Die Klimakatastrophe demokratisch zu stoppen, ist unmöglich! Liegt das nicht auf der Hand? Jahrzehntelang haben wir sie kommen sehen, Wissenschaftler und auch Parteien haben unablässig vor ihr gewarnt, die Regierungen rühren sich aber nicht vom Fleck. Wenn sie überhaupt etwas tun, dann postulieren sie Ziele.
Nun ist es noch niemandem gelungen, ein Ziel zu erreichen ohne den Einsatz wirksamer Mittel – von denen ist aber keine Rede! Wohl werden auch Mittel eingesetzt, deren Wirksamkeit die Regierungen behaupten. Auch das aber schon seit Jahrzehnten. Zum Beispiel soll die Energieeffizienz steigen und tut es auch wirklich ununterbrochen. Und der CO2-Anstieg geht immer weiter … Lösungsorientierte Menschen würden sich nun eigentlich sagen, „wir haben unsere Mittel überschätzt, setzen wir nun andere ein, die wirksamer sind“. Das geschieht nicht. Man hat den Eindruck, dass die Regierungen nur so tun, als seien sie an einer Lösung interessiert. Ihr Interesse ist nur, im Amt zu bleiben. Und es gelingt ihnen! Sie werden gewählt! Was nützt uns so eine Demokratie?
Die Regierungen trauen sich nicht, die Leute vom Konsum gewisser Güter abzuhalten, deren Produktion und Gebrauch das Klima belastet, oder sie ihnen gar zu verbieten. Denn dann würden sie nicht gewählt. Der Versuch, solche Güter den Leuten derart zu entziehen, dass sie es für Schicksal halten, scheitert Mal für Mal. Denn sie sind ja nicht blöd. Wenn sie sich kein Auto mehr leisten können, weil es zu teuer geworden ist, haben sie in der Zeitung den Grund gelesen: Die Regierung hat die Erhöhung des Preises erzwungen.
Nun treten Linke auf den Plan und sagen, das Kapital solle die Kosten allein tragen, denn die Leute seien gar nicht schuld. Gut, aber wie ist das gemeint? Soll ein Unternehmer für den Schadstoff zahlen, der bei der Produktion anfällt, und es nicht auf den Endkonsumpreis aufschlagen? Das wäre ökonomisch absurd. Auch „gesellschaftliche Kosten“ sind „Gemeinkosten“ und solche schlägt man auf, andernfalls müsste defizitär und das heißt, würde gar nicht produziert werden. In Paris wäre der Café crème nicht mehr teuer, weil es gar keine Bars mehr gäbe.
Die Klimakatastrophe gibt es deshalb, weil zu viele schadstoffintensive Waren verkauft werden, darunter zu viele Autos. „Zu viel“ nicht nur unter dem Aspekt der puren physikalischen Folgen, sondern auch unter dem des Nutzens. Die Autoindustrie gibt Studien in Auftrag, um herauszufinden, wie man noch Senioren welche aufschwatzt, die kaum mehr das Steuer halten können.
Und die Leute kaufen gern. Wenn nicht Autos, dann anderen nutzlosen Konsum. Das nennt man den Konsumismus. Am Konsumismus ist in der Tat das Kapital schuld. Den Mechanismus beschreibt der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger in seinem neuesten Buch Der Wachstumszwang: „Immer weniger sind es ungesättigte Bedürfnisse, welche das Wachstum in entwickelten Volkswirtschaften antreiben, sondern das Bemühen der Unternehmer, stets neue Wachstumspotenziale zu schaffen. Rein technologisch ist dies kein Problem. Der Engpass liegt bei den Konsumenten, die von Treibern zu Getriebenen des Wachstums geworden sind, indem man ständig versucht, sie zu weiterem Konsum zu animieren.“
Konsumismus statt Religion
Das Kapital will Profit machen, es maßt sich an, zu entscheiden, was produziert wird – es ist schuld. Das Problem ist nur, dass es ihm auch gelingt, die Leute zu begeisterten Käuferinnen seiner Waren zu machen. Wenn der Staat den Autopreis erhöht, rebellieren sie an der Seite des Kapitals. Deshalb tut der Staat lieber gar nichts. Das ist unsere Demokratie.
Doch auch eine Diktatur würde nicht helfen. Was sollte denn ihr ökologisches Ziel sein? Die Erzwingung der wahren Preise unter Einbezug der gesellschaftlichen Kosten? Das ginge allerdings nur diktatorisch. „Gelbwesten“ oder ähnliche Bewegungen, die sich irgendwo auf die Straße trauen, würden militärisch niedergeworfen. Aber solche Diktaturen brechen zusammen. Die Leute würden ja sehen, dass der ökoschädliche Konsum ganz einfach fortgesetzt würde, mit dem Unterschied nur, dass nur noch die Reichen ihn sich erlauben könnten. Sie stünden am Straßenrand, sähen Autos vorbeifahren und wüssten, da sitzen die Reichen drin. Das funktioniert nicht. Nur eine Diktatur, die lediglich den Unternehmern die Hände bindet, könnte helfen, wenn nämlich die Menge der Autos, die produziert werden dürfen, und auch anderer schädlicher Waren begrenzt würde. Auch das führt aber nur weiter, wenn mit der Menge zugleich auch der freiwillige Bedarf zurückgeht. Denn sonst käme wieder nur heraus, dass die Preise steigen und nur die Reichen kaufen. Wo aber der Bedarf freiwillig zurückgeht, ist es keine Diktatur mehr.
Es hilft also weder die Diktatur noch die Demokratie, die wir haben. Die Demokratie, die wir haben, erstreckt sich nicht auf „die Wirtschaft“ – das ist das Problem. Wobei zur „Wirtschaft“ aber eben auch die Konsumentinnen gehören, die dem vom Kapital herbeigeführten Konsumismus freiwillig folgen. Eine ökologische Lösung kann nur darin bestehen, dass die Konsumenten mit dem Konsumismus brechen. Also nicht, dass man ihn verbietet, sondern dass sie es freiwillig tun. Wie wäre es möglich? Wohl nur indem die Bürgerinnen sich überzeugen: Ohne Konsumismus ginge es uns besser. Die Unternehmen freilich stünden unter Zwang. Sie müssten dem Willen der Bürgerinnen folgen. Während sie heute um den Erhalt jedes Kohlekraftwerks kämpfen dürfen.
Diese Demokratie wäre neu in einem unmittelbar praktischen und auch in einem mehr menschheitsgeschichtlichen Sinn. Der unmittelbar praktische Aspekt liegt darin, dass die Sache koordiniert und geradezu verfassungsmäßig ablaufen müsste. Man müsste sagen können, soundsoviele Leute haben sich jetzt entschieden, vom Auto auf öffentlichen Verkehr umzusteigen. Es müsste dann garantiert sein, dass der öffentliche Verkehr entsprechend ausgeweitet wird und die Autoproduktion entsprechend abnimmt. Wahrscheinlich funktioniert das nicht ohne einen förmlichen Wahlakt der Konsumentinnen, die auf diesem Umweg die gesellschaftliche Produktion wählen würden.
Die Menschheitsgeschichte hat insofern etwas damit zu tun, als einige Forscherinnen auf eine Ursache des Konsumismus hinweisen, die mit dem Kapital fast gar nicht zusammenhängt. Das ist der Umstand, dass die Religion ihren gesellschaftlichen Einfluss verloren hat. Konkreter gesprochen, glauben die meisten Leute nicht mehr an ein Leben nach dem Tod, wo sie im Himmel für ihr irdisches Leid entschädigt werden. Sie versuchen infolgedessen, sich schon auf Erden schadlos zu halten – nicht erst „im Paradies“, das es gar nicht gibt, sondern hier und jetzt glücklich zu sein.
Diese geschichtlich neue Haltung kann man ja nur begrüßen! Marx hat sie zu seiner Zeit noch fordern müssen, sprach von der Religion als dem „Opium des Volkes“. Aber nun hat sich das Volk einreden lassen, der Konsumismus würde den Verlust des Himmels kompensieren. Je mehr Autos, desto glücklicher. Es ist ein Trugschluss und tatsächlich ist das Kapital an ihm schuld.
In dieser menschheitlichen Perspektive sehen wir auch, dass es nicht reicht, bloß über Einzelprodukte nachzudenken. Wir müssen anspruchsvoller sein, indem wir uns und die anderen Konsumentinnen fragen, wodurch wir glücklich sind oder es wären. „Ich bin im siebten Himmel“, wann kann ich das sagen? Ist es denn schwer, zu antworten? Liebe, Freundschaft, Hilfsbereitschaft und -empfang, Schaffensfreude, Wissen, Forschen, Anerkennung, Abenteuer, Ekstase – das ist die Antwort! Wo dieses Glück gelingt, spielt Konsum nur die bescheidene Rolle, es abzustützen. Er kann dann wesentlich geringer ausfallen als heute. So gering, dass Gefahren für die Ökologie von ihm nicht mehr ausgehen.
