Hauptsache ein Auto!

Autos In nichts anderes versenken Deutsche sinnlos so viel Kapital.

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Zwei Freunde unterhielten sich über ihre Autos. Um die Daten, die beim ersten Auto in der Jugend (und schon lange vorher beim Quartettspielen) wichtig waren – PS, Zylinder, Hubraum, Höchstgeschwindigkeit – ging es dabei weniger. Anscheinend nimmt mit zunehmendem Alter und Bauchumfang das Interesse an der Ingenieurskunst ab und an der Innenausstattung zu.

„Wenn Du einmal eine Sitzheizung gehabt hast, willst Du nie mehr ohne fahren.“

„Die Einparkhilfe ist schon genial.“

„Ich würde ihn eigentlich gerne weiter fahren, aber bald läuft der 2-Jahres-Leasingvertrag aus.“

„Beim nächsten Mal hole ich mir eine Lenkradheizung.“

„Meine Frau hätte gerne einen größeren.“

„Da bekomme ich sechs Kisten Bier in den Kofferraum.“

„Man weiß nie, wann man die Anhängerkupplung mal braucht.“

Ich selbst habe schon seit 10 Jahren kein Auto mehr, wollte mich aber in die Unterhaltung einbringen. Also stellte ich die für ein Automobil eigentlich naheliegende Frage: „Und wohin fahrt Ihr so mit Euren Autos?“

Die beiden starrten mich an, wie wenn ich etwas Blödes gefragt hätte. Fast wollte ich nachfragen: „Dafür sind Autos doch da, oder? Zum Fahren!“

„Naja“, brachte der eine langsam hervor, und es war offensichtlich, dass er die Frage zum ersten Mal bedachte, „überall wo ich hin muss.“ Der andere überlegte noch immer, wie meine Frage gemeint war.

„Und konkret?“ fragte ich nach, aufrichtig neugierig, zu erfahren, wie weit man mit 185 PS, 220 km/h und Sitzheizung kommt.

„Zum Einkaufen, zur Arbeit, überall hin halt.“ Er klang schon etwas unwirsch, aber eine Investition im Wert von über 33.000 Euro rechtfertigte meiner Meinung nach eine weitere Nachfrage.

„Und was war die weiteste Strecke, die Du je damit gefahren bist?“

„Die weiteste Strecke?“ Er musste überlegen, wahrscheinlich im Kopf seine Reisen nach Norwegen und Portugal, über die Alpen und den Ural durchgehen und die im Allradwagen zurückgelegten Kilometer abzählen. Schließlich fiel es ihm ein: „Letztes Jahr bin ich mal zu einem Konzert nach Regensburg gefahren.“

„Wow“, entfuhr es mir anerkennend. Der Reaktion entnahm ich, dass Audi und Chrysler noch keine Ironiedetektoren im Angebot hatten.

Meine beiden Freunde mussten dringend weiter. Zur Arbeit, um mehr Geld zu verdienen, um sich bald ein noch größeres und teureres Auto zu kaufen. Das nächste wird dann schwimmfähig sein oder über eine Raketenabwehr verfügen. Für den Weg zur Arbeit oder zum Aldi (wer mit Blech protzen will, muss beim Essen sparen).

Ich glaube, die meisten Autos sind traurig über ihr erzwungen langweiliges Leben. Wenn ich doch mal die Hand an ein Automobil bekomme, biete ich ihm wenigstens eine besondere Herausforderung:

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Geschrieben von

Andreas Moser

Nach Abschlüssen in Jura und Philosophie studiere ich jetzt Geschichte, ziehe um die Welt und schreibe darüber.

Andreas Moser

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