Familientheater von She She Pop

Bühne Berlin-Kreuzberg, das Hebbel am Ufer 2 am vergangenen Samstag. Die Theatertruppe um Johanna Freiburg und Berit Stumpf She She Pop hat mit ihrem ...

Berlin-Kreuzberg, das Hebbel am Ufer 2 am vergangenen Samstag. Die Theatertruppe um Johanna Freiburg und Berit Stumpf She She Pop hat mit ihrem "Familienalbum" Premiere. Trotz Streik der Berliner Verkehrsbetriebe waren alle da: Der Tom war da, die Amelie, die Claudia, der Dirk, der Alexander, sogar die Annika aus Basel und viele, viele mehr aus der Berliner Premierengängergemeinde. Gut gestimmt und heiter - wie meist bei solchen Familientreffen - ging es etwas verspätet in den Saal. Dort nahm die mumienartig vermummte, doch ebenso heitere Truppe ihr gut sechzigköpfiges Publikum mit Sekt und Selters in Empfang. Dann wurde man zum Mitsingen animiert: "So grün, so grün der Wald nur ist." Das war schon ganz gelungen. Weder Tom noch Annika konnten sich dem entziehen. Und Amelie singt bei diesen Gelegenheiten ohnehin gern aus voller Brust. Die Stimmung war aufgekratzt. Trotz der Differenz von Mumienkostümierten hier und Nichtkostümierten dort vermittelte dieser Auftakt bereits, wie man es von She She Pop kennt, dass man auch ohne Kostüm dazu aufgerufen ist, sich als Mitspieler zu verstehen, sich also als Teil der Theaterfamilie zu begreifen. Ein Stück weit sind wir ja gern bereit, dem zu folgen. Also machte dabei schon mal einer der Truppe Videoaufnahmen, wie sich´s bei She She Pop gehört, und bevor es dann zu gemütlich wurde, hatte man das Publikum, respektive die Familie an einem großen Tisch platziert.

Der war mit freier Sicht auf die Videoprojektion in einem großen U gedeckt, und man darf sich die Stimmung unter den Kronleuchtern so vorstellen, als wäre man bei Dreharbeiten zu Billy Wilders Some like it hot gelandet, - die Szene, als die ganze Mafiabande an der weißen Tafel sitzt und darauf wartet, dass Big Daddy die Torte herein schieben lässt. Bei Wilder springt bekanntermaßen statt der erwarteten Lady ein Gunman aus der aufgetürmten Süßware und mäht eine Hälfte der Familie nieder. Doch wir sind hier bei She She Pop, und da kommt diesmal keine Torte, kein Surprise.

Was folgte, ist rasch beschrieben: Die Johanna, die Berit und ein paar andere der She-She-Pop-Mitglieder setzten sich an ihr persönliches Familienfotoalbum, das wir auf der Leinwand auch sehen konnten, und erzählten launig, wer zum Beispiel 1978 gerade so eine lustige Frisur oder eine neue Brille trug und was die Schwester links im Bild heute so macht. Der Spannungsgrad dieser Vorführungen, alternierend zu einem zweiten Setting präsentiert, entsprach ungefähr Onkel Heinz Urlaubsdiashow. Aber durfte man dort, wenn auch gelangweit, bloß zuhören, war hier das Publikum dazu aufgerufen, Familie zu spielen. Ein Mumienmännchen stellte sich jetzt hinter jemanden im Publikum, dem sie vorher ein Schildchen hingestellt hatten, auf dem zum Beispiel stand: Onkel, Großmutter, das Schwarze Schaf und so fort, und soufflierten ihm über Microport die vorgeschriebene Rolle. Nun war am Ende ärgerlich, dass dabei auch noch die dümmsten Klischees abgerufen wurden und keiner es wagte, die soufflierten Texte abzubrechen oder zu konterkarieren. Viel ärgerlicher an dieser Mitspielveranstaltung aber war, dass She She Pop offensichtlich nicht darauf eingerichtet war. Auf Zwischenrufe oder ein Spiel, das nicht bloß von Statisten lebt, wollte sich She She Pop nicht einlassen. So setzte man auf den Selbstdarsteller in jedem von uns, und offensichtlich ließen sich da einige im Publikum ganz gerne abholen. Allerdings, so muss man unterstellen, erst nachdem sie das Mitdenken an der Garderobe abgegeben hatten.

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