Dafür, dass es gelingt, kann die Gesellschaft durchaus Bedingungen schaffen. Sogar fürs Abenteuer. Wer weit weg in den Urlaub fahren will, bräuchte es nicht mit dem Flugzeug zu tun, wenn die Urlaubszeit verlängert würde. Ja sogar die Liebe kann gefördert werden, weil sie auch etwas mit Kommunikationsfähigkeit zu tun hat. Viele Untersuchungen zeigen, dass Frauen im Durchschnitt viel kommunikationsfähiger sind als Männer, aber da es diese Fähigkeit jedenfalls gibt, ließe sie sich auch unterrichten.
Marx besser lesen
Unsere Überlegung läuft auf Selbstbefreiung der Menschen und strikte Grenzen fürs Kapital hinaus. Diese Formulierung muss ich aber sogleich zurücknehmen, denn „Grenzen fürs Kapital“, grundsätzliche jedenfalls, und um die geht es, ist ein Oxymoron. „Das Kapital als solches“, lesen wir bei Marx, „setzt nur einen bestimmten Mehrwert, weil es den unendlichen nicht at once setzen kann; aber es ist die beständige Bewegung, mehr davon zu schaffen.“ Wenn er recht hat, ist die Begrenzung der kapitalistischen Produktion gleichbedeutend mit ihrer Abschaffung.
Das heißt, ich habe hier eigentlich von der Notwendigkeit einer Revolution gesprochen. Da stehen wir aber vor der nächsten Frage: Die Revolutionäre müssten Demokratinnen sein, denn es soll ja eine (auch ökonomische) Demokratie erkämpft werden. Was wäre eine demokratische Revolution? Marx hielt sie für möglich: „Wir wissen“, sagt er auf einer Kundgebung in Amsterdam 1872, „dass man die Institutionen, die Sitten und die Traditionen der verschiedenen Länder berücksichtigen muss, und wir leugnen nicht, dass es Länder gibt, wie Amerika, England, und wenn mir eure Institutionen besser bekannt wären, würde ich vielleicht noch Holland hinzufügen, wo die Arbeiter auf friedlichem Wege zu ihrem Ziel gelangen können.“
Die sowjetrussische Propaganda hat unablässig einzuschärfen versucht, dass nur der bolschewistische Weg revolutionär genannt werden könne. Dieser Weg war aber niemals erfolgreich, wenn er in einem parlamentarisch verfassten Land beschritten wurde. Und das hätte man von Marx lernen können, wäre er nur verständig gelesen worden. Steht denn im eben zitierten Satz weiter nichts drin, als dass ein „friedlicher“ revolutionärer Weg möglich sei? Nein, Marx empfiehlt vor allem, die Institutionen, Sitten und Traditionen zu berücksichtigen. Das ist ja wohl ein vernünftiger Ratschlag.
Die Institutionen im heutigen Westen sind dermaßen anders als im zaristischen Russland von 1917, dass es sich einfach verbietet, sie zu behandeln, als wären sie auch irgendwie zaristisch. Sie haben ihre Mängel, verdienen aber keine Verachtung. Nur zwei Institutionen müssen fallen, das Kapital und das Patriarchat. Deshalb hat nicht nur unser revolutionäres Ziel, sondern auch die Revolution selber demokratisch statt diktatorisch zu sein. Und das bedeutet in der Tat, dass sie viel friedlicher sein wird, als es die bolschewistische war. In Russland hat es zwischen 1917 und 1923 um die elf Millionen Todesopfer gegeben. Man vergleiche damit die Revolution von 1968, soweit sie im Westen stattfand. Sie hat den friedlichen Weg gewählt, bestimmt ist sie nicht deshalb gescheitert. Obwohl es eine Reihe politischer Morde in ihr gab. Gescheitert ist sie eher, weil dann manche meinten, sie müssten zum Bolschewismus zurück. Und natürlich auch, weil viele wegen der Morde mutlos wurden.
Aber wer waren die Opfer der Attentate? Martin Luther King und Robert Kennedy, Rudi Dutschke und Aldo Moro – sehr verschiedene Gestalten, darin aber einig, dass sie alle demokratisch dachten und handelten. Nicht die Diktatur, die Demokratie bedrohte das Kapital – und das wurde von ihm erkannt. Es ist auch heute noch wahr.
Kommentare 48
ja,
die kapitalistische produktions-/konsumtions-/handels-weise
ist uns nicht mehr äußerlich.
sie ist uns einge-übt/ein-gepflanzt, ich-syntoner als wir vermuten.
aber es gibt auch verstörungen/widersprüche/unvereinbarkeiten,
die verspürbar sind.
wir müssen nicht bloße träger von konformen meinungen/routinen sein.
wir haben die ausbau-bare fähigkeit, unsere lebensweise zu überprüfen,
eigen-neigungen zu widerstehen und heran-getragenen sich zu verweigern.
wir sollten einsichten zusammenführen und politisch organisieren.
das vor-haben, das so klar zu sehen und so schwer zu machen ist.
Michael Jäger, Sie schreiben:
>>Liebe, Freundschaft, Hilfsbereitschaft und -empfang, Schaffensfreude, Wissen, Forschen, Anerkennung, Abenteuer, Ekstase – das ist die Antwort! Wo dieses Glück gelingt, spielt Konsum nur die bescheidene Rolle...<<
Ich würde noch die Gesundheit hinzufügen. Man kann mehr gesellschaftliches Glück unter diesem Aspekt sich gut vorstellen, denn die kapitalistische Produktionsweise beutet schon immer die Gesundheit der Lohnabhängigen aus. Aus den körperlichen Erschöpfungszuständen werden zunehmend psychische. Die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Probleme hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdreifacht, berichtet die DAK-Gesundheit.
Die psychischen Ausbeutungsmethoden verfeinern sich mittels digitaler Überwachung. Alle Mitte-Politiker setzen zusammen mit der Industrie auf die sogenannte Digitalisierung. Dass die damit verbundene Entpersönlichung des Einzelnen, dessen soziales Gefüge und damit dessen Gesundheit in die Binsen geht, nicht im Zentrum politischer Nachdenklichkeit steht, überrascht nicht. Gesundheit wird nach wie vor unter dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Nutzenmaximierung gesehen. Wir müssten uns vielmehr die Sichtweise der Salutogenese aneignen: Wie entsteht Gesundheit? Was hält den Menschen gesund?
Der Konsumismus steckt so in uns drin, dass man meinen möchte, er sei bereits genetisch. Insofern ließen sich so einige Ecken in Ihrem Text finden, wo relativierend eingewendet werden könnte: "Jaa, schön - aber wie soll das denn gehen!?!?" Abseits eines resignierenden Realismus wüsste ich aber auch nichts Besseres vorzutragen.
Um das Ganze aus der Theorie-Ecke zu holen, müsste also ein Volksentscheid über eine grundsätzliche Umwälzung des Wirtschaftens angegangen werden. Da stünde freilich das riesen Problem der entsprechenden Verbreitung der Ideen im Volk voran. Schließlich geht es nicht um den Bau eines Krötentunnels an der Bundesstraße xy.
Lieber Herr Jäger, ein frohes neues Jahr noch! (Auch wenn der Blick auf das Weltgeschehen wenig hoffnungsvoll ausfallen muss)
Interessanter, kluger Blick auf die zentrale Frage der Gegenwart, wie endlich eine möglichst druckvolle Bewegung in eine möglichst sinnvolle Richtung mit spürbaren Effekten entstehen kann.
Michael Jäger : „Die Revolutionäre müssten Demokratinnen sein, denn es soll ja eine (auch ökonomische) Demokratie erkämpft werden.“
Ich halte das für eine extrem wichtige Aussage. Nur, wenn dieses Prinzip von möglichst vielen erkannt und anerkannt wird, können Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft ihre Angst vor den notwendigerweise umfangreichen Veränderungen verlieren und bei den Veränderungen (dort, wo sie stehen) aktiv mitwirken.
Als würdiger Partner liberaler Demokratien wird ein Wirtschaftssystem gebraucht, das alle bisherigen Verwerfungen aufgrund einseitiger Mensch- und Weltsichten überwindet und auf dem zentralen Fundament gleichberechtigter Kooperation kluge Rahmenbedingungen für ein ausgeglichenes Miteinander von Individualität und Kollektivität, von Egoismus und Altruismus, von Freiheit und Verantwortung, von Mensch und Natur erschafft.
Die Losung 2020 lautet: Freiheit, Ausgeglichenheit, Kooperation.
Es ist völlig richtig, dass dies nur dann funktioniert, wenn möglichst viele Menschen freiwillig diese Veränderungen wollen. Der Druck, der aufgebaut werden muss, braucht die Stärke, dass er künftig weder von Politikern noch von Unternehmen ignoriert bzw. vernachlässigt werden kann. Die Zeiten des „Weg-Lindnerns“ sind definitiv vorbei!
