Brandmauern, Wegbereiter und der Kampf gegen Rechts

Antifaschismus Dem Rechtsruck lässt sich nichts entgegensetzen durch Zugeständnisse an diejenigen, die ihn mitverantwortet haben.

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Nach der kürzlich veröffentlichten Correctiv-Recherche über ein klandestines Treffen Rechtsextremer (Geheimplan gegen Deutschland (correctiv.org)), gingen in ganz Deutschland unzählige Menschen auf die Straße, um gegen Rassismus und Faschismus zu demonstrieren. Die große Bereitschaft der Zivilbevölkerung aktiv zu werden, ist bemerkenswert. Leider fehlt eine starke, linke Bewegung, die dieses Engagement auffangen und Möglichkeiten zur weiteren politischen Organisierung bieten kann.

Demos und Doppelmoral

Viele der Demonstrationen, die in den letzten Tagen veranstaltetet wurden, wurden von den bürgerlichen Parteien, die sich links von der AfD positionieren, organisiert. Dort waren also die sogenannten Demokrat*innen vertreten, von der Linken, über die regierenden Ampel-Parteien, bis hin zur CDU. Wer die Correctiv-Recherche gelesen hat, sollte sich zumindest über die Beteiligung der CDU wundern, denn an dem Treffen hochrangiger Rechter, bei dem Pläne für Massenabschiebungen geschmiedet wurden, nahmen auch CDU-Mitglieder teil. Bedenkt man jedoch, wie sehr die CDU versucht, sich von der, stellenweise nur marginal rechteren, AfD abzugrenzen, gerne mit dem Verweis auf ominöse Brandmauern, erscheint es gar nicht so irrsinnig, dass die rechts-konservative CDU jetzt versucht, ihre demokratische Weste reinzuwaschen. Dabei glänzt die Union mit Doppelmoral. Aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag war etwa die GEAS-Reform und die damit einhergehende Einschränkung des Asylrechts nur ein unzureichender Schritt in die richtige Richtung. Kritik von rechts erhielt die GEAS-Reform auch von der AfD. Stehen sich die beiden Parteien etwa näher als sie zugeben möchten? Besonders die bayerische CSU zeigt regelmäßig ihr reaktionäres Gesicht und möchte, wie die AfD, die deutsche Kultur und Volksgemeinschaft retten, etwa durch Kreuze in öffentlichen Gebäuden, oder einen jährlichen Anti-Abtreibungstag an Schulen („Aktionstag für das Leben“), wie von Markus Söder vorgeschlagen, der bereits beklagte, dass die Stimme der Kirchen in fundamentalen Fragen fehle.

Aber auch bei den Parteien der Ampel-Regierung scheint ein Widerspruch zwischen ihrem antifaschistischen und antirassistischen Selbstverständnis und ihren politischen Taten zu bestehen. Dass die FDP eine unsoziale, neoliberale Partei ist, deren Interessen beim Kapital und nicht bei Menschenleben liegen, überrascht eher weniger. Doch auch SPD und Grüne schicken mit der GEAS-Reform unzählige geflüchtete Menschen in den Tod und bereiten damit den ersten Schritt für jene Massenabschiebungen vor, die Parteien rechts von ihnen fordern. Auch Kanzler Olaf Scholz erklärte bereits, dass er gerne im großen Stil abschieben möchte. Es scheint, für Rassismus braucht es keine AfD. Auch braucht es keine AfD, um Erwerbslosen für zwei Monate, oder länger, das Bürgergeld zu streichen; das Geld, das sie für Alltägliches wie Nahrung und Strom brauchen. Und wie die Abholzung Lützeraths zeigte, braucht es auch keine Klimawandel-leugnenden Rechten, um Kohlekonzernen die weitere Zerstörung unserer Umwelt zu gestatten.

Und dennoch feiern sich die etablierten Parteien als große Retter*innen der Menschenrechte. Tim Achtermeyer von den Grünen NRW filmte eine von bürgerlichen Parteien organisierte Demo gegen rechts in Bonn, bei der 35.000 Menschen waren, und freute sich, dass "ganz Bonn eine einzige Demokratie-Party" sei. Gleichzeitig unterstützt seine Partei die Aufrüstung des deutschen Staates, damit diese bürgerliche Demokratie bloß wehrhaft bleibt. All die Parteien, die jetzt Image-Pflege betreiben, haben ihre eigene Vorstellung davon, wer nach Deutschland gehört und wer nicht. Das zeigt sich auch, wenn sie besonders empört darüber sind, dass auf dem rechten Geheimtreffen darüber diskutiert wurde, „selbst“ deutsche Staatsbürger*innen abzuschieben. Die Vorstellungen über die deutsche Volksgemeinschaft von Linksliberalen, Liberalen, Konservativen und Rechtsradikalen gehen durchaus auseinander. Die einen wollen ein buntes Volk, das manche Ausländer*innen akzeptiert. Die anderen wollen ein reines Volk, ohne Fremde und ohne Vielfalt. Die einen sind stolz auf den vermeintlich toleranten Westen und die EU. Die anderen wollen das Vaterland von der Globalisierung befreien, um wieder stolz sein zu können. Damit sind die Grenzen jedoch fließend, und offene Grenzen, oder gar Zweifel am Konstrukt der Nation, für alle Tabu.

Engagement und Enttäuschung

Für viele, die jetzt gegen Rassismus und andere Ungerechtigkeiten kämpfen wollen, ist es schwer verständlich, warum die demokratischen Parteien an ihrem "weiter so" festhalten. Tausende von Menschen gehen zu ihren Demonstrationen, um irgendetwas zu tun, irgendwie aktiv zu werden, doch gleichzeitig verlieren sie mehr und mehr das Vertrauen in das politische Establishment. Selbst die Linke schafft es nicht, eine bessere Perspektive zu bieten, wenn sie um Regierungsfähigkeit mit pro-kapitalistischen Parteien bemüht ist, oder jahrelang mit Sahra Wagenknecht eine Frau in ihren Reihen toleriert hat, die deutsche Arbeiter*innen gegen Migrant*innen ausspielt und ihre ganz eigenen Abschiebungspläne hegt.

Viele der Menschen, die, wenn auch verspätet, endlich die Bedrohung durch die AfD und andere Rechtsextreme erkannt haben, werden auch die Heuchelei der anderen bürgerlichen Parteien und Politiker*innen erkennen. Sie werden sehen, dass nicht nur die neoliberale FDP Profite über Menschenleben stellt. Sie werden erkennen, dass kapitalistische Regierungen, wenn es um den Erfolg der Nation geht, aufrüsten, abschieben, unterdrückte Gruppen gegeneinander ausspielen, Sozialabbau betreiben usw. Sie werden erkennen, dass die Brandmauer nicht nur einreist, sondern nie errichtet wurde. Diese Menschen brauchen die Möglichkeit sich politisch zu organisieren und sich auszutauschen. Sie brauchen Räume, in denen sie über ihre Unzufriedenheit und ihre Enttäuschung sprechen können und in denen sie neue Perspektiven entwickeln können. Es ist dringender denn je, dass die politische Linke aus ihrer Passivität rauskommt. Die aktuelle Lage spitzt sich zu für lohnabhängig Beschäftigte, für Erwerbslose, und besonders für mehrfach unterdrückte Teile der Arbeiter*innenklasse, wie rassifizierte Menschen und Migrant*innen. Es braucht eine starke Linke, die, im Sinne des gemeinsamen Klassenkampfes, zu weiteren Aktionen des Widerstands bereit ist, damit es nicht bei einzelnen Großdemonstrationen bleibt. Denn letzten Endes werden solche Aktionen, auch wenn sie noch so gut besucht sind, nicht ausreichen, um dem Rechtsruck entgegenzuwirken.

Linke Antworten

Besonders die Parteien, die in der aktuellen Situation, durch ihre Regierungsverantwortung, für massenweise Abschiebungen verantwortlich sind, werden ihre politischen Entscheidungen nicht ändern, wenn unkritisch an den von ihnen selbst organisierten Demonstrationen und Kundgebungen teilgenommen wird. Der Kampf gegen Rassismus und den allgemeinen Rechtsruck muss von links geführt werden, und zwar ohne Kompromisse einzugehen. Der Glaube an die Brandmauer und die starke Fokussierung antifaschistischer Kräfte auf die AfD, als wäre sie die einzige rassistische Partei, haben dazu geführt, dass es großes politisches Engagement breiter Teile der Gesellschaft erst gab, als ein geheimes Treffen Rechtsextremer enthüllt wurde, nicht aber, als Parteien der „Mitte“ bereits das Asylrecht einschränkten. Dieses Engagement darf aber jetzt nicht wieder zunichte gemacht werden, weil Möglichkeiten zur Weiterarbeit fehlen. Was wir brauchen, ist kein Bündnis aus Linken, Liberalen und Rechten, gegen noch Rechtere, sondern eine echte linke Alternative für diejenigen, die gerade zurecht wütend und enttäuscht sind. Dem Rechtsruck lässt sich nichts entgegensetzen durch Zugeständnisse an diejenigen, die ihn mitverantwortet haben. Es wird höchste Zeit, dass die politische Linke aus ihrem Winterschlaf erwacht!

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