C-19, Journalismus, Krise

Eine Klarstellung. Was ist eigentlich eine „Krise“ und wie geht „kritischer – bzw. krisischer – Journalismus“?

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Stell dir vor, es ist Krise und keiner geht hin!

Wie wir jetzt sehen, ist das mit dem Nicht-hin-gehen aber gar nicht so einfach. Es gehen sogar ziemlich Viele hin. Deshalb möchte der Autor mit Dir, liebe Leserin/lieber Leser einmal über zwei Begriffe nachdenken: „Kritischer Journalismus“ sowie „Krise“ bzw. damit zusammenhängend „Wandel“. Um es gleich vorweg zu sagen: „Wandel“ ist nichts für schwache Nerven. Für „Wandel“ braucht es ganze Männer und starke Frauen (und liebe Kinder natürlich auch). Keine Panik! Wir schaffen das!

Zunächst nennt der Autor aber seine Beweggründe diesen Artikel zu schreiben: Er war und ist schon ein wenig irritiert darüber, dass uns in Zusammenhang mit C-19 von Seiten mancher sog. „alternativen Medien“ Erbsenzählerei als kritischer Journalismus verkauft worden ist. Zudem findet es der Autor erstaunlich, wie manche Leute jetzt so ganz plötzlich ihr Herz für sog. „Grund- und Freiheitsrechte“ entdecken. Unsere westliche Gesellschaft baut geradezu darauf auf, „Grund- und Freiheitsrechte“ mit Füßen zu treten. Gab es deswegen irgendwann Protest? Und drittens gibt es ganz offenbar eine falsche Vorstellung darüber, was eine „Krise“ ist.

Also gehen wir es an:

Punkt A: Kleiner Online-Kurs: Was ist kritischer Journalismus?

1.) Kritischer Journalismus ist in erster Linie selbstkritischer Journalismus.

Es versteht sich eigentlich von selbst, dass es es keine Kunst ist, am anderen etwas auszusetzen. Die Kunst – und der Journalismus – besteht darin, sich selbst in Frage zu stellen. Wieso das so wichtig ist, sehen wir dann unter Punkt 3. Bei manchen alternativen Medien hat man so eine Haltung ansatzweise bereits erkennen können, aber in der Krise ist das dann oft wieder verlorengegangen. Schade, weil manche bringen sich da gerade um ihr Lebenswerk.

Es gibt eine Regel, die ganz allgemein gilt, aber gerade insbesondere von Journalisten befolgt werden sollte und diese Regel lautet: Was der oder die Andere macht ist zweitrangig. Es ist nicht völlig bedeutungslos, aber es ist zweitrangig. Wichtig ist, was Du selber machst. Wenn Du Dir noch nie als allererstes die Frage gestellt hast, was Dein Anteil am Problem ist, steckst Du noch in den Kinderschuhen. Löse zuerst die von Dir verursachten Probleme, bevor du an anderen etwas kritisierst und herumdokterst. Wenn uns Journalisten ständig vermitteln, wie böse Der oder Die ist, wie schlecht dieses oder jenes Land ist usw. dann handelt es sich garantiert nicht um Journalismus. Das taugt dann nicht einmal für die Märchenstunde.

2.) Löse Dich aus Deiner Symbiose!

Es fällt stark auf, dass alternative Medien mit den etablierten Medien und den dahinterstehenden gesellschaftlichen Kräften in einer Symbiose leben. Der Eine zieht seine Lebensberechtigung aus der Existenz des Anderen und umgekehrt. Bis zu einem gewissen Grad ist das vielleicht auch in Ordnung, aber es erinnert doch allzu sehr an erwachsene Kinder, die oft bis an ihr Lebensende mit ihren Eltern in einem inneren oder äußeren Konflikt leben. Solche Kinder haben sich nie von ihren Eltern lösen können. Man muss zuerst souverän werden, indem man sich von seinen Eltern löst, um frei und kritisch denken und handeln zu können. Glaubt denn jemand, dass zwei Nachbarn, die sich seit Jahren vor Gericht über die gemeinsame Grundgrenzen-Hecke streiten, souveräne Persönlichkeiten sind? Kann aus Symbiose Journalismus, noch dazu kritischer Journalismus entstehen? Schwerlich.