Sarah Kohler schrieb ich auf ihren interessanten Text, „Apocalypse Now“, vom 5.1.2020:
„Vielen Dank, für den klaren Blick in Ihrem Text! Selbst, wenn Sie diesen nackt vor dem Brandenburger Tor singen und tanzen würden, wozu ich Sie weder auffordere noch wozu ich ihnen rate, kämen sie vermutlich bei den meisten Menschen immer noch nicht durch!“
Etwas Ähnliches könnte man auch unter diesen Beitrag von Michael Jäger schreiben. Wie viele solcher Texte müssen noch verfasst werden? Wie fühlt man sich als Autor, wie fühlen sich die jungen Menschen der Klimabewegung, die seit Monaten immer wieder neu auf die Straße gehen und wie fühlen sich all deren Unterstützer? Wie kann das Fazit zum Jahreswechsel aussehen? Geht man gestärkt oder zunehmend resignierend in 2020? Was muss geschehen, damit sich 2020 dann doch Entscheidendes bewegt?
Bei ernsthafter Analyse dürfte jedem sofort klar werden, dass die Proteste in 2020 eine völlig andere, im Grunde wesentlich radikalere Dimension der Entschlossenheit annehmen müssen: kompromisslos laut und unmissverständlich deutlich. Andererseits dürfen sie auf gar keinen Fall in aktive Gewalt umschlagen, da dies von der Mehrheit der Menschen als ethisch unangemessen erfahren und dadurch die Gesellschaft gespaltet werden würde. Eine Vorgehensweise im demokratischen Bewusstsein ist unverzichtbar (s. o.!). Gebraucht wird eine Mischung von tabuloser, entschiedener Klarheit und standfester Besonnenheit bei möglichst vielen Menschen.
Achtung: Die Gefahr wird immer größer, dass immer mehr Menschen glauben, dass man ohne Gewalt nicht weiter kommt. Aus meiner Sicht lässt sich das vielleicht sogar nur noch dann verhindern, wenn stattdessen eine inhaltliche Radikalisierung stattfindet, die bis ins Mark der heutigen Weltgesellschaft vorzudringen vermag. Dieses Mal geht es unmissverständlich ums Ganze: Veränderungen ganz oder gar nicht!
Nachhaltige Klarheit kann sich nur dann einstellen, wenn zunächst alle komplexen Betrachtungsweisen einen Augenblick pausieren und man sich selber die folgenden grundsätzlichen Fragen beantwortet:
1) Möchte ich künftig in einer möglichst ausgeglichenen Welt leben, in der der Umgang mit Mensch und Natur angemessen stattfinden kann?
2) Habe ich verstanden, dass die Menschheit global und lokal so schnell wie möglich einschneidende Maßnahmen einleiten muss, die auch vor meiner persönlichen Lebensweise nicht halt machen?
3) Bin ich dazu bereit, diesen Prozess mit meinen Möglichkeiten, Fähigkeiten und Ressourcen durch die Kooperation mit anderen zu unterstützen?
4) Bin ich entschieden genug, ab sofort in Worten und Taten den dafür unverzichtbaren intelligenten Systemwechsel unüberhörbar zu fordern?
Fazit 2020: Ohne sofortige maximale inhaltliche Radikalisierung - keine besonnenen Veränderungen!
Mit diesem Bewusstsein dürfte es auch klappen, dass „die Konsumenten mit dem Konsumismus brechen“. Ja, es ist richtig erkannt, dass in diesem Kontext auch eine generations- und kulturübergreifende, ergebnisoffene und vielsichtige Erörterung von z. B. Sinn- und Glücksfrage angestoßen werden muss. Die Menschheit hat sich in eine Sackgasse bugsiert. Um herauszukommen, muss sie zunächst einmal umdrehen und dann eine Erfolg versprechendere Richtung einschlagen.
Übrigens: Nur ein Junkie glaubt, dass Verzicht lebenslange Entbehrung bedeutet. Als denkender Mensch sollte man es zumindest für möglich halten, dass all die vielen notwendigen Veränderungen auch Freude erzeugen können. Die Forschung hat gezeigt, dass soziales Verhalten wesentlich freudvoller ist als eine asoziale Lebensweise, wie sie z. B. das derzeitige Wirtschaftssystem fördert - selbst im possierlichen Kostüm des angeblich Dritten Weges, der sozialen Marktwirtschaft. Der Homo oeconomicus als Grundaxiom des geschlossenen logischen Systems „kapitalistische Marktwirtschaft“ vergiftet global am Ende alles.
Also, Veränderungen ganz oder gar nicht!
Sehr vielen Dank für Ihren Hinweis. Der Satz von mir, den Sie zitieren, ist sicher weder vollständig im Sinn der Aufzählung noch hinreichend durchdacht in der begrifflichen Dimension. Gesundheit; wahrscheinlich hat mich die Frage nach dem „Glück“ an der Einbeziehung gehindert (außerdem vielleicht die innerredaktionelle Arbeitsteilung). Wenn man gesund ist, denkt man, ist man damit noch nicht glücklich, vielleicht nicht mal „zufrieden“. Aber daß da ein Zusammenhang besteht, ist offenkundig. Und auch daß der Zusammenhang dieses Gutes mit den gesellschaftlichen Bedingungen besonders eng ist. Ferner stellt sich die Konsumfrage anders, im Grunde konkreter: Welcher BESTIMMTE Konsum hält Gesundheit aufrecht, welcher schadet ihr oder ist unnötig, und ja, mindestens ebenso wichtig: Welche Produktionsbedingungen dieses Konsums fördern Gesundheit oder sind mit ihr kompatibel (besonders da bleibt meine Aufzählung mit „Anerkennung“, „Schaffensfreude“ zu abstrakt und zu äußerlich; Ihre Frage nach dem Verhältnis von Gesundheit und Digitalisierung ist spannend)? Ach, es gibt noch so viel zu überlegen. Den Begriff Salutogenese und das entsprechende Konzept kannte ich noch gar nicht, ich werde das nun zur Kenntnis nehmen.
Danke, und auch Ihnen ein frohes neues! Lassen wir uns nicht in die Depression treiben.
„Die Gefahr wird immer größer, dass immer mehr Menschen glauben, dass man ohne Gewalt nicht weiter kommt. Aus meiner Sicht lässt sich das vielleicht sogar nur noch dann verhindern, wenn stattdessen eine inhaltliche Radikalisierung stattfindet, die bis ins Mark der heutigen Weltgesellschaft vorzudringen vermag.“ Danke, das ist gut formuliert.
Konsumismus ist eine Übertünchung der Sinnfrage durch immer neue Ablenkung.
Warum kann denn der Durchschnittskonsumist nicht 'einfach' leben, der Mönch aber schon? Weil letzterer die Sinnfrage zu transzendiert bekommt.
Entsprechend ist die Antwort keine rotgrüne Weltrevolution mit der Bioeinkaufstüte, denn aus dem Geist des Konsums wächst kein Nichtkonsum, sondern eine Wiederdurchgeistigung, die dann, sekundär und als Effekt - dafür aber wirksam - ökologisch rückwirkt.
***
Außerdem sollte man die Begriffe Demokratie und Diktatur entspannter betrachten. Wirklich Demokratie hat es außerhalb attischer Hafenstädte und Schweizer Bergdörfer kaum jemals gegeben und sie ist in der Massengesellschaft eine Schimäre und ein leerer Politweihebegriff für politische Endverbraucher und Nachrichtenkonsumenten, die Diktatur wiederum war ein Wahlamt der römischen Republik in Krisenzeiten. Ihr Begriff hat darunter gelitten, dass die Tyrannen des 20. Jahrhunderts dazu neigten, sich in einem fingierten Notstand (bei uns nach dem Reichstagsbrand) zum Diktator wählen zu lassen, um gegen die Opposition durchziehen zu können, ich finde aber eine Notstandsdiktatur deswegen nicht vollkommen illusorisch, wenn sie parlamentarisch bleibt und das Parlament, so wie der alte römische Senat, die Diktatur, die die Kräfte bündelt, auch wieder beenden kann.
Das Republiken dazu neigen, im Ruhemodus unregiert zu sein (nicht zu verwechseln mit unverwaltet), sprich: dahinzutreiben, würde es einer Ökobewegung mit Wirklichkeitssinn gewiss gut zu Gesicht stehen, wenn sie einmal darüber nachdächte, wie man ein Gesetz zum Schutz von Welt und Umwelt den heute legitimatorisch schlau verpackt.
Auch eine Wahlmonarchie ist übrigens demokratisch. Der Papst muss es nur anordnen und ruckzuck sind Solarzellen auf dem Dach der sixtinischen Kapelle.
Das hat mir den Tag erhellt Grinzold, echt ein Text, oder haben sie das geklaut? Wobei ich mich immer noch Frage, muss es jetzt
"zu transzendiert"
oder
"zutranszendiert" heissen?
