Warum protestieren?

Kommentar Vor neuen Kriegen gegen die "Achse des Bösen"

Gut, dass ein Ereignis wie die Münchener "Sicherheitskonferenz", auf der US-amerikanische Regierungsvertreter eine höchst unsichere Welt vorbereiteten, nämlich ihren Krieg gegen die "Achse des Bösen", wenigstens noch von Protestdemonstrationen begleitet war. Es ist daran nichts zu bedenken als allenfalls die Frage, warum es nicht viel mehr Demonstranten gibt und auch sonst mehr gesellschaftlichen Protest. Dann hätte auch ein Verbot der Münchener Demonstration gar nicht erst versucht werden können. Die Antwort ist auch im Diskurs des Protestes zu suchen. Es gibt Beispiele hervorragender Demonstrationszeiten, aus denen man lernen kann, wie es gemacht wird, zum Beispiel 1968 oder 1981. Die vorbereitende und begleitende gesellschaftliche Debatte spielte immer eine zentrale Rolle. 1981 zum Beispiel wurden viele erst durch die Debatte darüber aufgeklärt, dass die Raketen-"Nachrüstung" des Westens gegen eine "Aufrüstung" des Ostens, die ihrerseits als "Nachrüstung" gerechtfertigt worden war, auf endlose Rüstungsspiralen und damit auf das Gegenteil des angeblich friedenssichernden militärischen "Gleichgewichts" hinauslief, das verantwortungslose Staatsmänner damals versprachen.

Der Protest-Diskurs von heute ist sehr wenig geeignet, den Massenprotest auf der Straße hervorzubringen, der gegen die von den USA ausgehende Gefahr gebraucht würde. Diejenigen, die als Initiatoren infrage kämen, haben nämlich eine diskursive Situation hergestellt, der zufolge es Protest schon allein deshalb geben muss, weil überhaupt noch Krieg vorkommt, in dem immer auch Unschuldige sterben. Dass es in Afghanistan Einheimische geben soll, die sich über die Vertreibung der Taleban freuen, auch wenn dafür Bomben fielen und die Millionen Flüchtlinge aus dem Bürgerkrieg noch weiteren Zulauf erhielten, gilt als unbeachtlich, denn: Krieg ist Krieg und wird verurteilt. Hätte man die Absicht gehabt, größere Teile der Bevölkerung in den Protest einzubeziehen, wäre schon ein etwas engeres Kriterium des zu Verurteilenden einzuführen gewesen. Dass Präsident Bush jetzt sogar den Iran bedroht, weil dieser angeblich in den Besitz von ABC-Waffen gelangen will, sollte wahrlich einen Massenprotest auslösen, denn wie alle seriösen öffentlichen Quellen ausweisen, ist die Behauptung erstunken und erlogen. Aber es ist eben nicht zu erwarten, dass die vielen Bürger und Bürgerinnen, die bereit sein könnten, gegen solche Kriegstreiberei auf die Straße zu gehen, zugleich und vor allem dagegen sind, dass wir noch nicht im eschatologischen Paradies leben, wo Wolf und Lamm friedlich zusammen weiden. Diese Menschen sagen sich nun umgekehrt, ein amerikanischer Überfall auf Irak, Iran und Nordkorea könne nach Auskunft der Protestinitiatoren ja auch nicht schlimmer sein als jener Krieg gegen die Lager der Al Qaida, deren Führer offen sagen, dass sie die USA vernichten wollen, und gegen das weder völkerrechtlich noch innerafghanisch anerkannte Regime, das sie schützte.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

Michael Jäger

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