Wie viele Kliniken braucht Deutschland?

Krankenhäuser im Fokus In Folge der Corona-Pandemie kommt die alte Debatte über den Nutzen einer flächendeckenden Gesundheitsvorsorge erneut auf.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Frage, wie viele Krankenhäuser tatsächlich gebraucht werden belastet das Pflegepersonal sowie die Patienten. Fast 2000 Krankenhäuser gibt es in Deutschland. Neben großen und hoch entwickelten Gesundheitszentren gehören dazu auch kleinere, lokale Krankenhäuser. Über den Nutzen dieser wird schon seit geraumer Zeit diskutiert. Während ein Großteil der Bevölkerung sich sicherer dabei fühlt, ein Krankenhaus in unmittelbarer Nähe zu haben, fordern Politiker und Ärzte den Zusammenschluss lokaler Krankenhäuser zu spezialisierten, technisch hochwertig ausgestatteten Kliniken. Zudem sollen die Fördergelder deutlich erhöht werden um Austattungen zu erweitern oder zu erneuern, dazu können medizinisches Hightech Equipment zählen aber auch Rollstuhllifte oder andere Hilfsmittel.

Gab es zu Beginn des Jahres 2020 noch pauschalen für Krankenhäuser, die Betten für Coronafälle freihielten, erhalten nun nur noch Krankenhäuser mit einer Notfallausstattung staatliche Hilfen. Besonders für kleinere Kliniken, die aufgrund der Corona-Pandemie ohnehin weitaus weniger Umsatz erwirtschaften, kann dies fatale Folgen haben. Erste Stimmen werden laut, dass ohne staatliche Hilfen kleinere Kliniken bereits im ersten Quartal 2021 ihre Angestellten nicht mehr bezahlen können.

Tatsächlich wurde die erste Welle der Corona-Pandemie hauptsächlich von etwa 430 Krankenhäusern getragen. Geld bekamen aber alle Kliniken. Aus diesem Grund schlug der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eine Differenzierung vor, nach der nur Covid-Versorger Zuschüsse erhalten. Das schließt zum Beispiel orthopädische Fachkliniken oder Zentren zur Behandlung von psychischen Krankheiten aus, aber auch Kliniken, die nicht an der Versorgung von Corona-Patienten beteiligt sind schreiben Verluste. Deshalb warnt Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit beim RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, dass zahlreiche Kliniken spätestens 2022 finanziell ins Straucheln geraten werden. Studien belegen, dass die Krankenhäuser in Deutschland bereits im Jahr 2018 nur eine Belegungsrate von 77 % aufwiesen. Im Umkehrschluss schreiben etwa 30 % aller Kliniken regelmäßig Verluste. Dies habe sich seitdem nicht geändert, die Zahl der Patienten stagniere, während die zu Verteilenden staatlichen Mittel knapper werden. Besonders durch die Corona-Krise werde die Bundesregierung zukünftig die Mittel für den Gesundheitssektor kürzen müssen.

Deshalb befürwortet Augurzky das Zusammenlegen von Kliniken, um eine effizientere Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Jedoch bleibt hierbei die Frage, welche Kliniken aufgegeben werden sollen. Laut Augurzky gebe es hoch spezialisierte Fachkliniken, auf die man auch weiterhin trotz geringer Patientenzahl angewiesen sei. Dagegen sollten sich kleinere Krankenhäuser, die aufgrund mangelnder Patienten fachlich nicht mit großen Kliniken mithalten können, eher auf die ambulante Gesundheitsversorgung fokussieren. Diese Auffassung wird auch von der Gewerkschaft der Klinikärztinnen und Klinikärzte getragen.

Die Corona-Krise hat auch ein weiteres Problem in der Gesundheitsversorgung verdeutlicht. Wo Patienten fehlen, finanzieren sich Kliniken besonders durch Operationen wie etwa teure Hüftgelenksoperationen, für die hohe Fallpauschalen abgerechnet werden können. Krankenhäuser und Kliniken, die aufgrund von Corona auf diese Einnahmen verzichten mussten, erhielten auch die höchsten Ausgleichszahlungen für freigelassene Betten. Kliniken, die dagegen umfassendere Leistungen wie Geburtshilfe oder die Versorgung kranker Kinder anbieten, bekamen bis zu 500 Euro weniger Pauschale für freigehaltene Betten. Aus diesen Gründen ist die GKV mittlerweile für die Zusammenlegung von Krankenhäusern grundsätzlich offen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Marie-Sophie Stehler

Echtes "Heide-KInd" aus der Lüneburger Heide. Bin im letzten Jahr meines BWL Studiums und bin schon seit der Oberstufe Mitglied in Debattierclubs.

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden