Krachen im Gebälk

Niederlande Zum ersten Mal wird es für eine Regierung in Den Haag einen Schatten-Premier geben – Geert Wilders wird mit seiner Freiheitspartei nicht nur tolerieren wollen

In Den Haag unterscheidet man Regierungen nach Farben und Nummern: Es gab Paars (Lila) 1, 2 und 3. Jetzt ist – mehr als 120 Tage nach der Wahl vom 6. Juni – Bruin 1 (Braun) angesagt. Formiert von Schwarzen (CDA) und Gelben (VVD) und als Minderheitskabinett aufs politische Überleben aus. Extrem ungewöhnlich in diesem Land und extrem instabil. Man verfügt im Parlament über eine Stimme Mehrheit und ist auf das Tolerieren durch Geert Wilders und seine Freiheitspartei (PVV) angewiesen, der nach Umfragen stärker denn je dasteht und die gesamte niederländische Politik nach rechts treibt. Laut Tolerierungsvertrag wird Bruin 1 einem unversöhnlichen Kurs gegen Muslime sowie Immigranten folgen und sparen, was das Zeug hält: 18 Milliarden Euro, zum Schaden des niederländischen Sozialstaats, der immer noch – auch nach jahrelangen sozialdemokratischen Sparorgien – besser ist als der deutsche.

Es kracht nun im Gebälk der Christdemokraten. Es geht um etwas – um die niederländische Toleranz, um Freiheiten und Rechte aller Bürger, um die Schlusssteine des Rechtsstaates. In den Niederlanden sind Hasspredigten gegen Minderheiten und eine offene Diskriminierung wegen des Glaubens, der Rasse und des Geschlechts strafbar.

Während die liberale VVD – seit jeher mehr an der rechten Peripherie unterwegs – den Pakt mit Wilders ohne viel Aufhebens abgesegnet hat, bleiben die Christendemokratie gespalten, um nicht zu sagen: zerrissen. Ein paar bibelfeste Leute gibt es im Kernland der protestantischen Sekten doch noch. „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und darüber seine Seele ver­löre?“ Ja, die ganze Welt, aber dann ein paar schäbige Ministersessel für einen Pakt mit jemandem, der mit dem Etikett „Rechtspopulist“ verharmlosend beschrieben wird. Seit Anfang der Woche steht der designierte Schattenpremier Wilders wegen Volksverhetzung vor Gericht. Seine Hasspredigten gegen Muslime in Europa und überall auf der Welt sind strafbare Handlungen – keine Kavaliersdelikte. Und noch gibt es Richter in Amsterdam. Wer Millionen von Muslimen deportieren will, ist kein harmloser Spinner. Da der Herr, wie alle Demagogen seiner Sorte, persönlich als Feigling auffällt, der jeder direkten Auseinandersetzung mit seinen Gegnern möglichst aus dem Weg geht, hat er auch vor Gericht geschwiegen und sich statt dessen als Opfer einer „politischen Justiz“ inszeniert. Man kann seine wütenden Attacken auf Muslime mit einer schweren narzisstischen Störung erklären. Aber wer eine solche Figur samt ihren nicht gerade wenigen Anhängern in den Innenhof der Macht lässt, sollte wissen, was er tut.

Beim letzten Mal, als 2002 die Partei von Pim Fortuyn an der ersten Regierung des Premiers Balkenende beteiligt war, dauerte es 86 Tage, bis diese islamfeindliche Gruppierung der Selbstzerfleischung verfiel und sich in die Bedeutungslosigkeit zurückzog. Dieses Mal wird der Albtraum länger dauern. Wilders hat seinen dröhnenden Resonanzboden. Die Niederlande sind nicht länger ein tolerantes, fremdenfreundliches Land. Um so mehr hat Geert Mak, in Deutschland als Autor bekannt und beliebt, die europäischen Nachbarn um Wachsamkeit und Einmischung gebeten. Freunden in der Not soll man sich nicht verweigern.

Es kracht im Gebälk

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