Nun geben uns spirituelle Wegweiser einen Hinweis darauf, wie man zur souveränen Persönlichkeit wird: das Stichwort ist „Feindesliebe“! Wenn Du Deinen Feind lieben lernst, trittst Du aus der Symbiose heraus, die uns normalerweise mit unserem Feind verbindet. Das selbe meinen letztendlich auch die Zehn Gebote, wenn sie uns empfehlen, wir sollten Vater und Mutter ehren. Im Idealfall wirst Du durch diesen Schritt sogar so souverän, dass sich Dein Feind in Luft auflöst. Gut, das hören jetzt Journalisten gar nicht gerne, aber es ist nur ein kleiner Tipp, wie man Spuren in der Existenz hinterlassen kann.

Wenn jetzt also Demonstranten Spruchtafeln in die Höhe halten, auf denen „Mutti“ sprachlich angegriffen wird, demonstrieren sie vor allem ihr symbiotisches Verhältnis. Wenn sie aber auf die Tafeln schreiben würden: „Ich muss Mutti zwar nicht wählen, aber ich hab sie lieb“, dann wüssten wir, dass sie uns etwas zu sagen haben.

3.) Unsere Welt ist eine Projektion. Jeder von uns sieht nur das in der Welt, was er zuvor in sie hineinprojiziert hat. Die Wahrnehmung der Welt entsteht in uns. Niemand von uns weiß tatsächlich, wie die Welt sozusagen „objektiv“ aussieht, sodass wir auf die Projektionen anderer angewiesen sind. Erst die Summe der Projektionen aller Menschen erschafft die Welt. Die Gesellschaft hat sich zwar darauf geeinigt, dass es Tatsachen (nicht Wahrheit) gibt (bzw. gäbe), aber wie mit diesen Tatsachen verfahren wird, ist dann eine Sache der Projektion. Weil dem so ist, sagt eine Beschreibung immer mehr etwas über den Beschreibenden (Journalisten) aus, als über das Beschriebene.

Die größten Projektoren in unserer Gesellschaft sind die politischen Kräfte sowie die Medien. Wenn also Medien sich und ihre Arbeit ernst nehmen würden, würde zum Beispiel ein Schriftzug über den Bildschirm der Nachrichtensendung laufen, mit den Worten: „Das ist unsere Projektion und die ist im Kopf des Redakteurs entstanden – hat also mit einer Realität nichts zu tun.“ Wenn dann da ein Redakteur auf ein bestimmtes Ziel das Böse projiziert, dann wissen wir zwar, wie es im Inneren des Redakteurs aussieht, aber nicht wie das Ziel aussieht. Medien leben geradezu davon, ihre Konsumenten über solche Zusammenhänge im Unklaren zu lassen.

Gibt es nun eine richtige und eine falsche Projektion? Auf einer bestimmten Ebene nein. Alle Projektionen sind gleich viel wert. Aber auf einer höheren, spirituellen Ebene gibt es sehr wohl einen Unterschied. Von spirituellen Wegweisern wissen wir, dass unser höheres Bewusstsein – um das verteufelte Wort „Gott“ nicht zu benützen – die reine und totale Liebe ist. Wenn also Liebe projiziert wird, kann es nie falsch sein – obwohl unser Ego nicht immer versteht, was Liebe tatsächlich ist. Und umgekehrt.

Punkt B: Was ist eine Krise?

Wenn man den Leuten jetzt so zusieht, hat man oft den Eindruck, sie meinen, Krise sei ein anderes Wort für „Normalität“. Krise heißt aber tatsächlich Krise. Da ist also etwas völlig anderes. Mit dem Begriff Wandel ist es genauso. Wandel heißt Wandel. Das scheinen manche nicht so richtig zu begreifen.

