Klaus Kinski war seine eigene Kategorie, und das konnte man schon in diesen merkwürdigen Edgar-Wallace-Filmen sehen, für die deutsche Schauspieler in den sechziger Jahren in ein schwarz-weiß-gruseliges Studio-London versetzt wurden. Kinski spielte da die schwachsinnigen Bösewichter, die Psychopathen, weswegen man glauben konnte und lange geglaubt hat, das sei der Grund, warum er so aus dem Rahmen falle, neben dem drolligen Eddi Arent, dem smarten Heinz Drache, dem netten Blacky Fuchsberger.
Je länger Kinski aber tot ist, bald werden es 20 Jahre sein, desto mehr öffnet sich sein Werk einer Neubewertung. Und dann wird man womöglich feststellen, dass Kinski deshalb die Verrückten spielen musste, weil das in stiefmütterlichen Filmen die Rollen sind für Schauspieler, deren Vermögen nicht auf ein Adjektiv reduzierbar ist. Wo die anderen wie Angestellte eines Filmbetriebs wirken, die morgens ihr Kostüm anziehen und abends Feierabend machen, erscheint Kinski als Gestalt eines Ozeans an darstellerischer Tiefe und gestalterischen Möglichkeiten. Das Dilemma von Kinskis Wirken bestand darin, dass im Film außer Werner Herzog kaum jemand erkannt hatte, wozu der Schauspieler fähig war.
„Aber ich kann mich darauf verlassen, dass ich in meinem Schicksal aufgehoben bin, das ist mein Kostüm, als hätte ich es immer getragen“, ist ein Kinski-Satz, der nun in dem Hörspiel Klaus Kinski. Um mich herum ist es dunkel – und in mir wächst das Licht zu vernehmen ist. Das Werk besteht nur aus Kinski-Sätzen, kompiliert hat sie Peter Geyer, der sich für die Kinski-Neubewertung etwa durch eine Edition mit Fernsehinterviews verdient gemacht hat (Kinski Talks, bislang sind zwei Folgen erschienen).
Falsche Zungen
Es ist fast ein wenig schade, dass man kurz vor Ende des 50-minütigen Hörspiels (Regie: Michael Farin, Komposition: zeitblom) ein paar Sätze hören kann, die von Kinski selbst gesprochen sind. Denn der große Reiz der Erzählung, die sich autobiografisch orientiert, besteht in der akustischen Abwesenheit von Kinskis mächtiger Stimme – in der Differenz, die sich durch den bewussten Einsatz von falschen Zungen ergibt, mit denen Kinskis Stimme zum Sprechen gebracht wird.
Die Partitur von Kinskis schönem, lyrischem, ausuferndem, endlos nach Attributierungen suchendem Text ist aufgeteilt unter Ulrich Matthes und Blixa Bargeld, Sänger der Einstürzenden Neubauten; Nadeshda Brennicke hat zwei kurze Auftritte als quasi auktorialer Kontrast. Der Wechsel zwischen Matthes und Bargeld ist spannungsreich, weil er Kinskis Stimme nicht festlegt – nicht auf Matthes unbestrittene und virtuose Meisterschaft, die dennoch etwas Verwaltung hat auf hohem Niveau, noch auf Bargelds leicht räudige Vulgarität. Die Musik, gespielt von zeitblom, Stefan Weyerer und Bargelds Band-Kollegen Jochen Arbeit, dramatisiert, wo der Text anschwillt, durch dezentes Geticker oder metallischen Hall, schafft aber auch versonnen-entspannte Momente an der Gitarre.
Die Dramaturgie macht aus Kinskis Lebenstext einen Berg, an dem Matthes und Bargeld immer wieder neu ansetzen müssen, um ihn erklimmen zu können. Am Ende, auf dem Gipfel, fängt Blixa Bargeld an zu singen, unmerklich erst, aber konsequent. Und das zeugt von jener Verführung, die Klaus Kinski als Schauspieler gewesen ist und die eine große Verwandlung bedeutete: aus Sprache Musik zu machen.
Klaus Kinski. Um mich herum ist es dunkel und in mir wächst das Licht von Michael Farin, Peter Geyer, DLF/HR, 2011. Ursendung 18. Oktober, 20.10 Uhr, Deutschlandfunk
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