Was habe ich gelesen?
Publikumsbeschimpfung und andere Sprechstücke" target="_blank">Publikumsbeschimpfung und andere Sprechstücke von Peter Handke.
Seitenzahl: 96 Seiten.
Amazon-Verkaufsrang: 10.092
Warum habe ich es gelesen?
Wollte eigentlich Dan Brown lesen, schaffte das Buch aber nicht in einer Woche. Vielleicht, weil die Hauptcharaktere alle wie Lexika sprechen. Vielleicht, weil man sich parallel zur Lektüre auf zweifelhaften Freimaurer-Websites herumtreibt. Aber dazu nächste Woche mehr. Stattdessen las ich diese Woche meinen ersten Handke. Und das kam so: Nachdem ich an dieser Stelle über den „Wie-Vergleich“ geschrieben hatte, („Wie ein Vibrator in der Venus von Milo (I)"), erhielt ich das schmale Bändchen Publikumsbeschimpfungen zugeschickt. Pflichtlektüre für alle Wie-Vergleich-Fans, schrieb mir Andreas Dietrich, Blattmacher beim Tagesanzeiger und selber ein ziemlicher Crack auf diesem viel zu wenig beachteten Seitenast des Journalismus.
Worum geht es?
Es sind drei Sprechstücke, also Theaterstücke ohne Handlung. Indem Peter Handke das Theater auflöst, und die Schauspieler zu Beobachtern des Publikums macht, macht er neues Theater, habe ich mal gelesen. Ist aber auch egal. Von den drei Sprechstücken können Sie das erste (Publikumsbeschimpfung) und das letzte (Selbstbezichtigung) vernachlässigen. Wichtig ist das mittlere: Weissagung. Hier reiht Handke gebetsmühlenartige Wie-Vergleiche aneinander, die sich selber erledigen, also etwa so: Und die Fliegen werden sterben wie die Fliegen. Und das Espenlaub wird zittern wie Espenlaub. Und die Bombe wird einschlagen wie eine Bombe. Und der Pfau wird stolz sein wie ein Pfau. Handke treibt das über 12 Seiten schier endlos, simpel, aber verdammt effektiv. Gegen Ende wird es richtig absurd: Und die Gerufenen werden wie gerufen kommen, und die Bestellten und nicht Abgeholten werden stehen wie bestellt und nicht abgeholt.
Was bleibt hängen?
Der Wie-Vergleich ist eine der ältesten und schönsten rhetorischen Figuren. Es gibt ihn in zwei Formen: als similitudo, ein naheliegender, unnötiger Vergleich („Sie schwankte wie ein Schilfrohr im Wind“) und als dissimilitudo, ein unorthodoxer, auffälliger Vergleich („Der Unterschied zwischen einem Blender und einem Erleuchteten ist so groß wie der Unterschied zwischen Rotlicht und Lichterkette.“ – der stammt von Ingolf Gillmann, dem ungekrönten Meister dieser Disziplin). Handke kümmert sich um die Similitudo-Vergleiche, aber so erschöpfend und so exzessiv, dass am Ende das Einfache das Paradoxe ist. („Gott wird in Frankreich leben wie Gott in Frankreich“).
Wie liest es sich?
Es liest sich wie ein Wie-Vergleich.
Das beste Zitat:
„Der Vater wird dem Sohn wie ein Vater dem Sohn sein“.
Was lese ich als nächstes?
Dan Brown, The Lost Symbol.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.