NIPPON CONNECTION 2018

Filmfestival Vom 29. Mai bis 3. Juni fand in Frankfurt am Main das 18. Japanische Filmfestival NIPPON CONNECTION statt. Ein kurzer Bericht.

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Zum vierten mal begann das Filmfestival schon am Dienstag und hat damit eine Dauer von sechs Tagen hatte. Der Feiertag am Donnerstag dieser Woche, den Viele mit anschließendem Brückentag als verlängertes Wochenende planen, wurde sehr zielsicher genutzt. Nicht mehr ganz so neu ist der Veranstaltungsort. War zwölf Jahre lang der Frankfurter Universitätscampus Bockenheim mit seinem Studierendencampus das Festivalzentrum, wechselte das Festival 2013 in das Künstlerhaus Mousonturm und das benachbarte Naxos-Theater; die Universität zieht an andere Standorte um und wird neu bebaut. Vorteil des alten Festivalortes war das großräumige Universitätsgelände, auf dem mehrere Tausend Festivalbesucher/innen ausreichend Platz hatten; eindeutiger Nachteil war der Mehrzwecksaal des Studierendenhauses mit seiner Mehrzweckbestuhlung, auf denen mehrere Kinovorstellungen an einem Tag sehr anstrengend und nicht besonders bequem waren. Der Vorteil der neuen Spielorte sind im Gegensatz dazu die Theaterräume mit verhältnismäßig bequemen Stühlen. Der Nachteil ist, dass hier - besonders am Festivalzentrum Mousonturm - viel weniger Platz ist und es daher zwischen den Filmvorführungen zu längeren Wartezeiten am Einlass und zu mehr Gedrängel kommt. Weitere Spielorte sind ein etwas entfernt liegendes kleines Programmkino im Frankfurter Nordend, in dem Wiederholungen gezeigt werden, sowie das Kino des Deutschen Filmmuseums, wo eine Reihe klassischer japanischer Schwertkampffilme gezeigt wird; beide Kinos sind als Spielorte angenehm, aber vom Festivalzentrum etwas entfernt und ein Programmablauf funktioniert aufgrund der Fahrerei nicht unbedingt ohne größere Pausen. Wer mit dem Auto von außerhalb kommt, hat hier Riesennachteile. Auch der Mousonturm und die Umgebung sind inzwischen für das wachsende Publikumsinteresse fast zu klein.

Eingebetteter Medieninhalt

Ein sehr großer organisatorischer Vorteil ist, dass die Filme und der Spielplan sofort nach Fertigstellung im Internet veröffentlicht werden und eine gute bis sehr gute Planung ermöglichen. Knappe zwei Wochen vor Festivalbeginn war auch das Programmheft im Internet eingespielt und ermöglichte es, die Filme und den Zeitplan sehr angenehm zu lesen.
Alle Filme laufen in japanischer Originalfassung mit englischen Untertiteln. Im Festivalzentrum werden die Filme im Digitalformat DCP und im Einzelfall als Blue Ray gezeigt. Die Retrospektive der klassischen Schwertkampfflilme, auf die ich mich konzentriere, laufe in extrem gut erhaltenen 35mm-Kopien, in einem Fall in einer weniger gut erhaltenen 16mm-Kopie.

Im weiteren Verlauf zitiere ich die Filmbeschreibungen von der Internetseite von Nippon-Connection, gebe Ergänzungen und bewerte nach einem Schema, das die Festivalmacher auch für deutsche Erstaufführungen verwenden: 5 Sterne (sehr gut) bis 1 Stern (schlecht)

Dienstag, 29. Mai
Den Eröffnungsfilm mit langer Einführung und diversen Begrüßungsreden aus hessischer und Frankfurter Kulturpolitik lasse ich wie in den Vorjahren aus und steige um 22:30 Uhr ein bei:

OUTRAGE CODA
von Takeshi Kitano

Otomo, verkörpert von Multitalent Takeshi KITANO, hat den japanischen Yakuza den Rücken gekehrt, um in Korea für den einflussreichen Gangster Mr. Chang zu arbeiten. Doch als ein Yakuza während einer Reise nach Korea einen Eklat auslöst, setzt sich eine Kettenreaktion der Gewalt in Gang und Otomo wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Mit OUTRAGE CODA schließt Takeshi KITANO seine Trilogie über den alternden Gangster Otomo ab. Erneut verbindet der Filmemacher seine Markenzeichen, lakonischen Humor und unerwartete Gewaltausbrüche, um in hochästhetischen Bildern sein Stammgenre, den Gangsterfilm, auf unterhaltsame Weise zu dekonstruieren.

