Vielleicht ist es das Beste, Holger Haases dürftige Komödie Männertag nicht erst vor dem Hintergrund von so etwas wie Gegenwart zu betrachten. Sich nicht zu fragen, warum solch ein Film, der einer Ausstrahlung bei RTL entgegenstrebt, fürs Kino gefördert wird von Gremien in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Berlin-Brandenburg – mit einem Betrag von über einer Million Euro, der die Armut des Projekts deutlich hervortreten lässt.
Vielleicht ist es besser, sich Männertag schon filmarchäologisch zu nähern, von einer imaginierten Zukunft aus, als einen vergangenen und aus dieser Perspektive dann rührenden Versuch, etwas mit begrenzten Mitteln in deutscher Landschaft nachzubauen, was den Machern des Films im Hollywood-Kino offenbar gefallen hat: eine popkulturell aufgeladene Buddy-Komödie im Stile der Junggesellenabschiedseskalation Hangover (2009), die zugleich als vehemente Augenblicksbeschwörung („Die Nacht unseres Lebens!“) und permanenter Pubertätsrückfall (mit Nietzsche: „Im echten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen“) daherkommt.
Den Verweis auf das Vorbild der „amerikanischen Männerkomödien“ haben die Drehbuchautoren und Produzenten Ilja Haller und Philip Voges selbst geliefert im Zuge eines Drehberichts zu Männertag, wobei man die daraus folgende Produktionsmotivation durchaus in Zweifel ziehen kann. „Ein Genre, das hierzulande eher unterrepräsentiert ist“, wäre eine sogenannte Männerkomödie bestimmt nicht.
Vielmehr ließe sich durch dieses „Genre“, und ebenfalls mit dem Abstand von etwas Zukunft, vielleicht einmal die Geschichte der jüngeren deutschen Komödie (als Synonym für die einzig kommerziell erfolgreichen Kinofilme neben den staatstragend-wiederkehrenden Verwurstungen von deutscher Geschichte) schreiben. Denn im Mittelpunkt aller deutschen Bemühungen um Lustigkeit in großem Stil steht, angefangen mit Doris Dörries Hit Männer … von vor 30 Jahren, der tendenziell aufgeschlossene, aber potenziell verhaltensstarre Mann als unbewusst problematische Seite von so etwas wie Gleichstellungspolitik.
Auftritt Münchener Freiheit
Seit dem leicht augenrollenden „Ihr wisst schon“-Punktpunktpunkt von Dörries Filmtitel macht es der „Mann“ in Einzahl (Der bewegte Mann, 1994) und Mehrzahl (Männerherzen, 2009 und 2011), als Adjektiv (Irre sind männlich, 2014, ebenfalls von Philip Voges und Ilja Haller) und auf Englisch (What a Man, 2011) relativ leicht, eine deutsche Komödie schon auf dem Filmplakat als solche zu identifizieren. Dass sich in die Reihe der möglichen Komposita nun auch Männertag fügt, hat Autorproduzent Haller als innovative Zwangsläufigkeit erklärt: „Uns ist aufgefallen, dass noch kein Film darüber gemacht wurde, obwohl der Tag doch auch eine Art Label ist.“
Die Frage ist aber immer noch, wofür? Zur stumpfen teutonischen Saufleidenschaft, die sich an Christi Himmelfahrt auf ästhetisch lausigste Weise Bahn bricht, verhält sich der Film ambivalent: Einerseits fährt er ein sogenanntes Bierbike auf, mit dem durch die Gegend tourend sich vier Jugendfreunde ihrer tiefen Freundschaft versichern wollen. Andererseits betreibt der Film ein Programm der Ernüchterung, bei dem jeder irgendwann die Distanz zu seinen Kindheitsträumen eingestehen muss im Modus beziehungsähnlicher Problemdiskussionen.
Dieter, der fünfte im Bunde, ist am Alkohol gestorben (aber irgendwie auch an einem letztlich verunglückten Selbstmordversuch) und zwingt die Freunde zur Beerdigungsrunde auf dem skurrilen Gefährt: den koksenden Schauspieler Chris (Youtuber-Vermarkter Tom Beck), den kindererziehenden, schreibkriselnden Autor Klaus-Maria (Axel Stein), den transsexuellen Fitnessstudio-Animateur Peter (Oliver Wnuk) und Lehrer Stevie (Milan Peschel).
Dazu kommen Stevies unglücklich verliebter Teenagersohn Paul (Chris Tall) und eine von der Filmproduktion entsandte Anstandsdame für Chris (Lavinia Wilson). Als redundanter Konflikt wird die ständige Begegnung mit der stärkeren, früher scheinbar cooleren, heute als historischer Rollenspieler aber eher depperten Konkurrenzclique um Andi Mauz (Hannes Jaenicke) herbeigeführt. Regression bedeutet in der deutschen Männerkomödie tatsächlich die nicht enden wollende Kindheit (und nicht etwa die Chance, mit gereifter Fantasie pubertäre Fixierungen und Gags auf die Spitze zu treiben).
Männertag erscheint als Beispiel dafür, wie sich die kontrollierte Verwüstung, die ein Film wie Hangover anrichtet, als Gruppentherapie selbst domestiziert. Wo in den Vorbildern auf den Schlamm gehauen wird (Las Vegas), regiert hier inszenatorische und erzählerische Flickschusterei: Die im Prolog aufgesagten Kindheitsträume sind von ebenso trostloser Billigkeit wie die langweilige bayrische Landschaft, durch die das Bierbike rollt. Bei einem Zwischenstopp gibt es einen unentschieden ins Bild gesetzten, von wohlwollenden Komparsen begleiteten Auftritt der Münchener Freiheit, auf dem Höhepunkt einen mit hübsch trashigen Special Effects entworfenen Stunt und zwischendurch immer mal wieder grobpixelige Drohnenbilder von Kleinstadtidyllen, die ohne den Film drumherum Verwendung bei der Tourismuswerbung von Weißenstadt finden könnten.
Offen bleibt, was ein Schauspieler wie Milan Peschel in der Besetzung eines Films wie Männertag sucht, dessen darstellerische Ansprüche vom grobmotorischen Grimassieren Hannes Jaenickes auf adäquate Weise erfüllt werden.
Info
Männertag Holger Haase D 2016, 91 Minuten
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