Am besten versteht man das, wenn man das Leben, oder den Fortgang der Gesellschaft, als langen, breiten Fluss sieht. Die Eigenschaft des Flusses ist es, zu fließen. Und wir sind am Besten im Fluss, also im Flow, wie das auf Neutiefdeutsch heißt. Was macht aber unser Ego? Unser Ego baut eine Staumauer und staut den Fluss auf. Weil es ist ja gerade so schön und so soll es auch bleiben.

Irgendwann hat aber der Fluss – er fließt sehr langsam – den Stauraum aufgefüllt. Dann ziehen wir die Staumauer eben höher und so geht es einige male hin und her, bis es dann eben nicht mehr geht und dann ergießt sich der Fluss über die Staumauer und nicht nur das: er reißt die ganze Staumauer mit sich und uns dazu – der Fluss ist nämlich sehr mächtig und duldet keinen Widerstand . Dabei kommen wir mit dem Kopf unter Wasser und sind, sagen wir mal, ziemlich desorientiert. Dieser Vorgang heißt dann Krise. In der Krise spült uns der Fluss soweit flussabwärts, bis wir an der rechten Stelle im Flusslauf angekommen sind – bzw. die Energie des Flusses wieder nachgelassen hat.

Viele wünschen sich jetzt ein zurück zur „Normalität“. Aber das wird es nicht geben: Erstens ist noch nie ein Fluss flussaufwärts geflossen und zweitens ist die „Normalität“ ein Konstrukt (also die Staumauer) unseres Egos, das uns ja gerade in diese Krise geführt hat. Es geht also nicht um Normalität, sondern um Flow. Gleichsam ist die Normalität der Wandel, bzw. die Nicht-Normalität ist die Normalität. Die Frage muss lauten, wie kommen wir in den richtigen Flow, das heißt, wie schaffen wir es, uns dem Fluss anzuvertrauen. Dazu braucht es Vertrauen und Mut.

Es gibt jetzt viele Leute, die sich noch dazu vor Kameras und Mikrofone setzen, die ihnen bereitwillig entgegengehalten werden und verkünden: „Mutti hat die Wirtschaft gegen die Wand gefahren“ und solche Sprüche. In den Nachbarländern von Deutscheland läuft der gleiche Sager: der Neffe habe die Wirtschaft gegen die Wand gefahren und der Onkel in Paris habe so und so….. Na klar.

Solche Aussagen weisen auf ein profundes Missverständnis des Begriffes Krise hin. Eine Krise entsteht nicht dadurch, weil irgendjemand etwas falsch oder auch nicht-falsch gemacht hat, sondern weil es zuvor – wie beschrieben – eine langanhaltende, kollektive Fehlentwicklung gegeben hat. Es ist ein Feindbild-basierter Irrglauben zu meinen, ein einzelner könnte den großen Fluss irgendwie umleiten. Wir müssen uns schon als das sehen, was wir auch sind, nämlich ein Kollektiv, eine Gesellschaft, eine Volksherrschaft (Demokratie) mit einer Volkswirtschaft mit Volks- und anderen Wägen übrigens.

Eine Gesellschaft besteht immer aus Individuen in einem Kollektiv. Gesellschaftsmodelle, die zu sehr entweder auf das Kollektiv oder auf das Individuum setzen, sind entweder schon gescheitert oder sind gerade im Scheitern begriffen. Es ist eine grundlegende spirituelle Erkenntnis, dass alles mit allem zusammenhängt, oder wie es der Dalai Lama in dem Film But Beautiful von Erwin Wagenhofer formuliert: „Ich habe über 60 Jahre nachgedacht und die Schlüsselerkenntnis ist die: Nichts existiert unabhängig.“

