Ägyptens neues Terrorgesetz

Terrorismus Ägyptens neues Anti-Terrorgesetz führt zu Unmut bei Journalisten und Zivilgeselschaft

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Ägyptens neues Terrorgesetz

Foto: Mahmoud Khaled/AFP/Getty Images

Schon seit längere Zeit ist Ägypten im Fadenkreuz des islamistischen Terrors. Seit der Machtenthebung von Präsident Mohammed Morsi stieg die Anzahl an Anschlägen rasant an. Im letztem Jahr nahm aber nicht nur die Anzahl zu, sondern auch deren Qualität. Besonders die Anschlagsserien auf die Sicherheitskräfte auf der Sinai-Halbinsel führten zu hohen Verlusten in der ägyptischen Armee, parallel dazu traf es die Hauptstadt schwer. Die letzten „Höhepunkte“ waren die Ermordung des obersten Staatsanwalts Hisham Barakat im Juli 2015, der Bombenanschlag auf das italienische Konsulat zwei Wochen später und zuletzt, am 21.08., der Autobombenanschlag auf das National Security Building in Shubra El Kheima.

Lange Zeit wurde die Muslim-Brüderschaft (MB) für Terroranschläge verantwortlich gemacht und es wurde entsprechend hart gegen die ehemalige, mittlerweile zu einer Terrororganisation erklärte, Partei vorgegangen. Massengerichtsverfahren von hunderten von Angeklagten und drakonische Strafen bis hin zur Todesstrafe waren keine Seltenheit. Mittlerweile ist aber mit der salafistischen Ansar Bayt al-Maqdis eine Organisation auf den Plan getreten, die weitaus gefährlicher ist als die, vermeintlichen, Terroristen der MB. Vor allem nachdem sie sich im Herbst letzten Jahres in State of Sinai umbenannte und sich damit de facto dem Islamischen Staat in Syrien und Irak anschloss. Auch führte das Vorgehen der Regierung in Kairo gegen den Terror zu „Kollateralschäden“ in der Bevölkerung – ungerechtfertigte Verhaftung und Gewalt der Sicherheitskräfte sind quasi an der Tagesordnung.

Das massive Vorgehen gegen die Muslim-Brüderschaft wird im Ausland als ungerechtfertigt, übertrieben und nicht legal kritisiert. Aus diesen Gründen und um die Sicherheitslage in den Griff zu bekommen wurde ein neues Anti-Terrorgesetz auf den Weg gebracht, welches für Rechtssicherheit sorgen soll. Dies wurde allerdings umgehend von Seiten des ägyptischen Journalistenverbandes kritisiert. Ihm ging es vor allem um einen Paragraph der Strafzahlungen für Journalisten vorsieht, wenn sie nach Anschlägen oder Einsätzen der Polizei/Militärs den offiziellen Verlautbarungen der Regierung widersprechen. Festgelegt wurde bis zu einem Jahr Berufsverbot und Strafen von 200,000 bis 500.000 ägyptischen Pfund, umgerechnet ca. 23.000 bis 57.000€. Und dies ist noch die entschärfte Variante, ursprünglich sah der Paragraph eine zweijährige Haftstrafe vor.

In gewisser Weise ist es nachzuvollziehen wenn eine Regierung darauf beharrt, dass nur ihre offiziellen Angaben genutzt werden sollen. Hohe Opferzahlen sind, ob wahr oder nicht, Werbung für jede terroristische Organisation und erhöhen den Zulauf an Kämpfern und Unterstützern. Außerdem können solche Zahlen Panik in der Bevölkerung schüren, was auch im Sinne von Terroristen ist. Allerdings waren die Angaben der ägyptischen Regierung immer recht schwammig, wenn es überhaupt genaue Zahlen gab. Man kann durchaus von einer Deinformationskampagne sprechen und hier sollte das Informationsrecht der Bevölkerung vorgehen – was aber mit diesem Paragraphen massiv erschwert wird. Auch ist das Gesetz recht schwammig in der Definition von Terrorismus, der als „jeder Akt der die öffentliche Ordnung durch Gewalt stört“ definiert ist. Damit kann auch schon der Widerstand bei einer Verhaftung oder eine Auseinandersetzung mit den Sicherheitskräften auf einer Demonstration als ein terroristischer Akt gewertet und entsprechend bestraft werden. Die Gründung oder Führung einer terroristischen Gruppierung wird mit dem Tod oder lebenslanger Haft bestraft, die Mitgliedschaft mit bis zu 10 Jahren Haft und die Finanzierung mit bis zu 25 Jahren Haft. Allerdings ist unklar ab wann eine Gruppe eine terroristische Organisation ist und ab wann die Gründung bzw. Führung strafbar ist.

Die Paragraphen scheinen sich dezidiert gegen die Muslim-Brüder zu wenden, die ursprünglich ganz legal als Partei gegründet wurden, um das harte Durchgreifen im Nachhinein gegen sie zu legitimieren, besonders nach dem Todesurteil des ehemaligen Präsidenten Mohammed Morsi. Auch das Internet, damit sind wohl in erster Linie soziale Netzwerke gemeint, wurde aufgenommen. Die nicht zu unterschätzende Rolle von Facebook und Twitter im arabischen Frühling wirken noch nach. „Aufhetzen“ oder „anstacheln“, wobei dies nicht nur „online“ gilt, zur Gewalt soll mit 5 bis 7 Jahren Gefängnis bestraft werden, wobei aber nicht definiert wird was man unter aufhetzen oder anstacheln versteht. Damit kann per se jede Handlung z.B. auf einer Demonstration als terroristisch definiert und die Handlungsfreiheit der Zivilgesellschaft beschnitten werden. Besonders kritisiert wurde der Paragraph 8 des Gesetzes, der den Sicherheitskräften die Nutzung jeglicher Gewalt zur Selbstverteidigung oder zur Verteidigung des Staates zugesteht und sie der Strafverfolgung komplett entzieht. Damit wird ihnen quasi eine Lizenz zum Töten gegeben und sie werden der Kontrolle der zivilen Gerichtsbarkeit endgültig entzogen.

Zusammengefasst gibt das neue Gesetz der Regierung ganz legal die Möglichkeit ihre Kontrolle über Journalisten und über die Zivilgesellschaft auszubauen, entzieht Polizei und Militär der öffentlichen Justiz und legitimiert im Nachhinein das harte Vorgehen gegen die Muslim-Brüderschaft. Die Frage ist nun wurde das Gesetz erlassen um, vornehmlich, das Ausland zu beruhigen und aufzuzeigen das die Anti-Terrormaßnahmen nach ägyptischen Recht legal sind oder wird versucht den unterbrochenen Demokratisierungsprozess wieder in Gang zu bringen? Für letzteres spricht die Ankündigung des neuen Wahltermins für die Parlamentswahlen, die eigentlich schon im März stattfinden sollten. Die Einschätzung des Gesetzes ist abhängig davon wie transparent die Wahlen ablaufen werden und welche Hürden für die Beteiligung festgelegt werden. Das letzte Wahlgesetz wurde immerhin vom obersten Gerichtshof als nicht verfassungskonform eingeschätzt, was auch der Grund für die abgesagten Wahlen war.

http://redaktionsblog.e-politik.de/13092015/aegyptens-neues-terrorgesetz.html
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Geschrieben von

Marcel Bethan

Verwaltungs- und Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Sicherheitspolitik und Nordafrika/Naher Osten

Marcel Bethan

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