Lieben Gruss
Nicht übertreiben mein lieber Herr Schramm, der Vatikan kratzt am Hungertuch, "patrons of the arts"
Die Vatikanbank in Frankfurt am Main kannte ich noch 1990 auf der Bockenheimer Landstrasse, heute findest du die IOR nicht mal in Google MAPS, ist es nur ein Teuflischer Verdacht?
Einen lieben Gruss
„In dieser menschheitlichen Perspektive sehen wir auch, dass es nicht reicht, bloß über Einzelprodukte nachzudenken. Wir müssen anspruchsvoller sein, indem wir uns und die anderen Konsumentinnen fragen, wodurch wir glücklich sind oder es wären.“
Für mich ist das hier der Schlüssel.
In der Analyse und Strategie gibt es für mich nichts zu ergänzen. Es bliebe die Taktik, wie man es verbreitet. Anspruchsvoll zu sein, ist eine gute Formulierung, da das Verzichtsnarrativ durch etwas wie: „Ich bin eben anspruchsvoll“, „Ich lasse mich nicht mit jedem Mist abspeisen“ ersetzt werden muss und kann. Bei mir ist das eine Teil von Statussymbole verändern.
Ich würde weniger über einen marxistischen Weg gehen, aber vermutlich ist es gerade gut, die Klugen über viele Wege einsammeln zu können, die, die nur Trends folgen, werden das auch weiter tun, man muss dem Symbol SUV ein anders von Qualität und Anspruch gegenüber stellen.
Naiv dürfen wir nicht sein, es wird kein Spaziergang. In einem podcast wurde die Geschichte von Dirk dargestellt. Einer derer, die Zeit und Intelligenz genug hatten um in sich zu gehen, sich zu fragen und radikalen Antworten fand. Klingt gut, dennoch kann echte Freude nur halb aufkommen: Warum Dirks Geschichte uns Sorgen machen sollte
Was Marx besser verstehen angeht, empfehle ich warm, Anfängern und Kennern, diese Sendung mit Michael Quante. (Inklusive einer Binswanger Passage)
Mein lieber Reinhold Schramm,
Ja, ich wohnte in Eschersheim, Rödelheim, Hausen, Westend, sogar in besseren Zeiten in der Fressgass', am Schluss in der Koblenzer Str. nahe Rebstoecker Strasse im Gallus, dann trieb mich die immer prekärere Lage aus meiner Heimatstadt, Banken Banken Banken mit Nevada Credit Default Swapś, heute heisst das ja ExCum...
Ab ins Ausland, und das seit 20 Jahren, und Bockenheimer Landstr. 93 bzw. Hausbesetzung Siesmayer - Mendelson Str. 1979 warst du auch, gelle? (Aktuell wegen dem iranischem General).
Und jetzt noch einen Schoppen im Wagner oder Gemalten Haus bitte.
P.S.
Ich hatte dann als Malocher mit 15 die erste Lohnsteuerkarte auf dem Tisch, da stand dann was von "Kirchensteuer", sofort ausgetreten.
Einen lieben Gruss
Nichts von dem, was ich schreibe, ist geklaut, denn die Leute, die ich so lese, lebten noch ohne Umweltproblem.
Das "zu" ist ein Umformulierungsrückstand. Wobei es sich zusammengeschrieben als "zutranszendiert" auch ganz nett liest.
Wenn ich meine Eltern oder Grosseltern mit den Enkeln oder Urenkeln vergleiche, da liegen Welten beim Konsum dazwischen. Meine Eltern kauften einmal im Leben bei der Heirat Möbel. Die standen bis zum Tod in der Wohnung. Ähnlich verhielt es sich bei Geschirr und Bettwäsche, was man früher wie auch die Möbel oft noch vererbte. Man trug Schuhe, wo man die Absätze und ganze Sohlen erneuern konnte. Die Windjacken, der Wintermantel, ein Pullover hielten fast ein ganzes Leben. Die Kartoffeln und Äpfel , welcher der nächste Bauer anlieferte, lagerte man im Keller über den Winter ein. Im Vergleich dazu die Enkel: Wechselnde Klamotten je nach Mode, Fashion-Style, jährlich usf, Reparatur teurer als Neukauf und regelmässiger Ersatz der Haushaltsgeräte, Möbel, Kleider, Freizeitgeräte, Verkehrsfahrzeuge. Man kennt es, ich brauche es nicht einzeln aufzuzählen, das Internet bringt die Trends und Shops in die hintersten Winkel der Erde. Woran liegt eine solche Entwicklung? Und das trotz begleitender marxistischer Waren- und Konsumkritik. ;-) .
Ich erkläre mir das mit der politischen Ökonomie:
* Für den Hersteller der Produkte und Verkäufer sind die Produkte, ihr Gebrauchswert, ihr Nutzen in erster Linie deswegen relevant, weil sie Träger eines Tauschwertes sind und den Profit realisieren helfen.
* Heute kann man fast alle Waren im Überfluss herstellen. Da die Waren allein zur Verwertung des Kapitals dienen, müssen sie schnell zirkulieren und schnell wieder ersetzt werden. Auch das Recycling unterliegt den Gesetzen der Kapitalverwertung! Je mehr Recycling, um so besser für die Kapitalverwertung, umso mehr Anlageprodukte für das Finanzkapital. (Die Grünen fordern in der EU ein Label für grüne Finanzprodukte.). Die automatisierte Massenherstellung ist oft billiger, weniger zeitaufwendig, wie die Handwerker-Reparatur der Ware.
* Deswegen erhalten die Gebrauchswerte glitzernde Oberflächen, Verpackungen, Werbebotschaften, Versprechungen mit (Markt-/Konsumforschung). Dieser Wertanteil beträgt oft 1/3 bis 3/4 des tatsächlichen Verkaufspreises. Weniger anziehende Oberflächen trotz hohem Gebrauchswertes, z.B. bei Gemüse, Obst etc,, werden weggeworfen.
* Die Herstellerkonzerne sind unvergleichlich mächtiger wie der Konsument. Der Käufer tritt auf dem Markt als Vereinzelter dem Handel sowie dem Hersteller gegenüber. (Anders die Lohnabhängigen, die sich gewerkschaftlich organisieren können.). Die mächtigen Hersteller und wenige, starke Discounter im Handel bestimmen die Werbung, mit der sie neue, künstliche Bedürfnisse schaffen, wogegen Käuferstreiks meistens Papiertiger bleiben.
* Auf dem Markt erlebt der Konsument seine scheinbare Freiheit als Käufer in einem glitzernden Warenparadies, während die Arbeit oft Mühe, Stress, Unterordnung bedeutet. Die Waren sprechen seine sinnliche Wahrnehmung an.
* Diese Konsumformen breiten sich auf der Welt weiter aus (globales Wachstum).
Insofern teile ich die Hoffnung eher nicht, hauptsächlich über den individuellen, privaten Konsumverzicht als Teil einer Bewegung wie "Käufer, vereinigt Euch" den Klimawandel zu stoppen und bleibe lieber noch bei: "Arbeiter, vereinigt Euch" ;-) .
Es braucht IMHO in erster Linie staatliche Konzepte für den Energiewandel und die gesetzliche Steuerung des Verkehrs und Teilen des Konsums, um eine Emission auf Netto-Null, wie in Paris vereinbart, zu erreichen, sozial gerecht ausgewogen. (siehe Forderungen von Piketty.)
HAHAHAHA
im wirklichen Leben sind sie eigentlich der Walter Moers ("Das Kleine Arschloch"), nur als Deutschlehrer, oder sind das Umweltreste von "Beistoffe der Formulierungschemie?".
Schreiben Sie ein Buch, ich kaufe es sofort.
Lieben Gruss
Martin Lindstrom: "Brandwashed - Was du kaufst, bestimmen die anderen"
Orientieren Sie sich nicht an der Überschrift, die wie immer nicht von mir stammt (obwohl ich sie nicht schlecht finde), sondern am Text: Da steht drin, daß das Recht, die Warenstöme ZU WÄHLEN („die Proportionen“, mit Marx zu sprechen), INSTITUTIONELL VEANKERT WERDEN MUSS. Und wer wären denn die Wählerinnen, wenn nicht die Arbeiterinnen? Natürlich, gerade die sollten sich vereinigen, um die freie ökonomische Wahl zu erkämpfen. Aber wenn sie zögern, sollten andere vorangehen. Das ist eine Alternative nicht nur zum Kapitalismus, sondern auch zum Staatssozialismus, der keiner ist. (Der Staat soll ja, noch mal mit Marx, absterben.) „Es braucht staatliche Konzepte“? Wir haben es aber MIT DEM STAAT DES KAPITALS zu tun. Oder wollen Sie stattdessen eine Renaissance des realsozialistischen Staates? Der behauptete im Auftrag der Gesellschaft zu handeln, hatte aber in Wahrheit ganz eigene Interessen, wie z.B. die Stasi.
