Krank machen für Alle

Irgendwie scheint es, als ob gerade die ganze vom Kapitalismus geförderte kulturelle Vielfalt, die seit der Aufklärung propagierte Freiheit des Seins in einer Zwangpause verharrt. Für gewöhnlich nährt sich unser Leben reichlich und sittlich an schönen Erlebnissen, bei gesicherter Existenz, in einem wohlgefallenen Umfeld, einem kleinen Schuß Luxus und zollen auch unseren Lieblingsmenschen ein wenig Anerkennung. Dieser Zauber des spätkapitalistischen Alltags erfordert gleichsam den gleichberechtigten Zugang zu den Ressourcen der Gesellschaft. Soweit kennen wir das auch.
Es sind immer Andere, die abgehängt werden. Mal so oder mal so traf es dummerweise Behinderte, Erwerbslose, Arme, Gefolterte, Schwule, Lesben, Migranten, die halt Pech haben. Auch die Warnungen vor der Klimakatastrophe, die uns noch späterhin bevorsteht, wurden in den Wind geschlagen - betrifft uns schon nicht so dolle.
Doch nun entwickelt sich die Erkenntnis, als ob dieser Zugang auf einem System der Leistungsfähigkeit aufbaut, welches nicht nur Unterschiede macht, sondern eine unbeeinträchtigte Gesundheit voraussetzt. Mit der dahergewehten Ansteckungsgefahr betrifft es alle Schichten der Gesellschaft. Vereint im Leiden und im Verzicht bemerken wir in diesen Tagen diesen Strickfehler unserer Freiheit. Die Freiheit macht Pause. Und nun erst können wir ihn sehen, den Strickfehler, und vielleicht auch beseitigen. Zeit zum Nachdenken haben wir ja jetzt - in aller Vielfalt.