Einar Schleef als Maler in Halle

Ausstellung Wer ab heute zur Himmelsscheibe von Nebra nach Halle pilgert, sollte die folgende Ausstellung auf keinen Fall versäumen: Bis Mitte Juli zeigt die ...

Wer ab heute zur Himmelsscheibe von Nebra nach Halle pilgert, sollte die folgende Ausstellung auf keinen Fall versäumen: Bis Mitte Juli zeigt die Stiftung Moritzburg den malerischen Nachlass Einar Schleefs. Schleef, 1944 im nahen Sangerhausen geboren und aufgewachsen, bereits 1963 zum Kunststudium nach Berlin gekommen, ist einer, der 1976 den muffigen Staat verlassen und als Regisseur und Schriftsteller vorwiegend in West-Berlin gelebt und gearbeitet hat. Er starb am 21. Juni 2001 in Charlottenburg an Herzversagen.

Das Heimholen versteht sich in Halle als ein Einholen: der Provinz einen widerständigen Geist wiedergeben. Schleefs Erben überließen 158 Gemälde und über 6.000 Zeichnungen der Stiftung Moritzburg, aus denen diese nun einen repräsentativen Querschnitt des bisher unbekannten Werks zeigt. Und zwar nicht im trutzigen Stadtschloss, sondern im einstigen Centrum-Warenhaus, später Karstadt, in wuchtiger Siebziger-Jahre-Waschbetonarchitektur auf der Saale-Insel. Dort kann man sich auf 3.000 Quadratmetern ausbreiten. Und die sind für die Schleef-Ausstellung hervorragend genutzt. Der weite Raum ist vielleicht etwas zu dunkel, der Tresen im Eingangsbereich zu weit in die Tiefe gerückt und auch das Zusammenstellen der großen, querformatigen Deutschlandbilder zu Diptychen mag nicht einleuchten.

Doch das sind die einzigen Monita, die anzubringen wären. Ansonsten wird Schleefs Bildern ein angemessener Rahmen gegeben: In neun langen Reihen stehen leicht gegeneinander gekippte, graue Holzwände, auf die die Zeichnungen gehängt, auf deren Querleisten die Bilder gestellt sind. Statt chronologisch vorzugehen, fasst der Kurator der Ausstellung, Michael Freitag, Werkgruppen zusammen und überlässt es dem Betrachter, Entwicklungen, Brüche und Kontinuitäten festzustellen. Denn es verblüfft, mit welcher Virituosität schon der junge Schleef seine Zeichnungen als Student und später die Malerei mit Plakatfarben vorträgt. Seine öffentliche Kritik an dem biederen Staatsmaler Heinrich Burkhardt führte bereits nach zwei Semestern an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee 1965 zur Exmatrikulation. Dennoch wurde ihm wohl auf Betreiben Walter Womackas dort eine Tür offen gehalten. Schleef kehrte jedoch nicht zur akademischen Malerei zurück. Er studierte Bühnenbild.

Trotzdem blieb er der Malerei als eigenständigem Medium treu. Er beherrschte es mit sicher expressivem Pinselstrich. Selten gibt es wie in Mütter oder O.T. (Berlin ein Meer des Friedens) Bezüge zu seinen Inszenierungen auf dem Theater. Doch nie verstehen sich seine figurativen Farblandschaften als Entwürfe für die Bühne, vielmehr als Experimentierfelder auf der Suche nach eigenem Ausdruck. Souverän bediente er sich dabei solcher Vorbilder wie Nolde, Dix, Modigliani, Buffet oder Immendorf und Hödicke. Schleef trägt das mit Leichtigkeit und Intensität vor, weit vom bloß Epigonalen. Zum Beeindruckendsten gehört die 18-teilige Serie aus den Jahren 1978 bis 1983 Die Klage, mit der der Besucher am Ende der Ausstellung konfrontiert wird. Auf jeder Tafel zeichnet sich wie hinter der angelaufenen Scheibe einer Telefonzelle schemenhaft eine Gestalt mit gesenktem Kopf ab. Sie strahlen Vereinzelung, Stillstand, Unruhe aus. "Ein Epochenbild des kalten Krieges," wie Michael Freitag im Katalog schreibt. Und auch wenn man Einar Schleef damit nicht gleich in eine Reihe mit Gerhard Richter stellen möchte, wie es der Kurator tut, bleibt für den Künstler jedes weitere Kompliment.

Einar Schleef. Der Maler, Stiftung Moritzburg, Ausstellung im ehemaligen Karstadtgebäude, Mansfelder Straße 15, Halle/ Saale, bis 20. Juli

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