Warum kam nie jemand auf die Idee, das Parteiemblem der SED zu verbieten?
Abbildungen aus „DDR CI“/Verlag Hermann Schmidt
Die DDR in den Augen eines Designers: Andreas Koop, der sonst zum Beispiel Wegweiser durch eine Arztpraxis oder eine Landschaft entwirft, auch an der Uni lehrt, was Design ist, und sich das selbst in vielen Veröffentlichungen immer neu fragt, zeigt in DDR CI, wie sich ein Staat in seinen ... „Symbolen“, hätte man früher gesagt, offiziell darstellt. Doch um Symbole handelt es sich nicht. Zeichen müssen in unserer Zeit nicht mehr auf ein Jenseits ihrer selbst verweisen, wie es der Ring am Finger tut, der nur zusammen mit dem Ring am Finger einer weiteren Person die Ehe bedeutet und so ein typisches Symbol ist. Man denke hingegen ans Logo der Deutschen Bank, ein Quadrat und darin der aufsteigende Strich: Wie eine Buchstabenschrift soll man das lesen können
können, entziffern, dass der Strich ökonomisches Wachstum aussagt und die Umrahmung das ökonomisch gesicherte Umfeld. Einem Liebhaber traditioneller Malerei, etwa von Ikonen, wo die Diagonale eine ganz andere, eben symbolische Rolle spielt, wird das nicht leichtfallen. Doch für die Bank ist wichtig, dass ihr Zeichen so einfach und damit so einprägsam ist, wie es sonst nur Buchstaben sind.Serifenlose Schrift dominierteKoop blickt auf die DDR, als ob sie ein Unternehmen wäre, und wie dies unsere Kenntnis erweitert, mag am schnellsten im Kapitel über die Buchstabenschriften der DDR deutlich werden. Wir lesen heute größtenteils Buchstaben mit „Serifen“, solche mit Häkchen also. Die Häkchen sind zwar sehr klein geworden – Endstadium einer langen Entwicklung, in der die Buchstaben-Ornamentik immer mehr reduziert wurde –, tragen aber auch so noch zur leichteren Lektüre bei. Anders in der DDR (und auch bei Koop!), wo serifenlose Schriften dominant waren. Das korrelierte mit dem offiziellen Anspruch, man sehe die Welt „objektiv“, doch war Typografie ein Gebiet, um das sich die Staatspartei gar nicht kümmerte: Zur „objektiven“ Schrift mussten die Fachleute nicht angetrieben werden. Indessen zeugt die schmucklos-geometrische Architektur im Zentrum Ostberlins, die Koop in einem anderen Kapitel behandelt, vom selben Geist wie die Schriftsysteme. Man darf insgesamt an die Polemik des österreichischen Architekten Adolf Loos denken, der sein bekanntestes Buch Ornament und Verbrechen (1913) betitelte.Wer weiß schon noch, dass es Adolf Hitler war, der die Beibehaltung des „ß“ anordnete, als er die deutsche Schrift von gotisch auf lateinisch umstellen ließ? In NS CI (2008/2012), Koops vielbeachtetem Vorgängerbuch zu DDR CI, ist es zu lesen. Man könnte im „ß“ einen Buchstaben sehen, der als solcher zur Serife geworden ist, um gleichsam die verschwundene Gotik in Erinnerung zu halten. In DDR CI wiederum finden wir nun den Gedanken, dass das Hakenkreuz als Parteisymbol der Nazis nach dem Ende Nazideutschlands verboten werden musste, während nie jemand auf den Gedanken kam, das Parteiemblem der SED zu verbieten. Dass es unnötig war, ist sicher nicht aus den Zeichen zu erklären, doch geht auch von denen eine Wirkung aus – oder eben nicht. Der Händedruck als SED-Zeichen, der gleichsam fotografisch den Moment festhält, in dem Wilhelm Pieck von der KPD und Otto Grotewohl von der Ost-SPD die Einheit aller Sozialisten besiegelten, musste schon in der DDR selbst für viele sehr bald die Überzeugungskraft einbüßen, weil schnell offensichtlich wurde, dass nur die alten KP-Kader den Kurs der neuen Partei bestimmten. Das Nazisymbol wiederum, als Swastika ein archaisches Sonnensymbol, war gar nicht darauf angelegt, in seinem ganzen Umfang verstanden zu werden. Dass es sich aufs christliche Kreuz bezog und dieses negierte, war verständlich genug, doch dass Hitler auf einem nach rechts statt links sich drehenden Hakenkreuz bestanden hatte, weil es in der archaischen Symbolsprache den Untergang bedeutete, wurde nicht bekannt.Koop geht den verschiedenen Bestandteilen des SED-Zeichens – der roten Fahne hinter dem Händedruck, dem blauen Schriftband rundherum, dessen gelben Rändern, der uneinheitlichen Setzung der gelben Großbuchstaben darin, der ovalen Form insgesamt – genau nach. Vom Standpunkt des Gestalters aus findet er das Emblem, dessen Grundidee übrigens von Grotewohl stammt, überkomplex. Koop zeigt, aus welchen verschiedenen Traditionen die einzelnen Elemente herrühren. Sein Interesse gilt ersichtlich einer Zeichenform, die „nicht mehr zu retten“ ist, und regt so zu der Frage an, ob wir uns der heutigen Zeichenwelt überhaupt noch bewusst sein können oder sie nur noch unser Unbewusstes formiert. Letzteres scheint der Fall zu sein: So viele „Marken“ gibt es inzwischen, jede will auf sich aufmerksam machen, muss also schnell als solche erkannt werden können. Man denke nur an die Fülle der Logos, die heute hinter einem Fußballtrainer erscheinen, wenn er ein Spiel resümiert. Vor diesem Problem stand die SED bei ihrer Gründung 1946 noch nicht.Das Buch stellt das „visuelle Erscheinungsbild“ der DDR, so der Untertitel, in zehn Kapiteln dar, die neben dem hier Angetippten das Staatswappen, die Nationalflagge, die Uniformen, Briefmarken, Banknoten und noch anderes behandeln. Viele dieser Analysen laufen darauf hinaus, dass sich an den Zeichen ein starker Wille der politischen Führung ablesen lässt, die DDR nicht nur an der Sowjetunion zu orientieren, sondern auch von ihr abzugrenzen. Zum Teil ging es nicht anders, so bei der Nationalflagge, die wegen der ursprünglichen Perspektive der deutschen Wiedervereinigung nicht monochrom rot sein konnte, sondern anfangs exakt genauso aussah wie heute noch die Flagge der Bundesrepublik. Bei den militärischen Uniformen unterschied sich die DDR zwar stark von der Bundesrepublik, so aber, dass sie eine deutsche Tradition fortsetzte, die preußische, statt sich wie die Bundesrepublik an den USA zu orientieren. Doch dass im Staatswappen Hammer und Zirkel, als Verweis auf die Intelligenz, statt Hammer und Sichel erschienen, ist ein Beleg für den eigenen Willen der deutschen Partei im Verhältnis zur Sowjetunion.Koop arbeitet mit begrüßenswert vielen Abbildungen, an denen man, wo er sie nur knapp kommentiert, auch eigenständig weiterarbeiten kann. Im Vorwort schreibt Wolfgang Thierse, der frühere Bundestagspräsident, mit Recht, dass es in der DDR nicht nur „ideologische Normierung“, sondern auch „kulturellen Reichtum“ gab und dieser sich auch auf die „Bildwelt“ erstreckte – bis hin zum „Produktdesign“.Placeholder infobox-1
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