Mit dem Hinweis auf staatliche Konzepte (Gesetze) wollte ich verdeutlichen, dass allein Appelle, Verbraucherinfos, -aufklärung etc. für freiwillige Konsumänderungen nicht viel bringen für eine CO2-Emissionsreduktion, ohne jetzt solche Konzepte für die einzelnen Sektoren auszuführen, in denen Veränderungen notwendig sind.
Ob es dem Kapitalismus als System gelingt, die Erderwärmung auf einer bestimmten Höhe zu begrenzen oder nicht, wird man jetzt nicht theoretisch ableiten können, IMHO. Weil das Kapital die Arbeitskräfte einer Gesellschaft braucht, sorgt diese über den Staat und entsprechende Gesetze für den Erhalt auf einem bestimmten Niveau, wozu Gesundheit, Ausbildung, Kinder, Schutz vor Umweltkatastrophen gehören (und eben auch Umwelt- und Klimaschutz), sprich zuviel Katastrophen schaden dem Gesamtkapital. Ausserdem: Der Stand der Technik und Forschung bewältigt eine Energiewende und die ökonomischen Ressourcen sind dafür ausreichend vorhanden. Es sollte nur nicht sein, dass die Gesellschaft die Stukuturänderungen bezahlt und anschliessend wenige die Dividenden kassieren.
Es sollte nur nicht sein, dass die Gesellschaft die Stukuturänderungen bezahlt und anschliessend wenige die Dividenden kassieren.
Sorry für den Schreibfehler: Soll "Strukturänderungen" heissen.
Ich glaube schon, daß man das "theoretisch ableiten" kann, und möchte dazu noch mal den Satz von Marx wiederholen: „Das Kapital als solches setzt nur einen bestimmten Mehrwert, weil es den unendlichen nicht at once setzen kann; aber es ist die beständige Bewegung, mehr davon zu schaffen.“ Wenn das stimmt, KANN das Kapital die Erderwärmung nicht begrenzen. Daß sie ihm schadet, ist wahr, ist aber kein Gegenargument. Das ist, als wenn Sie sagen, es bringt einem blöden Vater die Liebe seines Kindes nicht ein, wenn er es schlägt. Daraus folgt aber keineswegs logisch, daß er das Schlagen unterlassen wird.
„In diesem Kraftakt war auch der politische Zwang ein unbedingt notwendiges Instrument.“ Ebenso wahr ist aber, daß der „Kraftakt“ scheitern mußte. Und er ja wohl auch gescheitert, oder? Denken Sie doch mal in die Zukunft hinein, statt an der Vergangenheit zu kleben. Die Zukunft sieht nicht so aus, daß man die DDR zu wiederholen versuchen wird. Wer das täte, müßte wahrlich ein Vollidiot sein. Wie ich in einem anderen Blog schon sagte, spricht das nicht gegen Sie persönlich. Ihren Lebensweg kann ich sehr wohl nachvollziehen. Aber Sie erkennen (bisher) nicht, daß Sie es gar nicht nötig haben, ihn als Vorbild für die Zukunft zu preisen, nur um Ihre Vergangenheit zu rechtfertigen. Es führt nichts daran vorbei: Der Kommunismus ist entweder demokratisch (das war er in der DDR nicht, ob nun durch historische Umstände „notwenig“erweise oder wie auch immer) oder es gibt ihn schlicht und einfach nicht.
Wenn man mit der zitierten Grundriss-Stelle, wo auf die Schrankenlosigkeit des Kapitals in seiner Bewegung im Unterschied zum begrenzten Mehrwert hingewiesen wird, die systembedingte Unmöglichkeit einer Begrenzung der Erderwärmung theoretisch begründet, wie erklärt man all die Systemverträglichkeit vergleichbarer Schranken, welche das Kapital im Laufe seiner Geschichte akzeptieren musste, wie alle Umwelt und Produktvorschriften, welche uns davor schützen, dass wir an Wasser, Waren, Strahlung, Luftverschmutzung erkranken oder an UV-Strahlung (Ozon). Wo liegt bei CO2-Emissionen der Unterschied zu all den anderen gesetzlich regulierten Gefahrenstoffen, ausser dass die Katastrophen erst mit deutlicher und vermittelter Verzögerung eintreten, die fossile Energie lange Zeit unersetzbar schien technologisch und dass die grossen Industrieländer den überwiegenden Anteil an der Erwärmung und CO2-Emission tragen? So wie sauberes Leitungstrinkwasser heute überall als Standard gilt, kann auch der präventive Klimaschutz mit Netto-Null-Emission möglich gemacht werden, denke ich.
mein jott, jäger,
- "das kapital" hat aus seinen widersprüchen heraus
widerstand geboren, eine abfolge von akkumulations-regimen generiert
und diverse regulations-modi sind entwickelt worden:
- die kapital-wirtschaft ist immer als produktions-weise zusehen,
das meint: ein verhältnis von gewinn-orientierten investoren
und ko-operierenden mehrwert-erarbeitern, die teils aus vor-kapitalistischen
produktions-weisen heraus-gerissen werden, teils als spezifisch-ausgebidete,
ja hoch-qualifizierte mit-arbeiter ihre haut zu markte tragen.
diese wissen um die vernutzung/den verschleiß ihrer arbeits-/lebens-kraft.
und wissen immer mehr, was ihre gesundheit,
ihr wohl-befinden und familiale reproduktion angreift/aufzehrt.
- kurz: die mehr-wert-maschinerie kommt ohne sie begrenzende
akteure nicht aus, die auch (politisch)denken können und sich mühsam
erträglichere lebens-formen aus produktivitäts-fortschritten
heraus-arbeiten und gesetzlich garantieren lassen.
- wikipedia: -->regulationstheorie.
Sehr geehrter Herr Jäger,
Vor 30 Jahren las ich Ihre Artikel bereits, damals waren Sie doch christlicher Marxist, wenn ich mich recht entsinne.
Von Ihren Kommentaren lerne ich, nur posten, wenn man bereit ist zu diskutieren. Manchmal auch Zeitfrage.
2 Beispiele die für Millionen Menschen stehen:
Ich stelle mir vor, dass ich einem indischen Muslim, einem autodidaktischen Techniker, der aus der dortigen Arbeiterklasse kommt, immer gefährdet als free-lancer arbeitet, lange für 3.Welt-Hungerlohn, erzähle, dass Glück nicht im Konsum liegt, während seine Auftraggeber superreiche Hindus sind. Er soll sich gegen die Produktion von Autos entscheiden. Wo ist der Irrenarzt, denkt er dann.
Wenn ein mir bekannter brasilianischer evangelikaler Fabrikant, persönlich offen und freundlich, behindert, hören würde, er soll "demokratisch" sich dafür entscheiden, die Autoproduktion zu minimieren, in einem Land, wo Formel1-Fahrer nationale Helden sind, so würde er die politische Polizei rufen.
Beide sind froh, wenn BMW dort Werke errichtet, um die billigen Arbeitskräfte auszunutzen. Beide könnten Zulieferer sein und ihre Familien ernähren.
"dass die Religion ihren gesellschaftlichen Einfluss verloren hat" Ich sehe Trump wie er umringt von Evangelikalen betet. Obama in der Kirche. Vielleicht stimmt das für den Freitag und Sie.
Demokratie auf die Wirtschaft ausdehnen, hört sich gut an. Kann auch nach hinten losgehen. Die Entscheidungen treffen dann nicht das Kapital, deren Geschäftsführer oder linke Intellektuelle, sondern Kellner, arme ungebildete Leute, die um ihr Leben kämpfen.
Ich glaube nicht an ein Happy End. Danke für den interessanten Text.
„2 Beispiele die für Millionen Menschen stehen:
Ich stelle mir vor, dass ich einem indischen Muslim, einem autodidaktischen Techniker, der aus der dortigen Arbeiterklasse kommt, immer gefährdet als free-lancer arbeitet, lange für 3.Welt-Hungerlohn, erzähle, dass Glück nicht im Konsum liegt, während seine Auftraggeber superreiche Hindus sind. Er soll sich gegen die Produktion von Autos entscheiden. Wo ist der Irrenarzt, denkt er dann.“
Gutes Argument. Aber genau deshalb sollten wir die Zeit nutzen, in der die langsam herab dimmende Strahlkraft der westlichen Lebensweise noch ausreicht, um Vorbild zu sein. Es etablieren sich inzwischen mehrere Zentren, Indien und Bollywood hat starke eigene und da weht in der Tat ein anderer Wind.
Zudem brauchen wir ja auch bei uns erst mal eine Alternative zum demonstrativen Konsum, weil man es sich eben leisten kann, der als ein nächster Schritt gesehen und anerkannt ist, wenn der SUV dann nicht mehr zieht. Wir haben außer durch gesellschaftliche Beachtung und eben dem, was man hat, ja nichts, was wir heute bereits als dem Konsum annähernd gleichwertig erachten. Dass der Konsum selbst individualistischer wird, ist schon nicht schlecht, der 65. im Bekanntenkreis zu sein, der dann auch noch allein mit dem Rucksack durch irgendwo getourt ist, bringt es vielleicht schon nicht mehr so.
