Pech und Schwafel - Stein und Bein

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Oh Mann.

In dubio pro reo heißt es ja, doch es fällt mir immer schwerer diesen Grundsatz auch bei Profisportlern gelten zu lassen, die unter Dopingverdacht stehen. Oder Leistungen erbringen, die einfach übermenschlich sind. Dabei geht es nie um den Ausreisser nach oben. Der Lauf des Lebens eines hochtalentierten, disziplinierten Sportlers. Davon lebt der Sport, die Show im besten Sinne. Aber Weltrekorde fallen ja heute in einigen Disziplinen monatlich, hat man das Gefühl. Mit diesem korrumpierten System will ich nichts mehr zu tun haben, wo Funktionäre in Anzügen über einen Sport entscheiden, den andere Menschen mit Herzblut ausführen.

Gestern hat Claudia Pechstein im Sportstudio des ZDF versucht ihre Ehre und Karriere zu retten. Wobei man eigentlich sagen muss, eigentlich ist das Bestreiten von Dopingvorwürfen im Sportstudio schon der Beginn des Endes, zumindest in der jüngeren Vergangenheit folgte einem "Ich habe nichts verbotenes getan" im Sportstudio der sportliche Abstieg. Frau Pechstein hat keinen guten Eindruck gemacht, so sehr ich ihr glauben wollte, kann ich es nicht. Wer sagt: "Ich bin nie positiv getestet worden" kann auch sagen, "Ich weiß halt, wie es geht". Angel Heredia hat im Spiegel einmal gesagt, das nur die erwischt würden, die nicht genug Geld ausgäben oder sich blöd anstellten. In Pechsteins Fall handelt es sich um eine neue Methode, die indirekt auf Doping mit Epo hinweist und den Retikulozyten-Wert bestimmt, dieser steigt bei der Einnahme von Epo. Dieses Verfahren ist interessant, weil Epo eine Halbwertzeit von ca. 20 Stunden hat, die Retikulozyten-Zahl jedoch noch deutlich länger erhöht bleibt und auch schlechter zu verstecken ist. Sie war also vielleicht einfach nur Unwissend.

SPON hat über den Auftritt im Sportstudio auch etwas zu sagen, wer sich noch mal richtig aufregen will, bitte.

Wenn ich mir das Geschehen in den Medien so ansehe, kann ich gar nicht soviel essen, wie ich mich übergeben möchte. Die kritischen Töne beschränken sich vor allem auf den Radsport und werden nur an anderer Stelle nur benutzt, wenn jemand in investigative Vorleistung getreten ist.

Im Biathlon und Skilanglauf werden in den nächsten Jahren einige Helden fallen. Namen kann ich nicht nennen, weil ich das Geschehen aus den oben genannten Gründen nur am Rande verfolge aber abgesehen davon, das dieser Sport für Doping prädisponiert ist, verdient man mittlerweile auch richtig Geld damit. Biathlon und Langlauf ist der neue Radsport. In diesem Fall kann der Klimawandel nur gutes bringen.

Der Fussball ist wahrscheinlich so verseucht, das alle anderen Sportarten zusammen wie Schuljungen aussehen. Da kann ich natürlich viel behaupten und zetern, doch Thomas Kistner hat für die Süddeutsche einenn schönen Artikel zu dem Thema verfasst. Wer sich nicht durch den ganzen Artikel kämpfen will, dem sei hier der "schönste" Absatz gezeigt:

"Bis heute ist ungeklärt, ob Sepp Herbergers Recken den 0:2-Rückstand im WM-
Finale 1954 gegen spielerisch dominante Ungarn nur mit Traubenzucker im Blut umbogen oder was sonst in den Spritzen in der Weltmeister-Kabine war. Ungarns Kapitän Ferenc Puskas vermutete Doping. Franz Loogen, damals DFB-Teamarzt, schwört, er habe nur Placebos gesetzt. Sporthistoriker haben indes massive Argumente dafür gesammelt, dass die Wunder-Elf mit Pervitin hantiert hat. Pervitin ist ein stimulierender Stoff, der schon 1954 laut einer Studie des Freiburger Doktoranden Oskar Wegener als »stärkste und anhaltendste« Droge galt: Das Mittel vertreibe »jedes Müdigkeitsgefühl und durch seine euphorische Komponente das Startfieber, da hier der Drang zum Sieg jedes Bedenken überwiegt«. Bei Athleten steige die Leistungsfähigkeit bis zu 25 Prozent.

(...)Nachweislich wurde in Bern viel gespritzt; warum Injektionen riskiert wurden, wenn es doch nur um Glukose ging, kann bis heute niemand erklären. Obwohl die Frage dramatisch ist: Viele Berner Helden erkrankten an Gelbsucht, einige starben sogar an Leberzirrhose.
"

Aber das ist ja lange her, das waren ganz andere Zeiten. Wer "Ivan Klasnic" "Nierentransplantation" und/oder "Diclofenac" bei Google eingibt bekommt Einblicke in die dunkle Seite dieses Sports.

In der Leichtathletik wird vor allem im Sprintbereich ordentlich gespritzt, vermutlich auch bei Stoßern und Werfern. Im Mittel- und Langstreckenbereich kommt man ohne nicht mehr ins Finale. Bei Meisterschaften sollte man sich also Vorläufe und Viertel und Halbfinals anschauen, wenn man sauberen Sport sehen will.

Eine kleine Randnotiz wert könnte auch die Reaktion von Matthias Steiner sein. Im Sportstudio wurde er nach seinem Olympiasieg empfangen und mit den Dopingvorwürfen gegen einen seiner Konkurrenten konfrontiert. Seine Reaktion war abwiegelnd, zögerlich, nicht der Rede wert. Deswegen ging man auch nicht weiter darauf ein. Einem solchen Sympathieträger und Witwer werden keine kritischen Fragen gestellt, das wäre geschmacklos.

ps. Warum stehen denn bitte Sport und Ernährung bei den "Themen" zusammen?

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Geschrieben von

merdeister

Ein guter Charakter erzieht sich selbst. - Indigokind - Blogtherapeut

merdeister

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