Sie trauen sich was bei der EU. Manchmal, selten genug. Aber da Donald Trump den Europäern allzu heftig auf die Zehen tritt, fangen sie an, sich zu wehren. Der US-Präsident hat das Atomabkommen mit Teheran aufgekündigt und allen übrigen Vertragsparteien mit Sanktionen gedroht, sollten sie sich erdreisten, mit Iran weiter Geschäfte zu machen. Zusätzlich haben die USA – getrieben von Iran-Hardlinern wie Trumps Nationalem Sicherheitsberater John Bolton – die Sanktionen gegen Iran wieder in Kraft gesetzt, ab November droht eine weitere Verschärfung. Laut Trump sollen es die schärfsten Sanktionen aller Zeiten werden. Wehe dem, der da nicht mitspielen will.
Die EU, Russland und China aber wollen am Atomabkommen mit Iran festhalten. Ihrer Auffassung nach hat sich Iran an den Vertrag gehalten und seine Verpflichtungen erfüllt. Die EU weiß, dass das iranische Regime einen Anreiz hat, das Abkommen einzuhalten, solange es daraus Vorteile zieht, etwa Investitionen von europäischen Firmen und Erleichterungen für den Güter- und Finanzverkehr. Um aber weiter mit Iran Handel treiben zu können, muss die EU die US-Sanktionen umgehen, die allen blühen, die sich Trumps Ratschluss widersetzen.
Um europäische Firmen vor US-Sanktionen zu schützen, muss man dafür sorgen, dass deren Iran-Geschäfte von US-Banken und US-Behörden nicht mehr erfasst und kontrolliert werden können. Das ist nicht ganz einfach, aber machbar. Es ist deshalb nicht ganz einfach, weil der US-Dollar die dominante Weltwährung ist und nach wie vor rund 80 Prozent des Welthandels in US-Dollar abgewickelt werden. Man müsste also imstande sein, Zahlungsströme zwischen Iran und europäischen Firmen nicht mehr über US-Banken oder die von US-Banken dominierten internationalen Devisenmärkte laufen zu lassen.
Die Europäische Investitionsbank EIB kann Iran-Geschäfte europäischer Unternehmen nicht finanzieren, weil sie wegen ihrer zahlreichen Aktivitäten auf den internationalen Finanzmärkten US-Sanktionen nicht entgehen kann. Die europäischen Notenbanken können nicht einspringen, weil sie damit ihre nicht unbeträchtlichen Vermögensanlagen in New York aufs Spiel setzen würden. Also muss etwas anderes her, eine Nicht-Bank, eine Finanzinstitution, die möglichst intransparent und für Außenstehende unsichtbar operieren kann. Eine neu zu schaffende Zweckgesellschaft – im Jargon ein „Special Purpose Vehicle“ (SPV) – soll das bewerkstelligen, nach schon bewährtem Muster. International operierende Banken bedienen sich dieser Methode, um spekulative Transaktionen beziehungsweise ganze Geschäftsbereiche aus ihren Bilanzen auszulagern.
Der Plan: eine Tauschbörse
Eine derartige Zweckgesellschaft soll dazu dienen, das Iran-Geschäft europäischer Firmen vom globalen Finanzsystem abzukoppeln und auf einem Umweg an den Geschäftsbanken, Zentralbanken und Finanzmärkten vorbeizufinanzieren. Für eine Zweckgesellschaft dieses Typs braucht es kaum Kapital, ein paar Bürgschaften würden reichen, sie kann also ohne öffentliche Gelder eingerichtet werden. Denn es handelt sich nicht um eine Bank, sondern bloß um eine Art Clearing-Stelle, eine Tauschbörse, bei der Forderungen von iranischen und europäischen Firmen gegeneinander verrechnet werden. Die Zahlungen würden innerhalb der Zweckgesellschaft gebündelt und ausgeglichen, die bestehenden Clearing-Stellen an den internationalen Finanzmärkten würden von diesen Zahlungsströmen nichts sehen, sie könnten also auch nicht von anderen kontrolliert werden. Die EU-Kommission behielte die Fäden in der Hand. Wie es aussieht, wird die neue Zweckgesellschaft in Luxemburg gegründet, alle EU-Staaten zusammen oder auch nur einige Mitgliedsstaaten könnten die Clearing-Stelle tragen.
Ende September gab die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in New York offiziell bekannt, dass die EU diesen Plan in die Tat umsetzen wird. Mit wohlwollender Unterstützung und vermutlich Beteiligung anderer Mächte wie Russland und China, die ebenfalls Wert darauf legen, ihre Iran-Geschäfte unbehindert von US-Sanktionen weiter betreiben zu können. Da der Plan schon seit längerem diskutiert wird, darf man annehmen, dass die Sache schon weit gediehen ist. US-Firmen, denen der Handel mit Iran strikt verboten ist, werden sich nicht beteiligen, jedenfalls offiziell nicht. Selbst wenn sie es täten, viel zu petzen hätten sie nicht, da die Verrechnung und der Ausgleich der Zahlungen von der Zweckgesellschaft vorgenommen wird und kein Beteiligter weiß oder wissen kann, gegen wessen Transaktionen seine eigenen verrechnet werden.
Den Iranern kommt die Initiative der EU sehr gelegen. Denn sie haben in der Vergangenheit schon oft damit gedroht, ihre Öl- und sonstigen Geschäfte nicht mehr in US-Dollar, sondern in anderen Währungen abzuwickeln. Und gelegentlich haben sie das auch getan. Damit sollte auf Dauer die Dominanz des US-Dollars, mithin der zentrale Pfeiler, auf dem die Hegemonie der Weltmacht USA ruht, geschwächt werden.
In den meisten Schwellenländern denkt man ähnlich: Wohl dem, der sich der Dollar-Hegemonie wenigstens ein Stück weit entziehen kann. Die neue Zweckgesellschaft der EU kann das bewerkstelligen. Allerdings reicht das gesamte Volumen der Iran-Geschäfte bei Weitem nicht, um dem Dollar-Regime ernsthaft zuzusetzen. Denn nach wie vor werden gut 63 Prozent der weltweiten Devisenreserven in US-Dollar gehalten. Die anderen Weltwährungen – der Euro, der Yen, der Yuan, das britische Pfund, der Schweizer Franken – sind nicht stark genug, um wirklich die Rolle des Rivalen zu spielen.
Der Yuan könnte in zehn bis fünfzehn Jahren so viel Gewicht bekommen, dass er dem Dollar den Rang ablaufen könnte, zumindest in Asien. Der Euro, auf den vor der Finanzkrise gut 28 Prozent der weltweiten Devisenreserven entfielen, hat dank der sogenannten Euro-Krise an Boden verloren. Nur noch 20 Prozent der Weltdevisenreserven entfallen auf ihn. Auch wenn er sich in jüngster Zeit wieder zu erholen beginnt, hinkt er derzeit hinter dem Dollar her, da die Fed die Zinswende bereits vollzogen hat und die Zinsen laufend weiter erhöht. Das führt dazu, dass im Moment weltweit Kapital in den Dollar-Raum beziehungsweise in Dollar-Anlagen abfließt. Die EZB hat mit der Zinswende noch nicht einmal begonnen, sie wird sie frühestens im nächsten Jahr einleiten. Erst dann wird sich zeigen, ob der Euro aufholen kann und ob er das Zeug und die EU den Mut hat, die Dollar-Dominanz herauszufordern.
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