Menschliche Buchstaben

Type Wie Lucas de Groot auf die Idee kam, eine neue Schrift zu entwerfen

Kyrillische Kleinbuchstaben sehen aus wie kleine Versalien." Für die meisten Menschen mag ein solcher Satz allein als Ausdruck einer ganz eigenen Form von Poesie verständlich sein. Für Lucas de Groot bezeichnet er ein Problem. Kein großes Problem, denn de Groots Stimme ist so ruhig wie die Atmosphäre in der "Fontfabrik", seinem Büro in einem Hinterhof in Berlin-Schöneberg. Dort sitzen manchmal drei, manchmal sieben Leute vor Bildschirmen, die man größer noch nicht gesehen hat, und schauen auf Darstellungen, die der gewöhnliche Computernutzer nur kennt, wenn er für sein Word-Dokument nach Sonderzeichen sucht.

Lucas de Groot ist Schriftgestalter, von ihm stammt die Type TheAntiqua, in der der Freitag künftig gesetzt wird. Typograf? Kein Berufswunsch für früheste Kindheitstage, eher das Ziel, das erst allmählich, im Laufe von Jahren, erkennbar wird. 1963 in den Niederlanden geboren, studierte de Groot Grafikdesign in Den Haag. Bei Gerrit Noordzij, einem "großen" Typografen, wie de Groot sagt, auch wenn der keine populäre Schrift entworfen hat. Das Studium umfasst wie die Arbeit danach alles, was zum Corporate Design gehört. Aber wenn es um die Schriften geht, landen die Aufgaben immer häufiger bei ihm. 1993 kommt Lucas de Groot nach Berlin, arbeitet erst bei einer großen Firma, unterrichtet später, mittlerweile seit zwölf Jahren, an der Fachhochschule in Potsdam, und verbringt vor allem die Zeit damit, seine Schrift weiterzuentwickeln. Die heißt "Thesis", ist eigentlich eine ganze Familie, zu der auch TheAntiqua gehört, und die Arbeit daran dauert Jahre. Die kyrillischen und griechischen Varianten sind fertig, gerade geht es um die arabische Version. Vielleicht ist de Groot deshalb so ein ruhiger Mensch. Man braucht Geduld.

Wie kommt man darauf, eine neue Schrift zu entwerfen? Es habe einen Bedarf gegeben an einer serifenlosen Schriftfamilie mit vielen Gewichten und echten Kursiva. Gewichte meint die Fettungsgrade einer Schrift, da gibt es mittlerweile 15, die ganz dünnen, "Hairlines" genannt, die künftig im Kultur- und Alltagsbuch des Freitag zum Einsatz kommen werden, hat de Groot extra noch einmal angepasst. Für die Lesbarkeit, sagt de Groot, ist die Schriftart gar nicht so entscheidend. Es geht viel mehr um das Verhältnis von Klein- und Großbuchstaben, das Verhältnis von Schwarz- und Weißräumen, den Abstand zwischen den Buchstaben. Spationierung heißt letzteres, und die wird im neuen Freitag großzügiger ausfallen.

Am häufigsten charakterisiert de Groot seine eigenen Schriften mit dem Attribut "menschlich". Nicht zufällig sollen seine Druckbuchstaben an den Fluss und die Dynamik der Schreibschrift erinnern, nicht so hart und aufrecht dastehen wie die berühmte Helvetica oder die Univers. Das wirke autoritär, gerade in einer Sprache mit vielen Großbuchstaben. Lucas de Groot macht "weiche" Schriften, verwendet werden sie nicht nur vom Freitag, sondern auch bei Spiegel, ARD, Le Monde, Taz und Jungle World. Moment! Der Freitag, Taz, Jungle World, im Zweifel der Spiegel - entwirft de Groot am Ende so etwas wie eine "linke" Schrift? "Das will ich hoffen", sagt er und schmunzelt.

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