Kaum ein Anderer prägt sein über 20 Jahren das moderne japanische Gangsterkino so wie Multitalent Takeshi Kitano. Seine Markenzeichen sind eine ruhige und langsame - nicht langweilige - Erzählweise und krasse Gewaltszenen. Verzichtete Kitano bis vor wenigen Jahren bei Schießereien und Massakerszenen auf Stilisierungen und Ästhetik, änderte er das schon im zweiten OUTRAGE-Film. Erschießungsszenen werden in Zeitlupe gefilmt und die Opfer zappeln in einer Art Todesballett. Das ist ein Stilbruch und tut dem Film meiner Meinung nach nicht gut. Der Film ist sehr dialogreich und immerhin mit englischen Untertiteln. Eine große Zahl von Filmfiguren und gegnerischen Gangstergruppen macht die Handlung teilweise unübersichtlich. Das ist nicht Kitanos beste Arbeit.
Note: 3 von 5 Sternen ***

Am Mittwoch, den 30. Mai setze ich aus. Interessiert hätte mich der Horrorfilm BAMY. Aber ich setze aus, nachdem ich den Tag im Freibad verbracht hatte; ich möchte auch nicht jede Nacht nach 1:00 Uhr nach Hause kommen.

Donnerstag, 31. Mai um 20:00 Uhr im Filmmuseum
Die Anreise erfolgt wie üblich mit Öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrad sowie einem ausreichenden Zeitfenster. Ich befürchte, zu spät zu kommen, da heute und an den folgenden Tagen tatsächlich bis auf eine Ausnahme keine einzige S-Bahn pünktlich kommt. Verspätungen führen dann auch noch dazu, dass die S-Bahnen im Schneckentempo fahren oder auf auf der Strecke anhalten. Ich komme pünktlich und erlebe eine kleine Konfusion in der Programmplanung. Im Nippon-Connection-Programm steht als Vorstellungsbeginn 20:00 Uhr und im Filmmuseum-Programm 20:30 Uhr. Wir warten, hören eine verkürzte Einführung des Verleihs und fürchten, zur nächsten Vorstellung im Festivalzentrum zu spät zu kommen.
BLUE FILM WOMAN (Buru firumu no onna) von 1969 im Frankfurter Filmmuseum

Kan MUKAI (1937–2008) ist einer der vergessenen Helden des Pink-Film, dabei drehte er mehrere hundert dieser unabhängig produzierten Low-Budget-Erotikfilme. Mit BLUE FILM WOMAN lieferte er einen der ersten Vertreter des Genres in Farbe ab. Der Film schildert den Versuch einer jungen Frau, einen korrupten Banker zu erpressen, der für den Tod ihrer Eltern verantwortlich ist – in psychedelischen Farben vor dem Hintergrund des swingenden Tokio der 1960er Jahre. Rapid Eye Movies präsentiert die neu restaurierte Fassung des Films als Deutschlandpremiere.

Der Vater ist pleite und will Selbstmord begehen. Ein Gläubiger ist bereit, auf einen Teil der Schulden zu verzichten, wenn er dafür Sex mit der Ehefrau bzw. Mutter haben kann. Der missbraucht sie nicht nur selbst sondern gibt sie auch an seinen geistig behinderten Sohn weiter. Danach begeht die Mutter Selbstmord. Der Vater folgt nach einiger Zeit und die Tochter zieht alle Beteiligten auf Gläubigerseite in sexuelle Affären, die sie filmt, um sie zu erpressen und zu bestrafen.
Die Farbgestaltung des Films ist in der Tat sehr interessant und die 60er Musik ist toll. Inhaltlich ist der Filmm allerdings eher fragwürdig und auch teilweise unappetitlich, wobei besonders die Darstellung des geistig Behinderten sehr ärgerlich ist. Darüber hinaus ist der Digitaltransfer alles Andere als gelungen. Scheinbar war der Aufnahmestil auf 35mm-Film aus stilistischen Gründen in vielen Szenen sehr grobkörnig, was in der Digitalversion sehr unverteilhaft zur Geltung kommt und für krasse Unschärfen und verschwommene Bilder sorgt. Vielleicht wirkt das Bild im Heimkino besser, aber für eine Kinoprojektion ist das ungeeignet.
Aus filmhistorischen Gründen interessant, aber im Ergebnis mittelmäßig. Zwei von fünf Sternen **

