Was von Karl Gass bleiben wird, ist ein Hinweis. Im Vorspann eines jeden Films von Winfried Junges Langzeitbeobachtung Die Kinder von Golzow steht: „Nach einer Idee von Karl Gass“. Auch wenn Gass im letzten Jahr (Freitag 14/08) den Wunsch bekräftigt hat, seiner einst ob der eigenen Filme zu gedenken, so ist sein Verdienst dadurch gut charakterisiert: Karl Gass war ein Anreger. Er hat die Dokfilmwoche in Leipzig mitbegründet und die Arbeit in „Gruppen“ im zentralistischen Defa-Studio geprägt, war Lehrer und schützende Hand für zahlreiche Regisseure, dazu gutmütig-strenger Lehrmeister des ostdeutschen Fernsehpublikums der Quiz-Sendung Sind Sie sicher?
Der Sohn eines Autoschlossers und einer Verkäuferin studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre. Als Ruderer wäre Gass fast bei Olympia gewesen, dem Krieg versuchte er sich nach eigenen Angaben durch unzählige Lehrgänge zu entziehen. 1946 landete Gass eher zufällig beim NWDR, wo er unter Karl-Eduard von Schnitzler in der Wirtschaftsredaktion arbeitete und diesem im frostiger werdenden politischen Klima in die DDR zum Berliner Rundfunk folgte. Politisiert wurde Gass, wie er selbst sagte, in britischer Kriegsgefangenschaft. Aus seinen weltanschaulichen Überzeugungen hat er, nach dem Ende der DDR mit spürbarer Bitternis, kein Geheimnis gemacht; bis zuletzt war er als Dokumentarist tätig.
Karl Gass war eine widersprüchliche Figur. Mit Schaut auf diese Stadt drehte er 1962 einen „ganz scharfen“ Propagandastreifen, mit Asse (1964) ein diskussionsfreudiges Sittengemälde der sozialistischen Produktion. Gass war Funktionär und Freigeist, im Film weniger Künstler als vielmehr Journalist und Historiker. Sein letzter Film hieß 1990 Nationalität: deutsch, auch das ein Charakteristikum: Bei aller Parteinahme blieb Gass eine gesamtdeutsche Figur. Am 29. Januar ist er im Alter von fast 92 Jahren gestorben.
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