„Medien tun das, was sie immer tun.“

Medien in der Krise? Der Berliner Mediensalon diskutierte über »Medien in der Corona-Krise und danach«

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Die Corona-Krise trifft alle Teile der Gesellschaft gleichermaßen. Niemand kann abschätzen, was die langfristigen Folgen sein werden. Das gilt auch und gerade für die Medienlandschaft. Dementsprechend kam der Berliner Mediensalon von young+restless, dem Netzwerktreffen für Young Professionals, zu dem Thema „Medien in der Corona-Krise und danach“ am 29. April gerade zur rechten Zeit. Zeit-Redakteurin Tina Groll moderierte eine breit aufgestellte Runde bestehend aus dem Medienjournalisten Daniel Bouhs, der Chefredakteurin der Deutschen Welle, Ines Pohl, dem Wissenschaftler Henrik Müller, dem designierten Sprecher des Deutschen Presserates, Johannes Endres, und der Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di, Cornelia Berger. Statt wie sonst im Basecamp auf und vor der der Bühne saßen die Diskussionsteilnehmer und Zuschauer vor ihren Laptops. Fragen stellen und Kommentare abgeben konnten die Teilnehmer online während der Debatte.

Groll baute die Diskussion in drei Themenkomplexe auf, die jedoch immer wieder aufeinander Bezug nahmen. Im ersten Teil ging es um die Frage nach Rolle der Medien in der derzeitigen Krise und wie der Umgang mit Kritik an Medienmachenden zu bewerten ist. Grundsätzlich waren sich alle Beteiligten einig, dass der Journalismus hierzulande eine gute Figur in dieser Ausnahmesituation abgibt. Vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk werde seiner Aufgabe gerecht, lobten alle Beteiligten. Nach den lange anhaltenden Vorwürfen der Lügenpresse sei die Krise eine Chance, dass der Wert von Journalismus wieder steige, so der Medienwissenschaftler Müller. Ganz grundsätzlich beobachtet er jedoch nichts Neues. Die Medienlandschaft verhalte sich nicht anders, als bei anderen konjunkturellen Themen. „Es gibt immer zuerst eine gleichgerichtete Berichterstattung, die sich mit der Zeit differenziert.“ Auch die Redaktionen bräuchten Zeit, um sich auf die neue Situation einzustellen. Auch in Sachen ethischer Standards lassen sich nach Endres keine neuen Phänomene beobachten. „Medien tun das, was sie immer tun.“ Wer vorher sauber berichtet hätte, tue dies auch weiterhin, und wer auf Clickbaiting, Schleichwerbung und Schlagzeilenpresse setze, hätte nun ideale Voraussetzungen. Hinsichtlich dessen gäbe es keine großen Verbesserungen oder Verschlechterungen.

Der zweite Themenkomplex drehte sich um die Frage nach den wirtschaftlichen Folgen und die Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen. Für die Gewerkschafterin Berger stellt die Corona-Krise ein Brennglas dar, dass all die Missstände in der Medienlandschaft schonungslos offenlegt. Sie sprach von einer „sagenhaften Beschleunigung der Entwicklung“. Es sei nun die Stunde der Politik, sich zu überlegen, Qualität und Vielfalt im Pressewesen aufrechterhalten werden kann. Denn das die ökonomischen Auswirkungen gravierend sein werden, darüber waren sich alle einig. Schon jetzt leiden die Arbeitsbedingungen der Journalisten. Berger erinnerte daran, dass in den meisten Redaktionen es keine Arbeitszeiterfassung gäbe. Nur darum könnten Verlage Kurzarbeit beantragen, ohne, dass sie wie eigentlich vorgesehen, die Mitarbeiter zuerst ihre Überstunden abbauen lassen. „Wo keine Überstunden erfasst werden, können auch keine abgebaut werden.“ Doch auch die Medienhäuser müssen sich Sorgen machen. Müller warnte vor einer Vernichtung großer Teile der Medienlandschaft. Gerade regionalen Angeboten brächen die Werbeeinnahmen weg und den großen Verlagen wie Süddeutsche Zeitung und Handelsblatt fehlen die Einnahmen aus Veranstaltungen. Bouhs wies daraufhin, dass es den öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht viel bessergeht. Auch hier brechen Werbeeinnahmen weg. Mit jedem Betrieb, der schließen muss und mit jedem Menschen, der sich arbeitslos melden muss, gehen zudem Rundfunkbeiträge verloren. Pohl von der Deutschen Welle warnte dementsprechend private und öffentlich-rechtliche gegeneinander auszuspielen. Ihrer Meinung nach bräuchte es stattdessen mehr freiwillige Zahlungen, wie es sie bei der TAZ gibt und Kooperationen, wie sie beispielsweise der NDR und die Süddeutsche im investigativen Ressort schon aufgebaut haben. Doch dafür müssten alte Schranken fallen und Misstrauen abgebaut werden. Eine Kerbe, in die auch Bouhs schlug. Er schlug vor, dass die öffentlich-rechtlichen ihre Infrastruktur mit privaten teilen könnten.

Eine abschließende Prognose, wie der Journalismus in Deutschland nach Corona aussieht, konnte und wollte freilich keine/r abgeben. Ökonomisch werden die Medien mit harten Folgen zu kämpfen haben. Ideell jedoch haben sie einen großen Kredit aufgebaut, darüber waren sich alle einig. Endres brachte es abschließend auf den Punkt: „Der Journalismus hat gezeigt, wo die Stärken seriöser Berichterstattung liegen. Er hat bewiesen, dass er Wert hat. Nun muss er ihn in neue Modelle umwandeln.“

Bericht bei Menschen Machen Medien:

»Journalismus in Corona-Zeiten« von Ute C. Bauer

https://mmm.verdi.de/beruf/journalismus-in-corona-zeiten-66117

Interview mit Ines Pohl bei SWR2 Journal am Mittag

Kritik und Wohlwollen:

DW-Chefredakteurin Ines Pohl über die Medien in der Coronakrise

https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/dw-chefredakteurin-ines-pohl-ueber-die-medien-in-der-coronakrise-100.html

Die Aufzeichnung des Mediensalons:

https://www.crowdcast.io/e/medien-in-der-corona

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maximilian Riegel

Politikwissenschaftler, schreibt u.a. für meko factory – Agentur für Kommunikation GmbH

Maximilian Riegel

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