22:15 Uhr im Festivalzentrum
THE BLOOD OF WOLVES (Koro no chi)
Ich komme rechtzeitig an und es wird schon überall angekündigt, dass Filmgeginn erst um 22:30 Uhr ist. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Verspätung im Filmmuseum ist nicht auszuschließen. Einlass im überfüllten und schwülen Foyer ist dann zehn Minuten später und Filmbeginn ist um 22:55.

Hiroshima 1988: Der junge Polizist Hioka wird dem älteren Ogami zugeteilt, einem knallharten Cop wie er im Buche steht. Von den Yakuza-Gangstern, die er eigentlich bekämpfen soll, unterscheidet sich Ogami kaum und es dauert nicht lange, bis Hioka Zweifel daran kommen, auf welcher Seite des Gesetzes sein Partner eigentlich steht. Wer bei Yakuza-Filmen, die in Hiroshima spielen, an Kinji FUKASAKUs legendäre Filmreihe BATTLES WITHOUT HONOR AND HUMANITY denkt, liegt ganz richtig: THE BLOOD OF WOLVES ist eine kompromisslose Hommage und muss sich vor dem großen Vorbild nicht verstecken. In der Paraderolle als Brutalo-Cop ist NIPPON HONOR AWARD-Preisträger Koji YAKUSHO zu sehen.

Ogami arbeitet nebenher scheinbar für einen Yakuza-Boss, handelt mit Informationen, lügt und betrügt und verarscht alle. Koji Yakusho spielt ihn brilliant und lässt dabei seinem jungen Kollegen genug Raum.
Note: fünf Sterne *****
Um 2:00 Uhr bin ich im Bett.

Freitag, 1. Juni

Schwere Entscheidung. Schaue ich den Gerichtskrimi THE THRID MURDER oder Akira Kurosawa´s Klassiker YOJIMBO? THE THIRD MURDER-Regisseur Hirokazu KOREEDA bekam knapp zwei Wochen davor die Goldene Palme von Cannes für seinen aktuellen Film. Er ist ein Könner, sein vorletzter Film wird wahrscheinlich nicht regulär das Licht einer deutschen Leinwand erblicken und auch nicht unbedingt im Heimkino erhältlich sein. Im Internet suche ich nach Kaufmöglichkeiten und finde einen günstigen und schnellen Versand und schon nach drei Tagen habe ich die DVD von YOJIMBO - DER LEIBWÄCHTER auf dem Bildschirm, um die Reihenfolge der Klassiker einzuhalten.
YOJIMBO - DER LEIBWÄCHTER. DVD, schwarz-weiß
von Akira Kurosawa, 1961, mit Toshiro MIFUNE, Yoko TSUKASA, Isuzu YAMADA, Daisuke KATO und Tatsuya NAKADAI

Sanjuro, ein herrenloser Samurai, landet auf der Suche nach Arbeit in einer kleinen Stadt, die sich aufgrund zweier rivalisierender Gangsterbanden im Ausnahmezustand befindet. Läden bleiben geschlossen und Fremde machen einen Bogen um den Ort. Sanjuro nimmt es auf sich, die beiden Clans gegeneinander auszuspielen, um die Stadt zu befreien. Dieser zeitlose Klassiker von Akira KUROSAWA ist eines seiner weltweit bekanntesten Werke. Der Film diente als Inspiration für einige westliche Filme, unter anderem den Italo-Western FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR.

