Kommt ein Deutscher in die Bar

Ze Germans Im Ausland sind Deutsche nicht mehr verhasst, aber noch immer unbeliebt. Warum?

Sagen wir, wie es ist: Die Deutschen sind nicht wirklich beliebt. Weder in England noch in Dänemark, schon gar nicht in Österreich oder der Schweiz. Es mag sein, dass sie in Chile populär sind – aber wer war schon in Chile? Natürlich schlägt den Deutschen nicht wie früher offener Hass entgegen. Es mag stimmen, was Umfragen herausgefunden haben, dass Deutsche weltweit höchstes Ansehen genießen. Aber Sympathie geht anders.

Warum mag uns noch immer niemand? Die einfachste ist die dümmste Erklärung: der Verweis auf den Nationalsozialismus. „Das letzte Mal, als sie hier waren, ging es auch nicht gut aus“, hört man schon mal in Dänemark, aber das Argument stirbt aus. Tatsächlich hat das Unbehagen an den Deutschen mit der Geschichte nichts mehr zu tun. Die Nazis sind seit 1945 weg, daran wird auch Zwickau nichts ändern.

Woran sich das Ausland stört, ist nicht die Geschichte, sondern die Gegenwart. Die Deutschen werden nicht mehr als imperiale Bedrohung wahrgenommen, bloß noch als kulturelle Belästigung. Es geht um Kleinigkeiten. Um den bellenden Befehlston beim Bestellen („Ich krieg drei Bier!“). Um den poltrigen Humor, der grobschlächtig mit herzhaft verwechselt („Ist dein Vater Glaser?“). Um den vor allem bei Männern verbreiteten Welterklärungsfimmel („Ich sag mal so,…“). Um das hemmungslose Austeilen, bei gleichzeitiger Dünnhäutigkeit, die leicht in Beleidigtsein umschlägt und dann gefährlich ist wie eine entsicherte Handgranate.

Natürlich trifft das nicht auf alle Deutschen zu. Natürlich ist vieles dem harten Klang und salvenhaften Stakkato der deutschen Sprache geschuldet. Natürlich gibt es regionale Ausprägungen und soziale Färbungen. Die rotzige Unfreundlichkeit eines, sagen wir, Berliner Museumsdirektors, ist nicht das Gleiche wie das übelgelaunte Genuschel eines Hamburger Hafenarbeiters.

Das Interessante am Deutsch-Unbehagen ist, dass es zwei zentrale Thesen der Fremdenfeindlichkeit widerlegt: erstens, dass Bildung vor Rassismus schützt (es sind im Ausland oft Bürgerliche, die sich an Deutschen stören). Und zweitens, dass nur kulturell andersartige Gruppen diskriminiert werden (die Deutschen fallen vor allem dort auf, wo ihre Andersartigkeit nicht groß auffällt. In Dänemark, Holland oder Großbritannien. „Narzissmus der kleinen Differenzen“, nannte Freud das Betonen eigentlich geringfügiger Unterschiede).

Ausländer, die mit Deutschen gearbeitet haben, berichten von einer latenten Gereiztheit, gepaart mit permanentem Selbstzweifel. Die toxische Kombination entlädt sich in einer gnadenlosen Kritikkultur. Deutsche sind unsentimental. Sie sagen, was Sache ist. Das System funktioniert nach der „Finde-den-Fehler“-Methode. Sie geht so: Man liest einen Text, keinen schlechten, und bemerkt zuerst, was einem missfällt. Man betritt die Wohnung eines Kollegen und erwähnt als erstes, dass der Teppich „ganz schön gewagt“ sei. Es ist nicht abschätzig gemeint. Man sagt halt, was man denkt. Nun ist es aber so: Jeder Mensch, jedes System, jedes Produkt, jede Idee hat Fehler. Mangelnde Fehler-Toleranz führt im besten Fall zu Perfektion. Aber häufig erstickt die Fokussierung auf die Schwäche eine Leichtigkeit und Freude, die das Leben überhaupt erst erträglich machen.

Woher kommt diese Härte im Urteil? Woher die fehlende Großzügigkeit? Woher dieses Pendeln zwischen Selbsthass und Selbstüberschätzung?

In seinem sehr lesenswerten Buch Grüezi Gummihälse untersucht der Schweizer Bruno Ziauddin mit feiner Genauigkeit unter anderem diesen Selbsthass. Die gestrengen Urteile über Deutsche, heißt es dort, stammten allesamt von Deutschen, die in der Schweiz leben und Dinge sagen wie: „Jene, von denen ich zu Hause die Schnauze voll hatte, sind jetzt auch hier.“

Wir lernen: Niemand urteilt gnadenloser über Deutsche als Deutsche.

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