Schoßgebete: Eine Selbstbetrachtung

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Man kann dem Buch vorwerfen nichts als eine eitle Selbstbetrachtung zu sein.
Mancher Kritiker tut das.
Ich glaube nicht recht daran, die Frage was an Elisabeth Kiehl denn nun literarisches Ich, was echte Charlotte ist, mag ich mir kaum stellen, auch wenn es natürlich reizvoll ist. Ich habe eindeutig zuviele Kritiken und in den anderen Blogs des Projekts gelesen um auch nur ansatzweise unbefangen daran zu gehen. Aber ich erinnere mich an meinen ersten Eindruck, der gut war, und das Gefühl, dass mir so vieles bekannt vorkommt. Das macht mir das Tagebuchbloggen schwer. Es macht es persönlich.

Ich bin selber Mutter, Tochter, Schwester, Frau, Patientin nicht mehr. Nicht mehr. Vieles von dem, was in dem Buch steht, viele Gedanken und Zwänge mit denen die Figur sich herumquält, sind mir nur zu nahe. Ich bin ganz anders, aber ich kann einiges genau nachvollziehen und bei anderem möchte ich sie schütteln und anschreien und brüllen "merkst du nicht was du da redest? Was für eine gequirlte Scheiße das ist, mit der du dich da rumschlägst?" Offenbar trifft sie nicht nur einen Zeitgeist, sondern auch einen Nerv, bei mir.

Emotional verbinde ich das Buch ein wenig mit "Liebesleben" von Zeruya Shalev. Die Thematik ist anders, die Handlung ist anders, die Figuren unterscheiden sich: aber beide Geschichten haben zutiefst verstörte Frauen als Angelpunkt, die mit Sex kompensieren. Ich vergesse nie, wie verschreckt ich war, als Maria Schrader, die das Buch verfilmte, in einem Interview sagte, sie habe diesen Film machen wollen, machen müssen, weil sie sich so sehr mit Ja'ara, der Protagonistin hat identifizieren können. Maria Schrader, bei der ich mir diese Abgründe, dieses ans psychotische grenzende nicht auch nur ansatzweise habe vorstellen können. Und dann spricht sie auch noch ganz offen darüber!

Ich war mir nach den ersten Seiten sicher, das Buch in kürzester Zeit, wahrscheinlich auf der Bahnfahrt von Berlin nach Köln durchgelesen zu haben. Jetzt, 2 Wochen später bin ich noch immer nicht fertig. Aber es beschäftigt mich.
Davon möchte ich berichten, nicht über die einzelnen Abschnitte, wie sie im Buch vorkommen, mit Seitenangaben, sondern mit den Sinnabschnitten und der Frage, was genau das mit mir zu tun hat. Also doch eine Selbstbetrachtung, hoffentlich nicht allzu eitel.

Beginnen möchte ich mit der "perfekten Mutter".
Morgen.
Bestimmt.

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Geschrieben von

Sarah Rudolph

neugierig, laut, wirr. // chaotic as usual

Sarah Rudolph

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