Unglaublich. Als Sanjuro den Ortskern betritt, bekommen wir in einer einzigen Szene das Chaos und Leid geschildert. Um die Ecke kommt ein Hund gelaufen, der eine abgetrennte Hand im Maul hält. Diese Szene brennt sich für immer ins Gehirn ein und wurde mehrfach in anderen Filmen kopiert. Der majestätische Toshiro Mifune, Japans größter Filmstar dieser Zeit, spielt seinen Sanjuro als Draufgänger mit weniger guten Manieren, der säuft, seine Gesprächspartner respektlos behandelt und sich ständig überall kratzt.
Großartig. Fünf Sterne *****

16:45 im Festivalzentrum am Mousonturm
Eine S-Bahn fällt aus und die nächste kommt zu spät. Ich komme fast eine viertel Stunde zu spät und ärgere mich sehr. Der Film läuft bereits.
THE THIRD MURDER (Sandome no satsujin)
von Hirokazu KOREEDA, mit Masaharu FUKUYAMA, Suzu HIROSE, Isao HASHIZUME, Mikako ICHIKAWA und Koji YAKUSHO

Anwalt Shigemori soll den wegen Raubmordes angeklagten Misumi verteidigen, der zuvor durch einen drei Jahrzehnte zurückliegenden Mordfall im Gefängnis gelandet war. Bei erneuter Verurteilung droht ihm die Todesstrafe. Trotzdem bekennt sich Misumi schicksalsergeben zu der Tat. Bei Befragungen und Recherchen werden bei Shigemori allerdings Zweifel an dem Geständnis seines Mandanten wach. Hirokazu KOREEDA inszeniert mit THE THIRD MURDER ein abgründiges Psychoduell um Schuld, Sühne, Wahrheit und Lüge, das mehrfach bei den Japan Academy Awards 2017 ausgezeichnet wurde. NIPPON HONOR AWARD-Preisträger Koji YAKUSHO und Masaharu FUKUYAMA ziehen dabei alle Register der Schauspielkunst.

Misumi gibt den Mord nicht bei der Polizei oder bei Gericht zu sondern im Interview mit einer Zeitschrift. Im weiteren Handlungsverlauf werden sehr geschickt falsche und echte Spuren gelegt und Theorien entwickelt, die für den Zuschauer eine echte Herausforderung sind. Misumi ermordete sein Opfer nach eigener Aussage im Auftrag von dessen Ehefrau, die das natürlich abstreitet. Bei der Befragung der Tochter gibt es Hinweise darauf, dass sie ihren Vater tötete. War sie es gemeinsam mit Misumi? Oder war er es, um sie zu schützen? Wurde sie von ihrem Vater sexuell missbraucht? Misumi zieht sein Geständnis schließlich zurück und behautptet, nicht am Tatort gewesen zu sein. Wie es wirklich war, erfahren wir nicht.
Es ist interessant, den wandlungsfähigen Koji Yakusho innerhalb von 24 Stunden in zwei komplett unterschiedlichen Rollen zu sehen. Stark. Vier von fünf Sternen ****
Ich schaffe es noch, mir im Gedränge im ersten Stock zwei japanische Fertigmahlzeiten zu holen, die in der Mikrowelle aufgewärmt werden und im Freien, wo ich einen Sitzplatz finde, fast kalt sind. Satt werde ich nicht wirklich und fahre mit Fahrrad und U-Bahn ins Filmmuseum.

19:45 Uhr
SAMURAI REBELLION (Hairyo tsuma shimatsu)
1967, 35mm, schwarz-weiß, von Masaki KOBAYASHI, mit Toshiro MIFUNE, Go KATO, Tatsuyoshi EHARA

Samurai Isaburo wünscht sich nichts sehnlicher als eine Ehefrau für seinen Sohn, Enkel und den Ruhestand. Er selbst führt eine lieblose Ehe und verrichtet Routinearbeiten, um den Status der Familie zu wahren. Gegen seinen Willen muss sein Sohn die ehemalige Mätresse des Clan-Chefs heiraten. Unerwarteterweise entwickelt sich aus der Zwangsehe echte Zuneigung. Doch als ein Befehl der Beziehung ein Ende setzen soll, wird die Situation für Isaburo unerträglich. Vor tristen, wiederkehrenden Kulissen zeichnet Masaki KOBAYASHI mit präziser Symbolsprache eine Tragödie über Menschlichkeit in einem tyrannischen System.

