Trotzende Neubauten versus Geiz ist geil

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Neulich - kurz vor der Fröstelzeit - führte mich eine politische Pflicht für einen Tag nach Bonn. Dort benutzte ich Öffentliche und stand dann in der Ebertallee kurzerhand auch mal vor der Deutsche Telekom AG - Konzernzentrale und damit überhaupt an einer Stelle, wo laute tkommi-Fahnen wedelten. Nur wo mein Weg hinführen soll - und der sollte nun gerade nicht dort hin führen, wußte ich nicht. Bonn ist ziemlich zersiedelt und zerbaut. Es ist kein eindeutiges Zentrum definiert. Nur der Rhein als Wasserfläche verhindert bzw. beschränkt den letzten Rest an Unordnung, den man baulich verursachen könnte. In Berlin wäre es undenkbar, mal eben ein neues ministerium am Stadtrand auf die Wiese zu setzen.

Nun ja. Ich stand dann wegen der Suche nach einer Umsteigemöglichkeit unerwartet vor der Deutsche Telekom AG - Konzernzentrale. Ich habe keine Ahnung, warum ein rosa Riese, der bei der Regulierungsbehörde als zu schröpfende wirtschaftliche Einheit betrachtet wird, immer wieder irgendwelche Neubauten hinstellen muss, nur um seine Wichtigkeit und Herrlichkeit fast wie zum Trotz nachzuweisen. Ist dieser Konzern nicht ansonsten in der ganzen Republik in Form von Telefon, Telefax, TV, Mobilephone, Internet & Co. in aller Munde, Ohr und Auge?
Oder träumt hier wer zum Selbstzweck?

Wenn ich mir immer im Bekanntenkreis anhöre, habe ich den Eindruck, daß, wenn man mal die ganze "Telekomerei" als Mediales System sehen wollte, eben dieses irgendwie den Wurm drin hat. Alte Services werden nicht mehr angeboten, es wird um Cents gestritten. Eine bestimmte Kultur, die es mal gab, wird erwartet, weil ja dies und das früher ja auch so gehandhabt wurde - bei Privaten hingegen wird schlicht ein geringerer Preis erwartet. Den Rest an Freude kann man sich bei Oma einholen? Versprechen werden nicht richtig oder zu spät oder nur gegen Aufgeld oder gar nur im Streit eingehalten. Tickt hier eine andere Uhr, als die des Verbrauchers?
Vergessen wir, wenn wir "Entertain" hören, gleich mal uns selber?
Haben wir im Stress schon genug von uns selbst?

Ich weiß nicht, ob es auf Dauer hilft, sich mit aus der Tradition entstandenen Erlebnissen zu trösten. Selbst-Trost ist sicherlich die Methode des kleinen Mannes, die Umstände oder die Ursachen zu begreifen, wegen derer man ihm ständig versucht, alte Gewohnheiten auszureden oder aus der Hand zu nehmen. Und sicherlich - auch ich habe einst mit gelben Postautos aus Holz gespielt. Doch habe ich ebenso kein besseres Tages-Rezept als all die anderen, die sich hier angesprochen fühlen, ihre Seele sprechen zu lassen.

Ich bin mir aber sicher, daß diesem Staat die sogenannte Regulierung des Marktes in einst selbst bestimmten (monopolisierten) Gewinnzonen wichtiger ist, als überlieferte Tradition oder Moral. Der Preis ist abgemacht am festen Glauben, wir hätten per Zwangsverordnung einen funktionierenden und gerechten TK-Markt. Das ist in gewissem Sinne nicht weniger dämlich, als Honeckers Lebensmittelpreise.

Das kleine Glück, ein paar Euro bei Vodafone zu sparen, wird per Staatsverfügung dem einstigen Monopolisten abgezogen. Solang der Rest des Fußvolks jubelt, wird dieser ganz normal verordnete Wahnsinn unter dem Namen Marktbereinigung oder Gewinnregulierung weitergehen - sogar mit den wehenden Fahnen der Telekom.

Ich wundere mich daher nicht, daß dort, wo bislang Traditionen oder Wertvorstellungen für die Produktion von Dingen maßgeblich waren, die unters Volk zu bringen sind (Konsumgüterproduktion) nun nur noch nackte Ergebnisse zählen, die da wohnen, wo die Familie "Geiz ist Geil" zu Haus ist. Wer diese nette "Familie" gewählt hat, weiß ich nicht, aber es lohnt sicherlich mal, darüber nachzudenken.

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Geschrieben von

manstruator

Der Dummheit hat die Natur keine Grenzen gesetzt - sie ist menschlich.

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