Diese Erkenntnis wird mit dieser Krise eine Schlüsselerkenntnis für die westliche Gesellschaft werden müssen, wenn sie – die westliche Gesellschaft – nicht abhanden kommen will. Wir sind Teil eines Netzwerkes, das nicht nur aus Menschen, sondern auch aus Tieren, Pflanzen, Steinen und den Sternen besteht und im menschlichen Gehirn sehen wir einen Spiegel dafür, wie dieses Netzwerk funktioniert. Alle Teile arbeiten mit allen zusammen, es werden Impulse gegeben und empfangen, alte Verbindungen werden stillgelegt und neue geschaffen. Das Wort „Demokratie“ gibt bereits einen Fingerzeig in Richtung dieses Netzwerkes und ist ein veralteter Ausdruck für etwas, was wir uns jetzt bewusstmachen müssen. Wir sind Teil eines einzigen Netzwerkes und alle sind gewissermaßen an allem beteiligt und für alles verantwortlich. Wenn wir anfangen, als Netzwerk zu denken und zu handeln, wird das die gesellschaftliche und politische Landschaft grundlegend verändern. Die C-19 Krise hat schon erste Anzeichen für ein solches Netzwerk-Handeln gebracht. Wenn aber jemand einen Feind bekämpfen muss, bekämpft er in diesem Feind sich selbst: Wir wissen also, wie es um die westliche Gesellschaft im Allgemeinen bestellt ist. Schlecht nämlich.

In diesem Licht wirkt der Widerstand, wie er jetzt aus der „Szene“ gegen C-19 Maßnahmen vorgetragen wird, wie ein eingefrorenen Posthorn-Ton. Das ist ziemlich viel dieses altertümliche, dualistische Denken: Dort ist die Obrigkeit – hier ist der Widerstand und wir Helden begehren jetzt gegen die Obrigkeit auf….. Das wirkt auf den Beobachter wie Grüße aus vergangenen Zeiten.

Zuletzt noch ein paar Worte zum „Wandel“. Am Anfang sagten wir, Wandel sei nichts für schwache Nerven. Dies deshalb, weil man sich selbst zurücknehmen muss, um für den Wandel offen zu sein. Wandel beginnt immer mit Rückzug, Stillstand und Loslassen. Wer den Rückzug bekämpft, möchte keinen Wandel. Wer sich an Grasbüscheln am Flussufer festhält, ist nicht reif für den Wandel. Wer verbissen kämpft, ist ebenfalls kein Teil des Wandels. Denn Wandel entsteht aus dem Loslassen. Der Fluss trägt Dich von alleine, da musst Du nicht kämpfen.

Die politischen Eliten haben wohl gleich erkannt, was sie mit den C-19 Maßnahmen ausgelöst haben und versuchen möglicherweise, das Losgetretene wieder einzufangen. Aber es ist doch irgendwie überraschend gewesen, dass die etablierten Medien schon bald Denkanstöße in Bezug auf den Wandel gegeben haben. Ein Musterbeispiel für Wandel ist das mitteleuropäische Jahrhundert zwischen 1820 und 1920. Eine Zeit, die uns heute äußerlich als Rückzug erscheint, hat in Wirklichkeit eine so starke gesellschaftliche und kulturelle Dynamik erzeugt, dass daraus eine Revolution entsteht. Die wird niedergeschlagen und es kommt ein neoabsolutistisches System an die Macht. Doch dieses System zerbröselt an der Geschichte. Man hat zwar die Revolution niedergeschlagen, aber nicht die Energie des Wandels. Am Ende steht Demokratie. Auch deswegen braucht man beim Wandel gute Nerven: Er geht mit dem Fluss einher, der langsam aber stark dahinfließt. Das kann schon einmal den eigenen, kleinen Horizont übersteigen.

Was es sonst noch zu sagen gilt: mein C-19 freier Blog: https://mittelundosteuropa.wordpress.com/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Michael Schütz

Unabhängiger Historiker

Michael Schütz

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