Weniger der Schwertkampf als diplomatische Zwänge und die Zerstörung einer gesamten Familie durch feudale Machtspiele stehen im Mittelpunkt. Großartig gespielt.
Fünf Sterne *****

22:30 Uhr im Filmmuseum
ON THE ROAD FOREVER (Mushuku mono)
1964, 35mm, Farbe
von Kenji MISUMI, mit Raizo ICHIKAWA, Jun FUJIMAKI, Toru ABE, Eiko TAKI, Kenjiro ISHIYAMA

Nach einem Überfall auf ein Glücksspiellokal pausieren Ipponmatsu und Yaichiro in einem Küstendorf, das von einem Tyrannen beherrscht wird, der verschuldete Bauern zur Zwangsarbeit auf einer Insel zwingt. Ipponmatsu vermutet, dass der Tyrann Yaichiros Vater ist und in einen dubiosen Mordfall verwickelt war, bei dem Ipponmatsus eigener Vater zu Tode kam. Raizo ICHIKAWA überzeugt in der Rolle des herrenlosen Einzelgängers, dessen Moral von seinem Wunsch nach Vergeltung in Frage gestellt wird.

Der Film ist in hervorragender Bildqualität. Allerdings sind die englischen Untertitel sehr schwach und dünn und sehr schlecht zu lesen. Zur Information an Jüngere: Früher in den analogen Zeiten wurden Untertitel mit Lasern in das Filmmaterial eingebrannt. Ich habe größere Schwierigeiten, der Handlung zu folgen. Insgesamt gut und überzeugend. Drei von vier Sternen ***

Am Frankfurter Hauptbahnhof möchte ich mit meinem Fahrrad in die S-Bahn einsteigen, die in wenigen Minuten abfahren wird. Hier kommen vorsichtig geschätzt 1000 junge Fahrgäste mit dieser S-Bahn an. Ich bin eben der Einzige, der in die Gegenrichtung möchte und es wird sehr eng. Am nächsten Morgen lese ich auf der RMV-Seite, dass es eine mehrtägiges Rave-Veranstaltung im Frankfurter Waldstadion gibt, zu der zusätzliche Sonderzüge angeboten werden.

Samstag, 2. Juni
18:00 Uhr im Filmmuseum
SANJURO
1962, 35mm, schwarz-weiß
von Akira Kurosawa, mit Toshiro MIFUNE, Tatsuya NAKADAI, Yuzo KAYAMA

Sanjuro trifft in einem verlassenen Schrein auf eine Gruppe junger Samurai, die den Berater ihres Clans, Mutsuda, der Korruption verdächtigen. Es stellt sich jedoch heraus, dass der Vorsteher des Clans, Kikui, der wahre Übeltäter ist und Mutsuda entführt hat. Sanjuro hilft der Gruppe dabei, Mutsuda zu befreien und Kikui auffliegen zu lassen. Aufgrund des Erfolgs von YOJIMBO brachte KUROSAWA ein Jahr später die beliebte Hauptfigur Sanjuro erneut auf die große Leinwand.

Da ich etwas knapp aber rechtzeitig komme, gibt es nur noch Platz in der ersten Reihe. Erst aus der Nähe erkenne ich sichtbare Abnutzungserscheinungen im Film. Besonders die Kopien der Schwarz-Weiß-Filme sind sehr gut erhalten und in erstklassiger Verfassung.
Erneut spielt Toshiro Mifune mit rotzigem Charme, raffinierten Tricks und gekonnter Schwertkampftechnik die Kontrahenten gegeneinander aus. Tatsuya Nakadai, der bereits in YOJIMBO die rechte Hand des einen Clan-Häuptlings spielte, ist hier wieder einer der Gegner. Im Schlusskampf wird zum ersten mal eine extrem spritzende Schwertwunde gezeigt, die dann ein Stilmittel dieser Schwertkampfära wurde. Im Vortrag vor dem Film erfuhren wir, dass verdünnte Schokoladensoße in einem Sack unter dem Kostüm geöffnet und das Kunstblut unter hohem Druck verspritzt wurde.
Stark und sehr unterhaltsam. Fünf Sterne *****

Ein kleines Problem ist hier, dass zwischen den Filmen ein sehr kurzes Zeitfenster ist und so gar keine Zeit zum Essen ist. So komme ich an zwei Tagen erst nach Mitternacht zu Hause dazu, etwas zu essen.

