Warum 68 passierte

52 Filme - 52 Wochen Unser Kolumnist Mikael Krogerus ist Fan der US-Fernsehserie "Mad Men". Die lässt sich sogar ohne Ton genießen. Allerdings verpasst man dann die abgründigsten Dialoge

Was habe ich gesehen?Mad Men – Season 3 (2009), Laufzeit: 624 min.

Warum habe ich es gesehen?

Mad Men ist derzeit der einzige Grund, Fernsehen zu schauen. Eine Serie, so schön, so ästhetisch, so handlungsarm und doch mit einer solch subversiven, politischen Note – wäre Mad Men eine Wohnung, ich würde dort einziehen.

Worum geht es in der Serie?

Um eine Werbeagentur in den 1960ern, mehr hier.

Worum geht es in der dritten Staffel?

Nachdem der charismatisch-mysteriöse Don Draper in der zweiten Staffel komplett dekonstruiert und von den Drehbuchautoren nur mit Mühe zurück in den Schoß der heilen Kleinfamilienwelt geschrieben wurde, hält er in Staffel 3 die Füße auffällig still. Überhaupt passiert, und dafür muss man die Schöpfer von Mad Men einfach lieben, erstaunlich wenig. Die besten Folgen sind wie immer die ersten fünf, in denen Handlungsstränge nur angedeutet sind. Mal sagt diese Person etwas, mal jene, mal schweigen alle. So manch vielversprechender Ansatz verläuft sich einfach wieder – wie im richtigen Leben! Bloss mit viel mehr Stil. Wem die Handlung zu blöd ist, kann den Ton ausschalten und sich einfach in der grandiosen Set-Deko ergötzen.

Was machen die Frauen?

Betty Draper entwickelt sich mehr und mehr zu einer bitteren, mit Selbsthass und albernen Vater-Komplexen und außerehelichen Sehnsüchten beladenen Ehefrau/Hausfrau/Mutter. Eine Gefangene ihrer Zeit. Die heimliche Hauptfigur der Serie, die üppige, kluge, witzige und himmeltodtraurige Chefsekretärin Joan Harris erhält mehr Spielzeit. Ihre stärkste Szene: Als sie Peggy Olsen erklärt, wie man eine Kleinanzeige formuliert, um eine Mitbewohnerin zu finden. Besagte Peggy Olsen wiederum, die Sekretärin, die zur Texterin aufstieg, bleibt die überraschendste Figur der Serie. Die wichtigste weibliche Nebenrolle wird die kleine Sally, Betty und Dons Tochter. Mit einer erstaunlichen Beharrlichkeit gibt sie die Eifersüchtige, Unsichere und Unangepasste; Auslöser ist die Geburt ihres kleinen Bruders. Die Eifersuchtsattacken geben Don die Möglichkeit, den guten Vater zu geben. Schauen Sie sich diesen Dialog an:

Sally: I thought the Baby would be a girl.
Don: I tought you’d be a boy. (Pause). Not all surprises are bad.

Wo ist die Staffel politisch?

Nur auf den ersten Blick erzählt Mad Men die Geschichte von Männern, die in den frühen 1960ern versuchen Karriere, Alkohol und Frauen unter einen (schönen) Hut zu kriegen. Tatsächlich handelt die Serie viel von dem, was man nicht sieht: die vollständige Abwesenheit von Gleichberechtigung. Mad Men zeigt letztlich nichts anderes als den Grund, warum 1968 passierte.

Die beste Folge:

Teil 5 (geschrieben von Kater Gordon – übrigens ist Mad Men eine der wenigen Serien, in denen die Mehrheit der Drehbuchautoren Frauen sind).

Diese Person wäre ich gern? Joan Harris.

Was bleibt?

In einer denkwürdigen Szene sagt Peggy Olsen zu Don Draper: „You have everything. And so much of it.“
Ich dachte an mein eigenes Leben. Ich dachte, dass trifft auf mich zu. Ich habe alles. Und so viel davon. Ich schaltete den Fernseher aus und war: glücklich. Und ein wenig traurig. Nennen Sie mir eine TV-Serie, die das schafft außer Mad Men!

Für Werber:

„It’s about listening to people and never really say what’s on your mind.“
(Roger Sterling, der den Beruf des Kontakters/Beraters erklärt).

Für Eltern:

„Only boring people are bored.“
(Betty Draper zu ihrem Sohn, der sich langweilt).

Was sehe ich als nächstes?

Perdita Durango von Alex de la Iglesia.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden