sprache zu liefern; die Zielgruppe unseres Werbespruchs sind auch nicht die vielleicht 5% der Bevölkerung, zu denen Sie und Ihre Mitunterzeichner gehören (nämlich promovierte Akademiker, Philologen und andere reflektierte Sprachverwender) – sondern die übrigen 95%."

Mit dieser Antwort ist es Schlecker gelungen, sowohl ihre Zielgruppe zu beleidigen, die also dumm genug ist, bei diesem neuen Slogan kauffreudige Gefühle zu entwickeln, als auch jeden, der sich an ihm stört, gehört man dann doch angeblich zu einem lächerlichen, kleinen Kreis elitärer Snobs, die sich mal nicht so anstellen solleb und im Privatgebrauch ja gerne mit lateinischen Ausdrücken glänzen können.

Hurra! Wir sind die fünf Prozent! (Dafür ist aber ganz schön eng hier.)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maike Hank

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen.

Maike Hank