Von Donald Trump als „Kämpfer gegen die Klimadiktatur“ gepriesen, blockieren wütende Bauern seit 2022 die Straßen der Niederlande. Ihre Anführerin Caroline van der Plas fuhr in Den Haag mit dem Traktor vor und gewann mit ihrer BoerBurgerBeweging (BBB) die diesjährigen Provinzwahlen. Grund des Protests ist die zunächst vom Verwaltungsgericht verordnete und von der inzwischen gestürzten Rutte-Regierung umgesetzte „Stickstoffpolitik“: Als drittgrößter Lebensmittelexporteur der Welt leidet das Land unter einer horrend hohen Stickstoffbelastung: 2012 bis 2015 betrug diese 171,8 Kilogramm pro Hektar (in Deutschland waren es dagegen 75,5). Der Staat will daher die Zahl der Nutztiere um bis zu ein Drittel verringern.
Die BBB holte
Die BBB holte im März landesweit 20 Prozent, in Tubbergen aber einen Rekord: 59 Prozent. Die ländliche Großgemeinde an der niedersächsischen Grenze hatte schon mehrere Aufstände erlebt: 1971 wurde aus Zorn über eine Flurbereinigung das Haus des Bürgermeisters abgefackelt, 2022 brannte eine geplante Asylunterkunft. Dazu die ewig schwelende Causa „Teergrube“, eine illegale Chemie-Deponie. Ich versuchte nun monatelang herauszufinden, warum diese ungewöhnlich katholische Ecke so rebellisch ist. Ich kam im Sommer dorthin und fand eine geordnete Idylle.Durch ein lichtschimmerndes Laubwäldchen ging es, vorbei an einer aufgestellten Wanderbank und dem Schild „Zur Teergrube“. Dann ins Zentrum, wo blonde Recken, die das Musikfestival „Festiball“ abbauten, eine marokkanische Oma, die sich im E-Rollstuhl umsah, zur Seite schubsten. Beim Herumfahren zog mich ein Milchbauernhof an. Kühe grasten auf der Weide. Ich sah einen zur Ferienwohnung ausgebauten Schuppen und ein aufrührerisches Plakat, leider war niemand zu Hause. Benannt nach einer Baumart mit hartem Holz, schien mir der Hof sehr typisch. Ich bombardierte die Besitzer wie alle Bauern im Gemeinderat mit Anfragen. Niemand reagierte.Der Wolf geht umAls ich im Herbst wieder nach Tubbergen fuhr, entkamen sie mir nicht mehr. Der Altbauer – schwarzer Overall, schwarze Gummistiefel, schwarz aufgequollene Fingernägel – rief den Jungbauern an, der sogleich mit einer Kanne Kaffee aus dem modernen Wohnflügel heraustrat. Sie waren freundlich, ihre durchdringenden Blicke und ihr brutal unverständlicher Dialekt schüchterten mich freilich ein.Ihr Hof hatte eine Tradition von 800 Jahren. Sie wussten noch nicht, was auf sie zukam: Die Kommission zum Messen der Emissionen sei noch nicht aufgetaucht. „Bei meinem Schwager waren sie schon“, erzählte der Altbauer, „er muss elf von seinen 40 Hektar zwecks Renaturierung verkaufen.“ Bauernaufstände seien bei ihnen „keineswegs Tradition“, auch die „Teergrube“ sei kein Problem mehr. „Es war nur zu teuer, das Zeug zu verbrennen, darum haben sie’s eingepackt.“ Ihre Frauen gingen arbeiten und seien Lehrerinnen. Der Jungbauer verlegte im Nebenjob noch Solarpaneele. Da sie ihre Kühe mindestens 150 Tage im Jahr auf die Weide trieben, kriegten sie 1,2 Eurocent mehr für den Liter Milch.Das Problem der Niederlande, so der Alte, „sind die vielen linken Parteien wie die Partei für die Tiere“. Als Folge habe er sogar schon einen Wolf gesehen, zuerst auf Facebook, dann mit eigenen Augen. Vater und Sohn sympathisierten klar mit der BBB. Die in der Großstadt Deventer lebende Caroline van der Plas sei zwar keine Bäuerin, habe aber „boerengedachten“ („Bauerngedanken“). Am 22. November finden vorgezogene Parlamentswahlen statt, und die BBB liegt in Umfragen bei acht Prozent, mit 18 Prozent führt die christlich-soziale Neugründung „Neuer Sozialvertrag“.Ich fragte sie, ob sie mit ihren 110 Kühen Großbauern seien. Der Altbauer sprach endlich auf Hochniederländisch – in sein Handy: „Wie viele Kühe hat der durchschnittliche niederländische Betrieb?“ Das Handy antwortete: „117“. Dann fragte ich noch, wie viel man pro renaturiertem Hektar bekäme. „100.000 Euro wohl“, rückten sie heraus. Das war etwa 20 Prozent über dem Marktpreis, sie verzogen jedoch missmutig den Mund. Der Jungbauer brachte eine zweite Kanne Kaffee. Er sei vorsichtig optimistisch, sagte er am Ende. Wenn er jedoch nach 800 Jahren der letzte Bauer wäre, fände er das tragisch.Placeholder infobox-1