20:00 Uhr
SWORD OF DOOM (Daibosatsu toge)
1966, 35mm, schwarz-weiß
von Kihachi OKAMOTO, mit Tatsuya NAKADAI, Yuzo KAYAMA und Toshiro MIFUNE

Es sind die letzten Tage des Shogunats in Japan. Schwertkämpfer Ryunosoke gilt aufgrund seiner Skrupellosigkeit und seines unorthodoxen Kampfstils als so gut wie unbesiegbar. Nachdem er in einem verhängnisvollen Duell seinen Widersacher getötet hat, flieht er zusammen mit dessen Frau, um sich einer Gruppe von Söldnern anzuschließen. Das Morden nimmt kein Ende, denn kein Gegner kann den Todesboten aufhalten. Gefangen in einem Kreis aus Tod und Gewalt, verfällt er langsam dem Wahnsinn. Kihachi OKAMOTOs bildgewaltige Studie sinnlosen Tötens ist in Japan schon längst ein Klassiker seines Genres.

Tatsuya Nakadai, der hier bereits in mehreren Filmen als Gegenspieler von Toshiro Mifune zu sehen war, spielt die Hauptrolle. Und dieser Charakter Ryunosoke ist ein echter Psychopath. In seiner ersten Szene tötet er einfach mal so und ohne Grund einen alten Mann auf Pilgerwanderung. Dessen Enkelin, die mit auf Reise ist, aber nicht Zeugin wird, muss sich nun ohne Familie als Kurtisane betätigen; sie und Ryunosoke werden sich später nochmals begegnen. Nakadai spielt mit hartem, kaltem Gesicht und lässt dem Publikum in manchen Szenen nur mit seinem Blick das Blut in den Adern erstarren. Als nächstes lässt sich Ryunosoke von der Frau seines nächsten Gegners überreden, ihn im Kampf zu verschonen, und sagt für sexuelle Befriedigung zu. Den Ehemann lässt Ryunosoke gezielt davon erfahren, der daraufhin seine Frau verstößt.
Toshiro Mifune ist in einer Nebenrolle als Leiter einer gegnerischen Kampfsportschule zu sehen, der dann mit seinen Verbündeten plant, Ryunosoke auszuschalten.
Im Endkampf tötet Ryunosoke zahlreiche Gegner. Der Film endet mit einem eingefrorenen Bild seines verzerrten Wahnsinnsgesichts. Ob er den Kampf überleben oder selbst getötet wird, erfahren wir nicht mehr.
Herausragend. Fünf Sterne *****

Ein älterer Mann, der zwei oder drei Reihen vor mir saß, macht sich unbeliebt, indem er einen kräftigen und lauten Furz absondert.

22:30 Uhr
KIRU
1962, 35mm, Farbe
von Kenji MISUMI, mit Raizo ICHIKAWA, Shiho FUJIMURA, Mayumi NAGISA, Masayo BANRI, Junichiro NARITA

Auf einer Reise erlernt der junge Shingo Takakura eine Schwerttechnik, mit der er jeden Gegner bezwingt. Doch gerade diese Fähigkeit führt zu Auseinandersetzungen, die seine Familie das Leben kostet. Erschüttert will Shingo der Welt entsagen, doch sein Geschick mit dem Schwert zwingt ihn zum Dienst als Samurai. So gerät er in die politischen Unruhen der späten Edo-Zeit. Die Verfilmung eines Romans von Renzaburo SHIBATA zeigt in poetischen Bildern die Geschichte eines Kriegers, der an der Erfüllung seiner Verpflichtungen zugrunde geht.