Bildung und Gewissen hip zu machen, ist nicht schlecht, außerdem insofern demokratisch, als es leichter ist dort den Anschluss zu finden, als in der Konsumwelt. Der heimliche Neid macht die Reichen stark, ist der überwunden, sind Reichtum und Berühmtheit nicht mehr die Topziele des Lebens. Warum reicht es nicht zufrieden zu sein? Warum nicht Zufriedenheit als Ziel? Der depressive Milliardär ist immer noch depressiv, da nützt das Geld nichts. Was macht denn authentische Zufriedenheit aus? Geld gehört auch dazu, fällt dann aber schnell in der Bedeutung zurück.
Geld, Konsum, Besitz und die Aussicht, dass immer mehr davon uns auch immer zufriedener macht, ist das, womit wir uns abspeisen lassen. Schief wird es in dem Moment, wo man feststellt, dass man eigentlich genug hat, aber sich das Glück dann doch nicht nach Drehbuch einstellen will. Man macht sich dann was vor, wenn man denkt, das immer mehr von dem, was gerade als Weg zum Glück nicht geklappt hat, ganz bestimmt klappen muss … schon deshalb, weil einem nichts anderes einfällt.
Diese Lücke gibt es, sie ist gewaltig und wir müssen sie ohnehin füllen. Jetzt ist ein guter Moment.
Das Kapital läßt sich Regeln auferlegen, aber nur solche, die mit seiner fortgesetzten Mehrwertakkumulation verträglich sind. FCKW z.B. wurde für Eisschränke nicht unbedingt gebraucht. Alle Glühbirnen auszutauschen war sogar ein extragutes Geschäft. Bei den Gesundheisvorschriften für Waren, Strahlung, Luftverschmutzung beginnt dann schon die Relativierung, das sind Grenzen fürs Kapital, ja, die aber selber als Grenzen begrenzt sind. C02 nun ist Grundbedingung der Produktion überhaupt. Ohne CO2 keine Waren, also kein Mehrwert – das stimmt nicht absolut, aber schon sehr weitgehend. Sie haben natürlich recht, eine kapitalistische Warenproduktion mit Netto-Null-Emission ist machbar. Aber wann? GEFORDERT WIRD SIE SEIT VIERIG JAHREN! UND WIR HABEN IMMER NOCH EINEN HERRN SCHEUER IM KABINETT, der von Herrn Söder sogar besonders gelobt wird und der sich wie selbstverständlich einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn verweigern darf, das nimmt auch eine Frau Merkel, trotz ihrer lyrischen Weihnachtsansprache, gelassen und freundlich in Kauf. Das sind doch keine Zufälle. Die Netto-Null-Emission ist machbar, aber nicht durch den Staat des Kapitals, den wir haben. Jedenfalls nicht schnell genug. Am Ende des Jahrhunderts vielleicht, wenn alles zu spät ist. Sehen Sie HEUTE irgendeine von den westlichen Staaten ausgehende Initiative, die als Beginn einer anderen Politik als derjenigen der letzten vierzig Jahre ausgelegt werden könnte? Ich nicht. Deshalb meine ich, die Menschen, die gewöhnlichen Bürgerinnen, müssen die Sache in die Hand nehmen.
Die Aussage der von mir zitierten Grundriß-Stelle (MEW 42, 253) findet sich übrigens auch in Das Kapital, Buch I, und ist auch dort zentral: „Die Bewegung des Kapitals ist [...] maßlos“; „nur soweit wachsende Aneignung des abstrakten Reichtums das allein treibende Motiv seiner Operationen, fungiert“ jemand „als Kapitalist“; als „unmittelbarer Zweck des Kapitalisten“ ist „nicht der einzelne Gewinn“ zu behandeln, „sondern nur die rastlose Bewegung des Gewinnens“. Hier ist also von einer Bewegung G, G‘, G‘‘ und so weiter die Rede; Marx spricht vom „Beruf [...], sich dem Reichtum schlechthin“ – dem eben, was in den Grundrissen „unendlicher Mehrwert“ heißt – „durch Größenausdehnung anzunähern“. (MEW 23, 166-170) (Anderswo habe ich darauf hingewiesen, daß das gar keine nur Marx eigene Auffassung ist. Max Weber z.B. sieht es genauso.)
Daß es eine Abfolge von Akkumulations-Regimen gibt, ist mir bekannt. Es kann aber keines geben, das auf die Prämisse der Erlangung des unendlichen Mehrwerts verzichtet. Zugleich hat es immer die Menschen gegeben, die „wissen, was ihre Gesundheit aufzehrt“ – da habe Sie glücklicherweise recht. Die Frage ist, ob diese Menschen heute an die Möglichkeit eines ökologischen Regimes glauben, der die Begrenzung der Klimakatastrophe noch gelingt, obwohl dies ganz offenkundig nicht das primäre kapitalistische Ziel ist und auch niemals werden wird.
Sie scheinen ein, wie man sagt, treuer Leser zu sein. Darüber freue ich mich und dafür bedanke ich mich sehr. Aber von Ihren Beispielen denke ich, daß sie an der Sache vorbeigehen. Der Inder mit dem Hungerlohn gehört doch nicht zu denen, denen irgendwer vortäuschen kann oder will, sein Glück liege im Konsum. Das hätte ja überhaupt keine Funktion, weil man ihm diesen Konsum nicht gibt. Uns wird er gegeben, Ihnen und mir, davon ist der indische Hungerlohn die Kehrseite, sie sagen ja selbst, er produziert Autos, abr doch nicht für sich selbs mit seinem Hungerlohn. Von Ihnen und mir rede ich, von dem was wir kaufen gewinnt das Kapital den Mehrwert, und hier bei uns hat es auch seine Zentralen, hier ist der Motor vom Ganzen, der immer weiterlaufen wird, wenn wir ihn nicht abschalten. Und zum Abschalten des Motors gehört auch, daß wir uns für ein besseres Leben und Arbeiten des indischen Hungerlöhners verantwortlich sehen. Daß in Brasilien „Werke errichtet“ werden, begrüße ich, aber das müßten ja keine BMW-Werke sein, und auf Dauer kann es auch dort nicht immer so weitergehen, daß die Arbeiterinnen so billig bezahlt werden. Auch dieses Beispiel ändert nichts daran, daß der Konsum, in diesem Fall der BMW-Konsum, hier bei uns stattfindet und auch anders sein könnte.
nun, das individuelle bewußtsein, die ausrichtung/perspektiven
von personen hängt zwar irgendwie mit ihren materiellen möglichkeiten
und not-wendigkeiten zusammen.
unmittelbarer aber hängt das gesellschafts-bezogene bewußtsein
von den angeboten im näheren um-kreis/in bezugs-gruppen ab.
das gesellschaftliche bewußtsein ist sozial/politisch/medial: organisiert.
es ist in ihm ein großes beharrungs-vermögen gespeichert,
aber auch dazu-lern-potenzial, das sich politisch dynamisieren läßt.
auch religiöse orientierungen haben diese ambivalenz.
und kirchen(-gemeinden) sind bewußtsein-affirmierende
und/oder dem vor-schein sich öffnende institute, die fordern,
was noch-nicht ist.
- das k-system und seine regulierung ist in
welt-weiter perspektive höchst ungleichzeitig entwickelt.
mit wachsendem bedarf an billigen arbeits-kräften zur gewinn-generierung
kann auch deren mobilität/aktions-spielraum wachsen.
die hunger-lohn-abhängigkeit läßt sich auch durch eine
einschränkung generativer muster bessern(weniger kinder,dafür aus-bildung).
die anpassung der menschlichen spezies an überlebens-chancen
geschieht in hohem maße durch lern-prozesse,
die nicht immer nur folgen-los tödlich ausgehen,
obwohl es den anschein hat: für besser-situierte,
die über verbliebene statik den kopf schütteln/verlieren.
p.s.: die funktional-strukturelle betrachtung gesellschaftlicher prozesse
bringt oft eine vernachlässigung spontaner möglich-keiten mit sich
auf kosten betonter fatalitäten.
oda?
Danke für die Antwort. Sie enthält zahlreiche interessante Punkte, auf die es mir schwer fällt, nur knapp und kurz, im Rahmen eines Kommentars zu antworten.
"C02 nun ist Grundbedingung der Produktion überhaupt. Ohne CO2 keine Waren, also kein Mehrwert – das stimmt nicht absolut, aber schon sehr weitgehend."
Unter Produktion verstehe ich jetzt mal (ohne Rekurs auf Marx) Industrie, Dienstleistungen, Forschung und Wissenschaft, Agrarbetriebe, die alle Waren (auch geistige) herstellen und dafür Energie verbrauchen. Kommt diese weitgehend aus regenerativen Energien oder Atomkraft wird doch dementsprechend weniger CO2 emittiert. Da z.B. die Schweiz deutlich mehr Wasserkraft wie DE plus noch Atomstrom im Energiemix hat, sind in der Schweiz oder Schweden die pro Kopf Emission von CO2 um die Hälfte (!) weniger als in Deutschland.
