Nachdem 30 US-amerikanische Offiziere herausgefunden haben, dass beim Management von unter anderem in Deutschland gelagerten Atomwaffen erhebliche Sicherheitsmängel auftreten - zur Bewachung werden manchmal Wehrpflichtige mit weniger als einem Jahr Diensterfahrung eingesetzt -, hat das deutsche Parteienspektrum wie gewohnt reagiert. Alle Oppositionsparteien und etliche SPD-Politiker fordern den Abzug der Waffen. Die Unionsparteien verweisen auf das Weißbuch der Bundesregierung. In dem heißt es, auf die glaubhafte Abschreckungsfähigkeit auch nuklearer Mittel könne nicht verzichtet werden. Interessanter ist die Ebene darunter: Die Union will keinen Streit mit dem Pentagon, der die "Konsolidierung" der europäischen Lagerstätten plant; aber die Waffen haben fürs Pentagon gar keine strategische Bedeutung mehr. Ihre Bedeutung liegt eigentlich nur darin, dass sie von Terroristen gestohlen werden könnten und man das natürlich verhindern muss, aber eben nicht indem man sie abzieht. Mit anderen Worten: Man braucht sie, um den Diskurs eines "Weltkriegs gegen den Terror" aufrechterhalten zu können. Sie dienen nicht der Abschreckung, sondern der Aufschreckung.
Aufschreckung
Geschrieben von
Michael Jäger
Redakteur (FM)
studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. an der Universität Innsbruck für poststrukturalistische Philosophie inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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