Wie wir in der Einführung erfahren, flossen traumatisierende Erlebnisse des Regisseurs während des Zweiten Weltkrieges in die Filmhandlung ein.
Farbgestaltung und Choreographie der Kämpfe sind erstklassig. Leider ist die Handlung teilweise schwer nachzuvollziehen, da die Untertitel blass und dünn und kaum zu lesen sind.
Gelungen. Vier von fünf Sternen ****

Sonntag, 3. Juni
18:00 Uhr im Filmmuseum
13 ASSASINS (13 nin no shikaku)
1963, 16mm, schwarz-weiß
von Eiichi KUDO, mit Chiezo KATAOKA, Kotaro SATOMI, Ryohei UCHIDA, Kantaro SUGA, Kanjuro ARASHI

Der sadistische Feudalherrscher Matsudaira vergewaltigt eine Frau und ermordet deren Mann. Da er der jüngere Bruder des Shogun ist, wird das Verbrechen vertuscht. Ein Regie- rungsbeamter sieht die sich häufenden Verfehlungen als Bedrohung für die Zukunft des Samuraistandes und beauftragt heimlich Shinzaemon mit dem Attentat auf Matsudaira. Dies ist der Auftakt für ein fesselndes, aufwändig inszeniertes Katz-und-Maus-Spiel in pittoresken Landschaften, das 2010 von Takashi MIIKE neu verfilmt wurde.

Inhaltlich ist das durchaus sehr interessant, wobei sich die Handlung in zwei Teile aufteilt, die Vorbereitung und Planung sowie der Angriff. Die Darstellung des Überfalls ist nicht besonders gelungen. Es gibt einige logische Mängel, z.B. die Überlegenheit der Attentäter bei vergleichsweise minderwertigen Waffen. Auch scheinen die Überfallenen gelegentlich an Orte zu fliehen, die vorher von den Attentätern abgesperrt worden waren; das wären dann echte Anschlussfehler. Aber vielleicht irre ich mich auch. Die Szenenfolge bei den Kampfhandlungen ist etwas zu lange. Vieles wiederholt sich und das ist dann auch ermüdend; zehn bis zwanzig Minuten weniger hätten dem Film hier nicht geschadet.
Nicht ganz überzeugend. Drei von fünf Sternen ***

20:30 Uhr
RED PEONY GAMBLES HER LIFE (Hibotan bakuto – Hanafuda shobu)
1969, 35mm, Farbe
von Tai KATO, mit Junko FUJI, Ken TAKAKURA, Kanjuro ARASHI, Ritsu ISHIYAMA, Tomisaburo WAKAYAMA

Mit der RED PEONY-Serie setzte die Produktionsfirma Toei erstmals auf eine weibliche Hauptfigur in einem Yakuzafilm statt auf den sonst üblichen männlichen Helden und landete damit einen Überraschungserfolg. In der insgesamt achtteiligen Reihe reist die Glücksspielerin Oryu durch das Japan der Meiji-Zeit und wird in diverse Konflikte hineingezogen – die sie in letzter Konsequenz mit ihrem Kurzschwert lösen muss. Der hier gezeigte dritte Teil der Serie von Regisseur Tai KATO gilt mit seinen stimmungsvollen Farbbildern und den für KATO typischen Einsatz von niedrigen Kameraeinstellungen als einer der Höhepunkte der Serie.

Sehr unterhaltsam. Musik und Bildgestaltung sind vom Feinsten. Die Besetzung ist auch sehr gut. Der männliche Hauptdarsteller Ken Takakura war einer der japanischen Topstars in den 60er und 70er Jahren, spielte in diversen Hollywood-Produktionen mit Schauplatz Japan und wurde gelegentlich als "der japanische Clint Eastwood" bezeichnet. Etwas kitschig ist er aber schon. Allerdings ist es sehr interessant, mal wieder eine kämpferische asiatische Frauenfigur zu sehen. Wenn uns Hollywoods Marketingstrategen mal wieder etwas ganz Neues wie einen weiblichen Actionstar Marke WONDERWOMAN verkaufen möchten, ist das ein sehr schönes Beispiel.

Ausnahmsweise bin ich vor Mitternacht im Bett. Es war ein sehr interessanter und guter Jahrgang, was vor Allem den Filmen der Retro zu verdanken ist. Domo Arigato - Vielen Dank.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Betzwieser

Personifizierter Ärger über Meinungsmanipulation, Kino- und Kabarattliebhaber

Martin Betzwieser

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