"Sie haben natürlich recht, eine kapitalistische Warenproduktion mit Netto-Null-Emission ist machbar. Aber wann? "
Bis 2050 müssen die aus technischer Sicht machbaren Konzepte zur CO2-Reduktion, umgesetzt sein, um das Paris Abkommen einzuhalten. Die Einsparmengen werden jedoch immer grösser und die Zielerreichung unwahrscheinlicher, wenn Regierungen die Zeitpläne nach hinten schieben.
"GEFORDERT WIRD SIE SEIT VIERIG JAHREN! UND WIR HABEN IMMER NOCH EINEN HERRN SCHEUER IM KABINETT, der von Herrn Söder sogar besonders gelobt wird und der sich wie selbstverständlich einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn verweigern darf, .........Das sind doch keine Zufälle."
In Deutschland spielt die Autolobby bekanntlich eine besondere Rolle und man kann das nicht mehr rational verstehen. In der ganzen EU gibt es ansonsten feste Tempobegrenzungen auf Autobahnen. Ich persönlich plädiere für kostenlosen ÖPNV mit guten Taktzeiten und einem Bahnnetz wie in der CH.
"Die Netto-Null-Emission ist machbar, aber nicht durch den Staat des Kapitals, den wir haben. Jedenfalls nicht schnell genug."
Ich denke nicht, dass DE eine andere Verfassung dafür braucht, aber andere politische Mehrheiten in den Parlamenten, wobei die jetzige Regierung immerhin durch die aktive Klimaschutzbewegung unter Druck geriet. Es lohnt sich auch, sich konkret mit dem Green Deal Plan der EU zu befassen. In meinen Augen spricht gerade der Zeitdruck besonders stark dafür, die kapitalistischen Staaten zu nutzen, um die für den Klimaschutz notwendigen Änderungen voranzubringen, statt zuerst ein anderes System schaffen zu wollen, für das ich in DE und der EU aktuell noch viel weniger politische Konstellationen sehe.
"Sehen Sie HEUTE irgendeine von den westlichen Staaten ausgehende Initiative, die als Beginn einer anderen Politik als derjenigen der letzten vierzig Jahre ausgelegt werden könnte? Ich nicht."
Ich denke, mit dem Kyoto-Protokoll (1997) und dem Pariser Abkommen (2015) ist das Problem schon mal bei allen Industriestaaten Bestandteil der Staatsbürokratie und Teil der Staatsgeschäfte auf allen Ebenen geworden. (Ausnahme: Trump). Entscheidend werden die weitere Entwicklung in den USA, China (37 % Anteil), Indien, der EU sein.
Auch wenn z.B. der Emissionshandel (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz: 2011) in der EU perfekt unterlaufen wurde, weil die Zertifikate anfänglich viel zu billig waren, alle grösseren Firmen müssen sich damit beschäftigen, sobald die Zertifikatspreise eine wirksame Grösse erreichen und die Umstellungen hin zu regenerativem Strom bzw. Mix in der Industrie kommt in Gang.
Ich hätte gar nichts dagegen, daß Sie recht haben, halte es nur nicht für wahrscheinlich. Sagen wir so: Der Weg, der ihnen vorschwebt, wird von mir mitgegangen, z.B. setze auch ich mich für andere Parlamentsmehrheiten ein. Nur muß m.E. noch mehr geschehen. Wollen wir es erst mal so stehen lassen? Ich denke, unsere Argumentationen sind nun ins Verhältnis zueinander gesetzt.
<<Es tut niemanden weh, wenn es keine Weihnachtsbäume mehr zu kaufen gibt.>>
Sie wissen schon, dass andere vor ihnen, mit dieser Idee nicht sehr erfolgreich waren? In der Sowjetunion hatte man zwar eine etwas andere Begründung, aber die "fortschrittliche" im Kommunistischen Jugendverband vereinte Jugend hatte es geschafft bis zum Ende 20er Jahre den Weihnachtsbaum auszumerzen. Der Triumph dauerte aber nicht lange. Schon 5 Jahre später wurde der Weihnachtsbaum, natürlich in einem modernen Kontext, durch die Partei rehabilitiert.
Es ist schon ein Kreuz mit diesem Konsum und diesen Menschen. Da werden selbst Diktatoren schwach.
Binswanger: „Immer weniger sind es ungesättigte Bedürfnisse, welche das Wachstum in entwickelten Volkswirtschaften antreiben,..." - "Immer weniger" ist Quatsch. Es sind noch NIE die Bedürfnisse gewesen, die das kapitalistische Wachstum antreiben. Einfach, weil die Bedürfnisse NICHT wachsen. Die Veränderung der FORMEN der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse verändert sich stetig in dem selben historischen Prozess, in dem sich ALLES verändert. Der effektivste Antrieb des kapitalistischen Wachstums ins Unendliche ist die UNMÖGLICHKEIT der wirklichen Bedürfnisbefriedigung unter diesen Umständen. Alle Versuche der Befriedigung eines Bedürfnisses enden sofort, wenn es tatsächlich befriedigt ist. Natürlich erwachen viele Bedürfnisse als Defizit zyklisch neu. Dann können sie - vielleicht auch mal in der Form anders, aber nie in einem quantitativen Sinne "höher", "mehr oder so - eben wieder befriedigt werden. Daraus kann kein quantitativen, schon gar kein endloses Wachstum resultieren.
Du beschreibst ähnliches sehr schön in dem kurzen Abachnitt zum "Glücklichsein". Und der Satz: "Wo dieses Glück gelingt, spielt Konsum nur die bescheidene Rolle, es abzustützen." weist erfreulicherweise auch darauf hin, dass es nicht ohne materiellen GENUSS gehen kann, muss, sogar sollte. Wir wären reine Geistwesen, aber keine Menschen, wenn wir nicht sinnlich und körperlich sein dürfen.
Es führt nicht weit genug, dem Gespenst des Konsumismus hinterherzulaufen. Er ist ein Symptom einerseits und andererseits ein ideologisch-mentalitätszurichtendes, also in einem komplexen Sinne doch manipulatives Tool. Da hatte W. F. Haug schon recht. Gewiss ist Konsumismuskritik notwendig, wie ja auch Ideologiekritik sein muss. Man darf bei beiden bloß nicht Ursache, Wirkung und Werkzeug verwechseln.
Konsumismus als Ersatzreligion, also als Ersatzbefriedigung eines "spirituellen" "Bedürfnisses" - mit Verlaub, Michael, das ist eine Floskel, die so schön Feuilleton-tauglich ist. Da wäre es zutreffender zu sagen, Konsumismus ist die spätere Kompensation für das Fehlen bedingungsloser Liebe von Eltern zu ihren Kindern. Individuell praktizierte Religiosität ist das ja auch selbst oft.
Es ist wieder ein schöner Text. Ich mag deine Art zu schreiben, als würdest behutsam halblaut denken. :-) Danke. Und ein gutes Jahr!
Wenn ich da einmal dazwischen darf: <<Konsumismus als Ersatzreligion, also als Ersatzbefriedigung eines "spirituellen" "Bedürfnisses" [...]>> - das lese ich so bei Michael Jäger nicht.
Die Zange, sich im Leben entweder auf den Himmel oder das Fegefeuer vorzubereiten, hat wenig bis gar nichts mit Spiritualität zu tun, während diese wiederum mit der Religion nichts zu tun hat. Religiöse Dogmen haben ganz profan gewirkt; und wer schon im Leben nichts hatte, der gab, oder gibt, sich ziemlich leicht einer Hoffnung auf ein gutes Ende hin. Insofern ist es gar nicht verkehrt, den Konsum als eine "Ersatzreligion" anzusehen - was natürlich bzw. folglich genauso oder noch weniger mit Spiritualität oder einem Ersatz für dieselbe zu tun hat. Auch wenn ich ebenso nur den zitierten Textschnipsel Binswangers habe, so glaube ich, dass dieser, wie auch M. Jäger, gar nichts anderes als Du meinst.
Ist ja eine lustige Diskussion. Irgendwie muss ich in mich reinschmunzeln. Tolle Argumente und kreative Vorschläge. Aber ich habe das Gefühl, das gab es schon vor 100 Jahren :)
Ich habe da eine Seite mit alten ca. 100 Jahre alten sowjetischen Karikaturen zum Thema Weihnachten gefunden. Ist eventuell auch ohne Übersetzung zu verstehen.
Link
Da wird u.a. gezeigt wie es verboten ist die kleine Tanne abzuholzen, weil die großen ja für den sozialistischen Aufbau gebraucht werden. Oder die Kinder die fordern kein Geld für den sinnlosen Weihnachtsbaum auszugeben, sondern lieber Ski und Schlittschuhe zu kaufen.
Alles bestimmt nicht schlecht und sicherlich auch wissenschaftlich belegbar, dass es vernünftig ist. Aber der Mensch scheint halt auch noch andere Bedürfnisse zu haben, die sich so einfach rational nicht erklären lassen.
