Wie PEGIDA ist Angela Merkel?

Dresden .... ein Rückblick im Jahr 4 nach Sarrazin ...

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Ein kurzer Blick zurück ins Jahr 2010. Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ löst im August und September 2010 deutschlandweite Kontroversen aus, die sich primär um die Fragen „Integrieren sich Muslime in Deutschland schlechter als Migranten anderer Religionen oder kultureller Herkunft?“ und nicht zuletzt „Inwieweit gehört der Islam zu Deutschland?“ drehen.


Meinte man mit "Multikulti" in Wahrheit den Islam?

Die Frage, inwieweit der Islam zu Deutschland gehöre, beantwortete der damalige Bundespräsident Christian Wulff Mitte Oktober mit „Ja“, kurz nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel meinte, dass „Multikulti gescheitert“ sei. Damit sagte sie dasselbe wie kurz zuvor Horst Seehofer, der das Wort „tot“ verwendet hatte.

Ironische Randnotiz: Angela Merkel hatte noch im September 2010 Sarrazins Buch als „diffamierend“ und „nicht hilfreich“ bezeichnet, ohne es jedoch selbst gelesen zu haben. Worum es Angela Merkel bei all dem Hin- und Her wirklich ging, bleibt nach wie vor schleierhaft, es sei denn man beschränkt sich auf "Sie will ihre Macht erhalten und ausbauen - ganz gleich, was und wen es koste."

Der derzeitige Bundespräsident Joachim Gauck versuchte es dann kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 2012 mit einer Art Mittelweg, indem er nicht den Islam, sondern die Muslime als Teil Deutschlands sah.

Ist PEGIDA so neu?

Zwei bzw. vier Jahre später sind mehrere Tausend Menschen auf Dresdens Straßen und versammeln sich unter dem öffentlich bekannten Passwort „PEGIDA“. Patriotisch ist man und europäisch, gegen Islamisierung und für das Abendland. Die Erörterung jedes der vier Wörter (P, E, I, A) dürfte ganze Buchreihen füllen. Die kürzlich formulierten Forderungen des PEGIDA-Vorstandes sehen fast schon harmlos aus und könnten von jedem CDU-, CSU- oder AfD-Programm abgeguckt worden sein.

Das Interessante für mich ist ja, dass sich die PEGIDA bisher nicht so offen äußert wie Angela Merkel oder Horst Seehofer im Jahr 2010. Würde einer der PEGIDA-Teilnehmer heute mit einem Transparent mit der Aufschrift „Multikulti ist tot“ herumlaufen, würde er sofort in die „rechte Ecke“ gestellt oder gar als Nazi „entlarvt“ werden.

Abendland ist abgebrannt?

Was sagt mir das ganze PEGIDA-Ding nun? Ich überlege – offen gestanden – immer mal wieder und bisher kam ich nur zu einem Schluss. Der (PEGIDA-)Wutbürger sucht seine Identität – das ist das Hauptproblem … und die kann ihm auch die Politik – sei es Angela Merkel, CDU/CSU oder die AfD – nicht geben, weil allesamt genauso orientierungslos sind. Europa ist im Grunde tot, bestenfalls besteht das Euroland noch … von gemeinsamen Werten spricht hier schon längst niemand mehr. Schon der Tscheche oder Pole wird zur Bedrohung, der Franzose und der Schweizer vermutlich jedoch weniger oder gar nicht ... es geht um Besitzstandswahrung, kurzum: ums Geld.

Die Fokussierung auf den Weihnachtsstollen oder den Weihnachtsmarkt als Sinnbild für die abendländische Kultur erscheint mir genauso bitter – in letzter Konsequenz – wie die Versuche der Ex-DDR-Bürger, nach der Wiedervereinigung wenigstens noch ihr Ampelmännchen zu retten. Das hatte zwar einen gewissen Charme, doch was war da vorher schon alles den Bach runtergegangen?

Für mich stellt sich momentan wohl eher die Frage, ob das Abendland schon tot ist, wenn es Bewegungen wie PEGIDA braucht, um daran zu erinnern? Und wenn dem so sein sollte, wer hat es denn abgeschafft, wenn nicht die Abendländler selbst? Oder war es vielleicht doch das eine Prozent Muslime in Sachsen? Wenn dem so wäre, na dann Gute Nacht, Abendland - dann hattest du es auch nicht besser verdient.

In diesem Sinne … bis nächsten Montag, Micha(el Winkler), Dresden.

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Geschrieben von

Michael Winkler, Dresden

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