Danke Herr Jäger für Ihre Gedanken und klaren Aussagen.
Verzicht üben- auch Das ist eine Option und eine Selbstbeherrschung, die besprochen und geübt werden muss. Das kann man nur selber mit Kindern oder Enkelkindern besprechen an Beispielen.
Ich vermisse und kritisiere das Verhalten der Landwirtschaftsminiserin- gegen die Ernährungsampel.Diese halte ich für ein probates Mittel gegen ernährungsphysiologisch wertlose Lebensmittel.In dieser Körperkultvorzeigezeit ist diese Körperkultliebe ein zusätzlicher Trigger.
Im Gegensatz zu Herrn Trittin habe ich klar und deutlich Ihre Sorge um diesen Planeten vernommen.Das Festlegen und die Durchsetzungskraft von Verboten einer Regierung nach dem Erkennen von ,,Negativbilanzen gewisser materieller Produkte'', ich bin dafür.
der mittel-schichtler, der die grund-bedürfnisse,
um die das prekariat kämpfen muß
(behausung,alters-vorsorge etc.) hinter sich gelassen hat,
hat bei aller macht-losigkeit: die freiheit zu konsumieren.*
seinem begehren sind relativ weit-gesteckte grenzen gesetzt:
soweit die kredit-karte reicht.
gediegen-gedeihlicher wohlstand sucht und findet
neben mühsal-vermeidung/bequemlichkeit
die verschiedensten ausdrucks-formen,
die individualität im sinne von einzig-artigkeit, exklusivität,
abstandnahme von gewöhnlichem setzen sollen.
Veblen nannte das: geltungs-konsum.
wikipedia--> Konsumismus.
*die suche nach freiheit/schönheit/zuwendung/bedeutsamkeit im konsum
ist stets der kompensation verdächtig.
sorry, sollte nicht speziell an Sie adressiert werden.
"das Auto ist kein Konsumprodukt, sondern vor allem ein Gebrauchsgegenstand, der Konsum steigt im Westen seit Jahrzehnten kaum weiter an und ein Verzicht auf das Auto wäre wenig klimarelevant."
Ich weiss nicht, ob Sie sich mit der Kritik der Politischen Ökonomie von K. Marx näher beschäftigt haben?
Das ist aber auch irrelevant, um das zu überprüfen, was sie behaupten, dass nämlich ein Verzicht auf das Auto wenig klimarelevant wäre. Tatsächlich entstehen durch Autoabgase in Deutschland (PKW u. LKW) ca. 1/5 aller CO2-Emissionen.
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/klimaschutz-wie-gross-ist-der-co2-anteil-des-verkehrs,Rc7yF09
D.h. um die Klimaziele des Pariser Abkommens einzuhalten, müssen die Deutschen privat sowie der Güterverkehr im Verkehrsbereich Änderungen vornehmen. Sie können das selbst anhand des sog. ökologischen Fussabdrucks überprüfen, wieviel Tonnen bzw. Prozen an CO2 Einzelpersonen einsparen, wenn sie statt eines Autos ein Fahrrad oder den ÖPNV bzw. den Fernverkehr der Bahn nutzen.
Dass es sich beim Auto ausserdem um mehr als nur einen vernünftigen Gebrauchsgegenstand für viele Menschen handelt, beweist eigentlich jede Autowerbung und jeder Spaziergang als Fussgänger durch eine Stadt. Es braucht keine der vielen Studien und Marktforschungsanalysen, um das Augenscheinliche statistisch zu belegen.
tja, herr jarvis, die lektüre der analysen des sozio-ökonomen marx
macht eindruck/prägt und stachelt zu kritischer distanz gegen
verheißungen einer sich selbst-regulierenden gewinn-getriebenen
markt-wirtschaft, kann aber auch in einzel-analysen: fehl-gehen.
und die kraft-stoff-getriebenen komfort-käfige fressen land,
verdauen es zu straßen und stell-plätzen und schaffen damit distanzen,
die wiederum mit autos zu überwinden sind.
das auto-mobil bewegt sich nicht von selbst, hat nicht nur
bequeme/mühe-lose mobilität erzeugt, es erzwingt auch
ständigen aus-bau von (stadt-)landschaft.
die errichtung von bahnhöfen und eisenbahn-strecken im 19.jh.
war ein klacks dagegen....
Also aus Sicht der Politischen Ökonomie von K. Marx wäre das Auto in meinen Augen einerseits Produktionsmittel, soweit es für den Transport von Waren gebraucht wird, andererseit Konsummittel, soweit es für den privaten Gebrauch Lohnabhänger benutzt wird. Für die Einhaltung der Pariser Klimaziele ist es unbedingt notwendig, in beiden Bereichen (Auto-Transport und individueller Autoverkehr) die CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren, wozu es zahlreiche Alternativen und Möglichkeiten gibt.
Die eingestellte Frage, was es "eigentlich" bedarf, um zufrieden, ja in bestenfalls wiederkehrenden diversen Augenblicken, mehr sind es ja nicht, gar glücklich zu sein, verbunden mit dem "Verzichtsnarrativ", führt bei mir zur Überlegung und weiterer Frage:
Wäre der Verzicht nicht eher etwas von "außen" (staatlich?) Vorgegebenes, im Interesse des (globalen) Gemeinwohls die Tragfähigkeit des Planeten für ein humanes Leben halbwegs zu sichern? Und entstünde allein nicht dadurch gesellschaftlicher Widerstand, auch aus nachvollziehbaren unterschiedlichsten Gründen?
Anders Genügsamkeit. Kommt von ´genug`. Sich selbst, von innen heraus, klar zu werden darüber, was man für ein gelingendes (kurzes) Leben "eigentlich" (nur) bedarf.
Von innen her, aus eigenem Antrieb, aus intrinsischer Motivation seinen Lebensstil so schrittweise zu ändern, sich insoweit als Avantgarde mit anderen zu verbinden, ganz im Sinne der Arendt´schen Definition von Macht. Von gemeinsam ausgeübter Macht. Der schrittweisen Veränderung von ´unten` heraus, woher alle Veränderung der Gesellschaft ihren Ursprung hat(te).
Dann und nur dann zöge, wie immer, "die Politik" (die sich grundsätzlich außerstande sieht, ALLEIN den Grundsatz der Prävention gestaltend umzusetzen, wie oben dargelegt) nach, setzte Rahmenbedingungen, innerhalb deren eine sozial-ökologische Transformation wirkmächtig einen Lauf bekäme, gestützt von den universalen drei Prinzipien der französichen Revolution.
Und ja: Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnisse haben wir nur noch diese gerade erst begonnene Dekade "übrig", um das Schlimmste abzuwenden. Anpassungsmaßnahmen freilich sind bereits "unverzichtbar", man blicke nach den Niederlanden und deren Anstrengungen, ihre Dämme zu erhöhen.
Darüber habe ich nun wirklich versäumt nachzudenken.
Die Politik schafft nur die Rahmenbedingungen. Aha, und diese lassen gegenwärtig dem Kapital vollständig das Sagen., nicht ohne Eigennutz. Die Wählermassen dürfen sich als Souverän titulieren lassen, clever made. conclusio - Das Kapital beherrscht alles, die Politik macht dabei nur mit und die Volksmassen glauben, sie hätten eine Wahl, wenn sie alle paar Jahre ein Kreuzchen machen. Demokratie à la carte. Das Dumme dabei ist jetzt nur leider, der endliche, geplünderte Planet. Mit ganz vorsichtigem Optimismus können wir heute nur der jungen Greta-Generation zutrauen, massiv zu intervenieren. Oma ist ne Umweltsau! Radikale Verhaltensänderung muss es sein, damit ein Überleben noch möglich sein kann. Radikal kommt von lateinisch radix, die Wurzel. Eine schmerzhafte Wurzelbehandlung wird es werden müssen. Alternativlos. Da dem so sein wird, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine digitale Ökodiktatur die Zukunft als Überlebensprogramm. Militärisch flankiert. Und nur für einen Teil der Weltbevölkerung -smart peoples - der weitaus größere Rest wird Menschenmüll genannt. homo hominis lupus est oder mit den Worten von Warren Buffett: 99,99% der Weltbevölkerung verlieren diesen Krieg der Klassen. Seine Klasse, die der Reichen, gewinnt ihn. Oder ins moon village, um zu bleiben! LG Bezos!
Davon mal abgesehen das ich den Kommentar insgesamt gut finde, aber das ist das Sahne:
..."Ich sehe Trump wie er umringt von Evangelikalen betet"...
Bildungsministerin Betsy DeVos ist von klerikalen wie ihrem Bruder umgeben: Erik Prince gründete Blackwater USA. Und man sagt die hat von ihren 4 Milliarden 150 Millionen an Senatoren gespendet.
UPS
Ich glaube auch nicht an ein Happy End.
Einen besten Gruss Schumpetersieben